Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Friedlicher Führungswechsel
Zahlreiche Ehrerbietungs- und Versöhnungsrituale beim CSU-Sonderparteitag
MÜNCHEN - Sind 87,42 Prozent ein gutes oder ein mäßiges Ergebnis für einen CSU-Parteivorsitzenden, der erstmals und ohne Gegenkandidaten antritt? Ein „sehr, sehr ehrliches Ergebnis“, meinte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer als Grußrednerin auf dem CSU-Parteitag am Wochenende in München, was üblicherweise eine Umschreibung für „nicht berauschend“ist. Der mit diesem Ergebnis gewählte neue CSU-Vorsitzende Markus Söder nahm’s sportlich. Im Oktober werde er ja wieder gewählt, meinte er.
„Das ist heute kein normaler Parteitag“, sagte Söder. Tatsächlich handelte es sich um einen Sonderparteitag, um den Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden Horst Seehofer entgegenzunehmen und einen Nachfolger zu bestimmen. Der Wechsel wurde mit allem inszeniert, was die Instrumentenkiste politischer Public Relations hergibt: Ein tränenreicher Abschied, ein bejubelter Neubeginn und eine demonstrative Wiederversöhnung der Unionsschwestern.
Dank und Anerkennung
Seine Rolle als Sündenbock für die schlechten CSU-Ergebnisse bei der letzten Bundestags- und Landtagswahl hatte der scheidende Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer in den letzten Monaten hinreichend abgeleistet, jetzt war Dank und Anerkennung angesagt. Als sichtbarstes Zeichen widerfuhr Seehofer, was noch keinem Parteichef vor ihm zuteil wurde. Schon kurz nach seiner Erklärung, er gebe sein Amt an die Partei zurück, beantragte sein Nachfolger Söder, Seehofer zum dritten Ehrenvorsitzenden nach Theo Waigel und Edmund Stoiber zu ernennen. Gesagt getan: Fast alle der knapp 900 Delegierten hoben die Hand, um ihrem zuletzt viel gescholtenen Ex-Vorsitzenden die Ehre zu erweisen – „ganz ohne Bewährungszeit“, wie sich der Geehrte wunderte.
In seiner Abschiedsrede hatte der 69-Jährige noch einmal mit einem möglichen Comeback kokettiert und sein Tageshoroskop vorgelesen: „Sie verlieren keinesfalls ihr Gesicht, wenn Sie eine bereits getroffene Entscheidung revidieren.“Aber dazu, meinte Seehofer dann doch, fehle ihm einfach die Risikobereitschaft.
Bei der Ehrenurkunde wollte es Seehofers inzwischen wieder dankbare Partei nicht bewenden lassen: Als Abschiedsgeschenk erhielt er einen Miniaturnachbau des Franz-Josef-Strauß-Hauses für seine Modelleisenbahnanlage im Maßstab eins zu 87. Ein Modellbauer soll 300 Stunden daran gesessen haben.
Nach den Ehrerbietungs- und Versöhnungsritualen stand der Schulterschluss mit der Unionsschwester auf dem Programm. CDUVorsitzende Kramp-Karrenbauer wiederholte den Vergleich, den sie schon bei der CSU-Winterklausur in Seeon zum Besten gegeben hatte: Geschwister streiten sich, aber „wenn die aus der Nachbarschaft kommen, hält man zusammen“. „Wir waren, sind und bleiben eine politische Familie“, so die neue CDUChefin. Extra-Applaus erhielt sie, als sie den CSU-Vize Manfred Weber als gemeinsamen Spitzenkandidaten der Unionsparteien als Glücksfall hervorhob.
Der frisch gebackene Parteivorsitzende Söder nutzte die Verabschiedung von „Annegret“, um sich von den Umgangsformen seines Vorgängers abzuheben. Er werde „zwei Fehler nicht machen, die früher mal gemacht wurden“, sagte er mit Blick auf den CSU-Parteitag 2015, als Seehofer Kanzlerin Angela Merkel auf der Bühne einen 13-minütigen vorwurfsvollen Vortrag hielt. Und er werde echte Blumen überreichen. Auch das hatte Seehofer versäumt.
Auf offene Ohren stieß Seehofer mit seinem „einzigen Wunsch für die Zukunft“, für den er eine Anleihe bei den Meistersingern nahm: „Verachtet mir die kleinen Leute nicht. Söder gelobte – in diesem Punkt – Folgsamkeit: Die CSU sei schon immer eine Partei der „Leberkäs-Etage“und nicht der Prosecco-Trinker“gewesen. In einer Mischung aus Bewerbungsund Grundsatzrede beharrte der neue CSU-Chef aber auch darauf, dass man sich in Berlin mehr anstrengen müsse. Es sei für die Große Koalition Zeit, an Ansehen und Glaubwürdigkeit zuzulegen, so Söder. Eine GroKo mache nur Sinn, wenn sie Ergebnisse bringe.
Als Gegner in der innenpolitischen Auseinandersetzung benannte Söder die AfD und die Grünen. Große Teile der AfD seien auf dem Weg nach rechts außen und kein Fall für das Parlament, sondern für den Verfassungsschutz. Die Grünen spielten sich als Moralapostel und die besseren Menschen auf, würden aber immer wieder bei einer Doppelmoral ertappt.