Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ausraster im Amtsgericht endet glimpflich
Ein 65-Jähriger verlor wegen eines Termins in Neu-Ulm die Beherrschung – Das bringt ihn auf die Anklagebank
NEU-ULM (aat) - Eigentlich hatte der 65-Jährige nur einen Beratungstermin im Neu-Ulmer Amtsgericht ausmachen wollen, doch was an jenem Julitag im vergangenen Jahr schließlich passiert ist, brachte den Mann direkt in den Gerichtssaal – auf die Anklagebank. Am Ende kommt er aber glimpflich davon.
Der Mann, der freiberuflich und danach in einer Versandabteilung tätig war, sei zunächst bei der Beratungsstelle gar nicht beachtet worden, schilderte er vor Gericht. „Dann habe ich geklopft und es kam einer.“Der 65-Jährige habe erklärt, er wollte einen Termin für eine persönliche Beratung ausmachen. Der Mann am Schalter habe ihm dann ei- nen Fragebogen gegeben, diesen sollte er zunächst ausfüllen – und das konnte er wohl nicht nachvollziehen. Als er laut wurde, sei ein Justizbeamter gekommen, später ein weiterer. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass ein Zweiter hinter mir steht, dann schubste mich der zur Seite. Ich sagte: ,Hände weg von mir!‘ und da drohte mir der Mitarbeiter mit der Polizei.“Dann ging wohl alles ganz schnell: „Innerhalb von fünf, sechs Sekunden lag ich auf dem Boden.“Es sei ein natürlicher Instinkt gewesen, dass er sich dann auch wehrte.
Der Angeklagte betonte, er sei an jenem Tag unter Zeitdruck gewesen – die Beratungsstelle hatte zum Zeit- punkt seines Besuchs im Gericht nicht mehr lange geöffnet. „Ich war einfach darauf fixiert, einen Termin zu bekommen.“Das sei bei den Justizbeamten jedoch nicht so angekommen, wie einer der beiden bei seiner Zeugenaussage betonte. Doch die ganze Sache sei eskaliert. „Das war ein richtiges Brüllen.“So laut, dass schließlich ein Richter aus einem benachbarten Sitzungssaal den Kopf aus der Tür gesteckt und sich erkundigt habe, was los sei. Er und sein Kollege hatten demnach versucht, den Mann aus dem Gerichtsgebäude zu bringen, auch mit Gewalt gedroht. „Das hat ihn aber auch nicht beeindruckt und dann haben wir ihn zu Boden gebracht.“Er habe immer wieder versucht, dem Angeklagten zu erklären, dass es so einfach keinen Termin gebe, aber: „Er ist nicht darauf eingegangen. Man kann mal einen schlechten Tag haben, aber das darf nicht so ausarten.“
Richter Thomas Mayer betonte gegenüber dem 65-Jährigen, dies sei der übliche Ablauf bei der Beratungsstelle. „Unser Telefonist kann keine Termine ausmachen.“Zunächst müsse eben ein Fragebogen ausgefüllt werden, dann melde man sich bei ihm. „Wenn Sie von uns eine Leistung haben möchten, müssen Sie sich an die Gegebenheiten anpassen.“
Angesichts der insgesamt 19 Vorstrafen des Mannes – die meisten da- von sind Verkehrsdelikte, sagte Mayer: „Er hat ja so viel auf dem Kerbholz. Da ist die Frage, ob wir wirklich durchverhandeln oder ob wir die Sache auf sich beruhen lassen.“Er betonte, es solle nicht der Eindruck entstehen, dass Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verharmlost wird. Aber es habe keine massive Gewalt gegeben, die Vorstrafen des Angeklagten lagen außerdem in anderen Bereichen. Zudem ist er erst im Oktober in Augsburg wegen Steuerhinterziehung und Betrug zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Schließlich wurde das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft deshalb vorläufig eingestellt.