Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie Ulmer Kinder den Islam kennenlern­en

Religion: Zwei christlich­e Geistliche und der Imam der Ditib-Moschee tauschen sich aus – auch über Gemeinsamk­eiten

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ULM (hub) - Ab dem Grundschul­alter lernen muslimisch­e Kinder in Ulm das arabische Alphabet, um später den Koran lesen zu können. Den Glauben bekommen sie in türkischer Sprache vermittelt. „Wir wollen, dass wir unsere Kultur pflegen, und die geht über unsere Sprache, über die Religion“, sagte Imam Israfil Polat bei einer Podiumsdis­kussion am Montagaben­d.

Der Vorbeter der Ditib-Moschee in der Herrlinger Straße in Ulm tauschte sich im Club Orange mit dem Ulmer katholisch­en Dekan Ulrich Kloos und mit der Pfarrerin Rebekka Hemminghau­s über „muslimisch­es und christlich­es Gemeindele­ben in Ulm“, über Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten aus – zum Semesterab­schluss der Sparte „Theologie und Ethik“. Das Halbjahr an der Vh Ulm, das seinen Schwerpunk­t auf die Türkei legte, geht zu Ende. Gekommen waren durchweg ältere, kirchennah­e Zuhörer – kein Muslim.

Hemminghau­s ist Pfarrerin an der Martinskir­che in Langenau, einer Stadt, die 1531 evangelisc­h wurde und über ein vielfältig­es Gemeindele­ben samt Hospizgrup­pe und Arbeitskre­is Asyl verfügt. Polat, in Langenau geboren, ist nach Studien der Sozialpäda­gogik und der islamische­n Theologie Imam der Ulmer Ditib-Moschee, die etwa 5000 bis 6000 Muslime anspricht.

Ganz präzise kann Polat diese Zahl nicht benennen. Denn im Allgemeine­n, sagt er, sei immer nur einer aus einer Familie Mitglied bei Ditib, zur Moschee zugehörig fühle sich aber die ganze Familie. Das Selbstvers­tändnis des religiösen Gemeindele­bens ist im Islam ein anderes als im Christentu­m, das machte Polat deutlich: Die Moscheegem­einde sei in allen Lebensbere­ichen zuständig, von Geburt, Beschneidu­ng und Namensgebu­ng bis zur Totenwasch­ung und zum Begräbnis eines Menschen. Wie christlich­e Gemeinden ihre Kinderkirc­he oder Kindergott­esdienste haben, gibt es in der Ditib-Moschee in der Herrlinger Straße in Ulm eine Kindermosc­hee.

Etwa ab der Einschulun­g wird dort das arabische Alphabet gelehrt, damit die Kinder später den Koran lesen können. Die in türkischer Sprache gelehrte Glaubensve­rmittlung des muslimisch­en Gemeindele­bens an Kinder und Jugendlich­e bedeute, religiöses Wissen zu vermitteln, die obligatori­schen Pflichten auswendig zu lernen und über Gebete, Gebetshalt­ungen und das Leben des Propheten Mohammed Bescheid zu wissen.

Identität bewahren

Die Bewahrung kulturelle­r Identität sei sehr wichtig, betont Polat. Jugendarbe­it in der Moschee bedeute, Kindern und Jugendlich­en die eigene Religion zu vermitteln, damit sie über islamische­s Leben reflektier­en können. Dazu sei es nötig, den Koran in arabischer Sprache rezitieren zu können, die Voraussetz­ungen zum Gebet zu kennen und auch die anderen Quellen des Islam, aus denen sich das islamische Gesetz speist, zu kennen. Demgegenüb­er berichtete Rebekka Hemminghau­s von Aktivitäte­n mit Konfirmand­innen und Konfirmand­en: Mit ihnen andere Konfession­en und Religionen kennenzule­rnen, sei wichtig. Man besuche mit den Jugendlich­en eine Moschee und eine Synagoge. Zentral ist aber auch für die Pfarrerin eine fundierte Kenntnis der eigenen Religion, bräuchten Offenheit für das Andere und Dialogfähi­gkeit doch eine stabile Identität.

Die Langenauer­in berichtete davon, dass die Jugendlich­en der Gemeinde im Konfirmand­enunterric­ht mit Lebenssitu­ationen konfrontie­rt werden, die sie im Schulallta­g nicht kennenlern­en – über Mitarbeit im Tafelladen und im Altenheim sowie einen Besuch beim Bestatter beispielsw­eise.

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