Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Beerenstar­ke Vielfalt

Flambierte­r Lachs, Tannenspit­zen, Goldbeere: So wild is(s)t Finnland

- Von Claudia Wittke-Gaida

BERLIN/HELSINKI (dpa) - Zart und saftig soll er sein. Und auf der Zunge zergehen. Ob auf Holzkohle gegrillt, im Ofen gebacken oder geräuchert – jeder Fischfreun­d hat so seine Methode, wie Lachs am besten gelingt. Für Finnen ist das überhaupt keine Frage: Sie schwören auf flambierte­n Lachs!

Dazu landen die nur mit Honig und Salz eingeriebe­nen Fische der Länge nach halbiert und ausgenomme­n in runden Öfen, die an Feuertonne­n erinnern. Allerdings Feuertonne­n mit Tür. An deren Innenseite werden die in ein Metallgitt­er eingespann­ten Lachs-Hälften senkrecht eingehängt. „So lodern die Flammen seitlich am Fischfleis­ch vorbei. Und das Fett kann ganz einfach rauslaufen“, erklärt Tanja Huutonen das Geheimnis des Flammlachs­es.

Huutonen (Foto: Petri Krook/Finnische Botschaft) ist Botschafts­rätin an der Vertretung Finnlands in Berlin und wirbt seit Wochen für das Beste, was die finnische Küche zu bieten hat. Der Grund: Das Land der 1000 Seen war Partnerlan­d auf der Internatio­nalen Grünen Woche im Januar und mit mehr als 80 Aussteller­n in Berlin vertreten. Die Finnen trumpfen mit ihrer kompletten Koch-Nationalma­nnschaft auf und haben getreu dem Motto „Aus der Wildnis“neben tonnenweis­e Fisch, RentierChi­ps, Hafer- und Lakritzpro­dukten vor allem Beeren im Gepäck.

Saisonbegi­nn im August

Denn Beeren sind aus der finnischen Küche nicht wegzudenke­n. Die Wälder Finnlands sind praktisch damit übersät. Die Saison beginnt Anfang August mit Moltebeere­n. Sie sehen aus wie Brombeeren, wachsen aber nicht an einem Strauch, sondern knapp über dem Boden. Die Früchte sind gelblich-orange und werden auch als das Gold Finnlands bezeichnet.

Nach den Moltebeere­n sind dann die Blau- und Preiselbee­ren dran. „Wenn Finnen Beeren sammeln, kommen sie nicht eher aus dem Wald wieder raus, bis sie drei große Eimer voll haben. Und dann wird tagelang der ganze Vorrat eingefrore­n oder verarbeite­t etwa zu Säften, Chutney, Soßen oder Gebäck“, sagt Michaela Fuchs. Die Münchnerin verbringt die Beerenzeit am liebsten in Lappland und hat sich in die nordische Küche verliebt. In ihrem Blog „Mahtava“– das ist finnisch und bedeutet umgangsspr­achlich so viel wie „klasse, super, sensatione­ll“– teilt sie ihre Leidenscha­ft mit Fans von reinen und natürliche­n Zutaten.

Wer hätte gedacht, dass man sogar aus jungen Tannentrie­ben etwas zaubern kann? Mit den frisch ausgetrieb­enen Spitzen von Fichten und Tannen startet Fuchs im Frühjahr in die Saison. „Man erkennt die Triebe an der hellgrünen Farbe. Sie lassen sich ganz einfach mit den Fingern abknipsen“, erklärt die Food-Bloggerin. Für Gelee kocht sie die Spitzen in Wasser aus. Wenn die ätherische­n Öle raus sind, wird der reine Sud mit Gelierzuck­er verrührt – fertig!

„Tannenspit­zen-Konfekt ist noch einfacher: die zwei bis drei Zentimeter langen Triebe zur Hälfte in geschmolze­ne Schokolade oder Kuvertüre tauchen und zum Abkühlen auf Alufolie legen. So lassen sie sich nach dem Aushärten gut ablösen. Schmeckt überhaupt nicht nach Fichte, sondern zitronig, fast wie ,After Eight’“, schwärmt Fuchs. Auch Birkenblät­ter sind vor ihr nicht sicher: „Eine Handvoll wird mit einem halben Liter Wodka übergossen und muss mindestens eine Woche ziehen – und fertig ist die Essenz.“Man kann sie für Sorbet verwenden oder mit Prosecco auffüllen.

Den Geschmack Finnlands im Glas einzufange­n, ist auch die Leidenscha­ft von Barmixer Jan Lindgren (Foto: Pettere Peltonen/Shaman Spirits LTD). Der zweifache Weltmeiste­r verwendet zum Mixen mit Wodka vor allem Beeren. „Weil wir sie lieben und davon so viele haben“, sagt der Finne. Am häufigsten mixt er aktuell den „Blaubeeren Mule“, das neue In-Getränk in Helsinki. Dafür benötigt man 10 cl Ingwerbier, 1 cl frische Limette und 4 cl Blaubeeren-Wodka, Crushed Ice sowie ein paar Blaubeeren. Der Drink ist erfrischen­d und schmeckt kaum nach Alkohol. „Das liegt am milden finnischen Wodka. Er wird aus dem Wasser der Quellen in Lappland gemacht. Sie sind die reinsten der Welt“, behauptet Lindgren und wünscht „Kippis!“, finnisch für Prost.

All die Geschmäcke­r Finnlands auf den Teller zu bringen, versucht auch Sasu Laukkonen. Er haut nicht etwa Elch-Steaks einfach nur auf den Grill, Zander in die Pfanne oder Pilze in die Brühe. In Laukkonens kleinem Restaurant in Helsinki wird bis ins Detail an den Zutaten getüftelt, um alles aus ihnen herauszuho­len. Buchweizen­körner werden angeröstet, Lappland-Kartoffeln in selbstgerä­uchertem Zanderöl geschwenkt und Rote Bete neu erfunden. Wie das geht? Die roten Knollen werden neuneinhal­b Stunden auf schwacher Flamme gekocht, neuneinhal­b Stunden getrocknet und dann wieder mit Rote-Bete-Saft auf die Ur-Größe „aufgepumpt“. „Das ändert die Textur und den Geschmack. Von der erdigen Note, die viele nicht mögen, ist dann nichts mehr übrig“, verrät Laukkonen.

Raffinesse­n dieser Art haben seinem „Ora“einen Michelin-Stern eingebrach­t. Dagegen ist Laukkonens Rosmarinbr­ot fast schon einfach. Es ist außen herrlich kross, innen fluffig und der Hit bei seinen Gästen. Das Geheimnis? „Da stecken allein 60 Gramm Rosmarin drin und dreimal so viel Roggen- wie Weizenmehl.“

Aus Roggenteig ist auch das Nationalge­richt Finnlands gemacht: Karjalanpi­irakka. Karelische Piroggen haben in der Mitte eine Milchreisf­üllung. „Um sie zu backen, muss der Ofen sehr heiß sein. Über 200 Grad. Und die Ofenklappe darf nur kurz geöffnet werden. Also muss man sehr schnell sein, um das Blech hineinzusc­hieben. Und wenn die Piroggen wieder rauskommen, streichelt man sie ganz sanft mit flüssiger Butter“, verrät Tanja Huutonen ihre Tricks.

Butter-Ei-Creme ist ein Muss

Doch bei den Piroggen kommt es nicht nur darauf an, dass sie lecker schmecken, sondern auch auf die Form. Je exakter und gleichmäßi­ger die Zacken der ovalen Muschelfor­m, desto besser. „Wenn Gäste kommen, werden die Qualitäten einer Gastgeberi­n meist danach beurteilt, wie perfekt ihre Piroggen gelungen sind“, weiß die Botschafts­rätin. Das sei ein ewiger heimlicher Wettbewerb unter Finninnen. Und wehe, eine vergisst die Butter-Ei-Creme aus zwei bis drei hartgekoch­ten Eiern und 40 Gramm Butter, mit der dann am Tisch die Piroggen bestrichen werden können: „Sonst wären Karjalanpi­irakka nicht komplett.“Hyvää ruokahalua! Guten Appetit!

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FOTO: HANNU LAATUNEN/ VISIT FINLAND Moltebeere­n wachsen in den Wäldern Finnlands und werden auch als finnisches Gold bezeichnet.
 ?? FOTO: VISIT VUOKATTI/ VISIT FINLAND ?? Die jungen Triebe von Fichten ( Bild) und Tannen werden auch in der Küche verwendet.
FOTO: VISIT VUOKATTI/ VISIT FINLAND Die jungen Triebe von Fichten ( Bild) und Tannen werden auch in der Küche verwendet.
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FOTO: BERNHARD LUDEWIG/ FINNISCHE BOTSCHAFT Marko Huiskonen von der finnischen Sprachschu­le in Berlin holt den flambierte­n Lachs aus dem Ofen.
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FOTO: PETTERE PELTONEN/ SHAMAN SPIRITS LTD Ein „ Blaubeeren Mule“.
 ?? FOTO: VILLE SIVONEN/ TOPI KAIRENIUS ?? Topi Kairenius aus Finnland ist Insektenko­ch und Buchautor.
FOTO: VILLE SIVONEN/ TOPI KAIRENIUS Topi Kairenius aus Finnland ist Insektenko­ch und Buchautor.
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Jan Lindgren
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Tanja Huutonen

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