Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ungereimtheiten in WDR-Doku-Reihe
Mitwirkende für „Menschen hautnah“gecastet – Sender trennt sich von Filmautorin
KÖLN/RAVENSBURG (dpa/kawa) Einmal heißt er Sven, einmal wird derselbe Mann als Oli vorgestellt, auch sein Alter scheint nicht zweifelsfrei festzustehen: In der erfolgreichen Dokumentationsreihe „Menschen hautnah“des WDR hat eine freie Filmautorin journalistisch wohl nicht sauber gearbeitet. Zudem hat sie zwei ihrer Protagonisten über eine Website für Komparsen gecastet. WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni hält dieses Vorgehen für „nicht akzeptabel“und hat am Freitag auf die Vorwürfe reagiert: Man werde nicht mehr mit der Filmautorin zusammenarbeiten. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört.
Es geht bei den Anschuldigungen gegen den WDR, die zuerst von einem Journalisten auf Twitter vorgebracht wurden, um drei Folgen der Fernsehdokumentation „Menschen hautnah“. Die Doku „Ehe aus Vernunft – Geht es wirklich ohne Liebe?“der Autorin Katharina Wulff-Bräutigam, die am 10. Januar ausgestrahlt wurde, wurde wegen „Ungereimtheiten“am Freitag aus der WDR-Mediathek entfernt.
Nach Sichtung des Materials habe die WDR-Redaktion feststellen müssen, dass „bei diesem Film die echte Beziehungsgeschichte des Paares Sascha und Tanja in unzulässiger Weise zugespitzt wurde“. So hieß es auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“von Seiten des WDR am Freitag. Schon am Tag zuvor war bekannt geworden, dass neben genanntem Sascha ein weiterer Mitwirkender einer „Menschen hautnah“-Doku der Autorin Wulff-Bräutigam über die Website einer Komparsenvermittlung engagiert wurde.
Die Anschuldigungen sind ein schwerer Schlag für die mehrfach ausgezeichnete Dokumentarreihe „Menschen hautnah“. In dieser werden seit mehr als zwei Jahrzehnten auf eher unspektakuläre Art und Weise außergewöhnliche Lebensgeschichten ganz normaler Menschen erzählt. Die drei Produktionen von Katharina Wulff-Bräutigam, die nun in der Kritik stehen, sind „Heimliche Liebe“(2014), der Folgefilm „Liebe ohne Zukunft? Heimliche Affären und ihre Folgen“(2016) und der bereits erwähnte „Ehe aus Vernunft“(2019). In diesem jüngsten Film wird ein Ehepaar – Manuela und Oli – als Beispiel für eine Vernunftehe begleitet. Die beiden, so heißt es, lebten auch deshalb zusammen, weil sie Geld für eine zweite Wohnung sparen wollten. Allerdings sagt Manuela in dem Film auch, ihre Beziehung gehe über reine Freundschaft hinaus.
In einer früheren Folge war das Paar hingegen als Manuela und Sven aufgetreten. Dort hatten beide versichert, sich nach einer Trennung wieder gut zu verstehen. Manuela sagte zudem, dass sie Sven „auf eine gewisse Art liebe“.
Der WDR kündigte an, auf die gewonnenen Erkenntnisse zu reagieren. Am Freitag teilte der Sender mit: „Der WDR wird seine Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die Sendereihe ,Menschen haunah’ weiter ausbauen.“Man müsse dafür Sorge tragen, dass die Sendungen dem eigenen hohen Standard entsprechen. „Uns zeichnet gerade aus, dass auch emotionale Geschichten durch und durch authentisch sind. Das ist mein und unser journalistisches Selbstverständnis“, sagte Chefredakteurin Ehni am Freitag. Die Suche nach den Schwachstellen im Kontrollsystem der Redaktion dürfte somit noch nicht zu Ende sein.