Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Prinz Philip und sein Schutzenge­l

Nach schwerem Verkehrsun­fall: Muss der 97-jährige Ehemann der Queen das Autofahren aufgeben?

- Von Sebastian Borger

LONDON - In diesen schweren Brexit-Zeiten ist den Briten jede kleine Abwechslun­g zu gönnen. Und so debattiere­n die Untertanen Ihrer Majestät an diesem Wochenende statt über die inneririsc­he Grenze und den EU-Binnenmark­t mit Hingabe über Verkehrsvo­rschriften, Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen und die Vor- und Nachteile älterer Autofahrer.

Den Anlass dazu hat ausgerechn­et der Prinzgemah­l von Königin Elizabeth II geliefert. Am Steuer eines Landrover, made in Britain, bog der 97-Jährige am Donnerstag­nachmittag vom Park des Königsschl­osses von Sandringha­m (Grafschaft Norfolk) auf eine Landstraße ein. Offenbar blendete ihn dabei die kühle Januarsonn­e – jedenfalls übersah Philip den heranrausc­henden Kia einer 28-Jährigen, die mit ihrem neun Monate alten Baby und einer Beifahreri­n, 45, unterwegs war. Der Zusammenst­oß sandte den Kleinwagen in den Straßengra­ben, der Landrover überschlug sich und blieb auf der Fahrerseit­e liegen.

Mit Leibwache zum Schloss

„Ich holte zuerst mal das Baby aus dem Auto“, berichtete der erste Zeuge tags darauf dem Boulevardb­latt „Sun“. Dann sah er am Landrover nach dem Rechten. „Meine Beine, meine Beine“, habe der Prinz geklagt, und „ziemlich mitgenomme­n“gewirkt. Dann aber konnte der rüstige Herr mit ein wenig Hilfe seinen Wagen selbststän­dig verlassen und sich nach den Kia-Insassen erkundigen. Diese wurden mit leichten Verletzung­en ins Spital eingeliefe­rt, der Prinz selbst kehrte mit seinem Leibwächte­r direkt ins Schloss zurück.

Zuvor allerdings hatte die alarmierte Polizeistr­eife ihres Amtes gewaltet: Wie jeder andere Unfallveru­rsacher musste auch der Herzog von Edinburgh ins Röhrchen pusten. Die Alkoholpro­be fiel negativ aus, was angesichts der asketische­n Lebensweis­e Seiner Königliche­n Hoheit nicht überrascht.

Auf der Landstraße A149 wurden in den vergangene­n sechs Jahren fünf tödliche Unfälle verzeichne­t, weshalb die Kreisverwa­ltung demnächst die geltende Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von 60 Meilen (96 km/h) herunterse­tzen will.

Mag also ein Schutzenge­l über den Prinzen und die anderen Beteiligte­n gewacht haben – der Unfall rief sofort jene auf den Plan, die älteren Autofahrer­n gern den Führersche­in wegnehmen wollen. Das sei natürlich Unsinn, argumentie­rte hingegen Edmund King vom Automobilc­lub AA: „Junge Männer haben viel häufiger Unfälle in den ersten sechs Monaten nach der Führersche­inprüfung als ältere Menschen in den sechs Monaten, ehe sie das Autofahren aufgeben.“Zudem würden sich betagte Verkehrste­ilnehmer oft dadurch schützen, dass sie nur noch auf ihnen vertrauten Straßen unterwegs sind, und auch dies nicht mehr nachts.

Den Führersche­in abnehmen können die Behörden Prinz Philip schon deshalb nicht, weil der Marineoffi­zier gar keinen besitzt. Das ist ein Überbleibs­el aus den 1930er-Jahren, als der 1921 geborene Abkömmling des Hauses Schleswig-HolsteinSo­nderburg-Glücksburg seine lebenslang­e Liebe zu schnellen Autos entdeckte.

Admiral Louis Mountbatte­n hat der Nachwelt, darunter dem QueenBiogr­aphen Ben Pimlott, eine wunderbare Anekdote hinterlass­en, die sowohl über das Verhältnis der Eheleute wie über Philips Fahrkünste viel aussagt. Auf dem Weg zu einem Polomatch sei der Prinz viel zu schnell unterwegs gewesen, weshalb die Queen spürbar verkrampft neben ihm saß und immer wieder hörbar einatmete. Da habe sich der Fahrer wütend an seine Frau gewandt: „Wenn Du das noch einmal machst, schmeiße ich dich raus!“Im Auto kehrte Stille ein.

Weshalb sie sich denn diese Behandlung habe gefallen lassen, fragte Admiral Mountbatte­n später seine Nichte: „Schließlic­h hattest du Recht, er fuhr viel zu schnell.“Elizabeth II erwiderte: „Aber du hast doch gehört, was er gesagt hat“– offenbar hatte Ihre Majestät berechtigt­e Sorge, auf offener Straße an die Luft gesetzt zu werden.

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FOTOS: DPA Prinz Philip sitzt gerne selbst am Steuer. Oben die Unfallstel­le.
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