Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Prinz Philip und sein Schutzengel
Nach schwerem Verkehrsunfall: Muss der 97-jährige Ehemann der Queen das Autofahren aufgeben?
LONDON - In diesen schweren Brexit-Zeiten ist den Briten jede kleine Abwechslung zu gönnen. Und so debattieren die Untertanen Ihrer Majestät an diesem Wochenende statt über die innerirische Grenze und den EU-Binnenmarkt mit Hingabe über Verkehrsvorschriften, Geschwindigkeitsbegrenzungen und die Vor- und Nachteile älterer Autofahrer.
Den Anlass dazu hat ausgerechnet der Prinzgemahl von Königin Elizabeth II geliefert. Am Steuer eines Landrover, made in Britain, bog der 97-Jährige am Donnerstagnachmittag vom Park des Königsschlosses von Sandringham (Grafschaft Norfolk) auf eine Landstraße ein. Offenbar blendete ihn dabei die kühle Januarsonne – jedenfalls übersah Philip den heranrauschenden Kia einer 28-Jährigen, die mit ihrem neun Monate alten Baby und einer Beifahrerin, 45, unterwegs war. Der Zusammenstoß sandte den Kleinwagen in den Straßengraben, der Landrover überschlug sich und blieb auf der Fahrerseite liegen.
Mit Leibwache zum Schloss
„Ich holte zuerst mal das Baby aus dem Auto“, berichtete der erste Zeuge tags darauf dem Boulevardblatt „Sun“. Dann sah er am Landrover nach dem Rechten. „Meine Beine, meine Beine“, habe der Prinz geklagt, und „ziemlich mitgenommen“gewirkt. Dann aber konnte der rüstige Herr mit ein wenig Hilfe seinen Wagen selbstständig verlassen und sich nach den Kia-Insassen erkundigen. Diese wurden mit leichten Verletzungen ins Spital eingeliefert, der Prinz selbst kehrte mit seinem Leibwächter direkt ins Schloss zurück.
Zuvor allerdings hatte die alarmierte Polizeistreife ihres Amtes gewaltet: Wie jeder andere Unfallverursacher musste auch der Herzog von Edinburgh ins Röhrchen pusten. Die Alkoholprobe fiel negativ aus, was angesichts der asketischen Lebensweise Seiner Königlichen Hoheit nicht überrascht.
Auf der Landstraße A149 wurden in den vergangenen sechs Jahren fünf tödliche Unfälle verzeichnet, weshalb die Kreisverwaltung demnächst die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 Meilen (96 km/h) heruntersetzen will.
Mag also ein Schutzengel über den Prinzen und die anderen Beteiligten gewacht haben – der Unfall rief sofort jene auf den Plan, die älteren Autofahrern gern den Führerschein wegnehmen wollen. Das sei natürlich Unsinn, argumentierte hingegen Edmund King vom Automobilclub AA: „Junge Männer haben viel häufiger Unfälle in den ersten sechs Monaten nach der Führerscheinprüfung als ältere Menschen in den sechs Monaten, ehe sie das Autofahren aufgeben.“Zudem würden sich betagte Verkehrsteilnehmer oft dadurch schützen, dass sie nur noch auf ihnen vertrauten Straßen unterwegs sind, und auch dies nicht mehr nachts.
Den Führerschein abnehmen können die Behörden Prinz Philip schon deshalb nicht, weil der Marineoffizier gar keinen besitzt. Das ist ein Überbleibsel aus den 1930er-Jahren, als der 1921 geborene Abkömmling des Hauses Schleswig-HolsteinSonderburg-Glücksburg seine lebenslange Liebe zu schnellen Autos entdeckte.
Admiral Louis Mountbatten hat der Nachwelt, darunter dem QueenBiographen Ben Pimlott, eine wunderbare Anekdote hinterlassen, die sowohl über das Verhältnis der Eheleute wie über Philips Fahrkünste viel aussagt. Auf dem Weg zu einem Polomatch sei der Prinz viel zu schnell unterwegs gewesen, weshalb die Queen spürbar verkrampft neben ihm saß und immer wieder hörbar einatmete. Da habe sich der Fahrer wütend an seine Frau gewandt: „Wenn Du das noch einmal machst, schmeiße ich dich raus!“Im Auto kehrte Stille ein.
Weshalb sie sich denn diese Behandlung habe gefallen lassen, fragte Admiral Mountbatten später seine Nichte: „Schließlich hattest du Recht, er fuhr viel zu schnell.“Elizabeth II erwiderte: „Aber du hast doch gehört, was er gesagt hat“– offenbar hatte Ihre Majestät berechtigte Sorge, auf offener Straße an die Luft gesetzt zu werden.