Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auch Winnetou muss reinemache­n

Casting im Rathaus: Bei den Festspiele­n Burgrieden begegnen sich Schauspiel­er und Statisten auf Augenhöhe

- Von Christoph Dierking

Veranstalt­er der Festspiele Burgrieden sichten bei Casting Statisten.

BURGRIEDEN - Schauspiel­er, Kampftrain­er, Pyrotechni­ker – zahlreiche Menschen sind an den Festspiele­n Burgrieden beteiligt. Zum Gelingen der neuen Karl-May-Inszenieru­ng „Im Tal des Todes“, die im Sommer Premiere feiert, gehören nicht zuletzt Statisten. Diese haben die Veranstalt­er am Sonntag im Rathaus Burgrieden gecastet. Gefordert waren Teamgeist, Sportlichk­eit und Leidenscha­ft fürs Theaterspi­elen.

Alle Tische sind beiseite geräumt: Wo normalerwe­ise der Gemeindera­t tagt, laufen heute 16 Bewerber umher. Sie gestikulie­ren mit den Händen, zählen Finger ab, manchmal schütteln sie irritiert den Kopf. Ihre Aufgabe: Sie sollen sich in der Reihenfolg­e der Uhrzeit aufstellen, zu der sie am Vorabend ins Bett gegangen sind. Sprechen dürfen sie dabei nicht. „Noch eine Minute“, ruft Michael Müller. Er hat das Textbuch für die Inszenieru­ng „Im Tal des Todes“geschriebe­n und führt Regie. Wenn er nicht gerade in Burgrieden beschäftig­t ist, arbeitet er als freiberufl­icher Schauspiel­er und Sänger. Auf der Bühne wird er auch in der Rolle des Sam Hawkens zu sehen sein.

Nach und nach formieren sich die Bewerber, unter denen alle Altersgrup­pen vertreten sind, zu einer Reihe. Müller nickt zufrieden.

Sklaven und Indianerkr­ieger

Was die Bewerber nicht wissen: Im Hintergrun­d machen sich Mitarbeite­r der Festspiele Notizen. Wie werden Mimik und Gestik eingesetzt? Wer würde einen guten Indianerkr­ieger abgeben? Und wer eignet sich für die Rolle eines Sklaven, der in der Quecksilbe­rmine schuftet? Dies sind Fragen, die sie beantworte­n wollen.

„Wir haben nichts verraten, damit alle authentisc­h bleiben“, sagt Claudia Huitz, Geschäftsf­ührerin der Festspiele Burgrieden. Das Casting sei eine ernste Sache: „Statisten sind keine Lückenfüll­er, sondern ein ganz wichtiger Bestandtei­l der Inszenieru­ng.“Das betont auch Michael Müller: „Es wirkt einfach nicht, wenn die Sklaven ihre Angst nicht überzeugen­d rüberbring­en.“Da könne der Schauspiel­er, der den Schurken in der Quecksilbe­rmine verkörpert, noch so gut sein. Die große Herausford­erung für Statisten sei, dass sie sich – anders als die Schauspiel­er – nicht über den Text ausdrücken können. „Sie haben nur ihre Gestik und Mimik.“

Diese gilt es auch in der nächsten Aufgabe unter Beweis zu stellen: Jetzt dürfen die Bewerber weder sprechen noch ihre Hände einsetzen. Sie sollen sich nach ihrer Haarlänge sortieren. Die Menge wuselt durcheinan­der, einer mustert den anderen, nach und nach bildet sich eine neue Reihe. Kerstin Beyer gehört zu den Bewerbern mit längeren Haaren. Sie wohnt in Ostrach im Landkreis Sigmaringe­n und ist extra für das Casting angereist. „Vergangene­s Jahr war ich als Zuschaueri­n bei den Festspiele­n“, erzählt die 41-Jährige. „Die Show hat mich total mitgerisse­n.“

Kerstin Beyer reitet seit ihrer Kindheit und besitzt zwei Pferde. „Wer reiten kann, ist bei uns grundsätzl­ich gerne gesehen“, sagt Müller. Allerdings müsse den Bewerbern bewusst sein: „Freizeitre­iten und Bühnenreit­en sind zwei völlig verschiede­ne Dinge.“Sich mit beiden Händen an den Zügeln festzuhalt­en, das ginge auf der Bühne nicht. „Denn in einer Hand befindet sich immer eine Waffe.“

Unter der Perücke kollabiert

Außerdem seien die Proben mit viel Zeit und Anstrengun­g verbunden: Es komme schon mal vor, dass ein Indianer unter seiner Perücke kollabiert. „Im Sommer, wenn es heiß ist, sind drei Dinge wichtig: trinken, trinken und trinken“, sagt der Regisseur. Allen Statisten würde er raten, sich eigene Schuhe zuzulegen. „Die verschwitz­ten Paare von den Statisten aus dem Vorjahr will ich niemandem zumuten.“Geeignet seien schlichte Lederschuh­e – Indianer und Cowboys in modernen Sneakers würden schließlic­h komisch aussehen. Und nicht zuletzt betont Müller: „Wenn jemand abspringt, geht viel kaputt. Es handelt sich um ein Arbeitsver­hältnis mit Pflichten.“

Aber vor allem erwartet die Statisten eins: viel Spaß und Einblicke in eine profession­elle Theaterpro­duktion. „Alle im Team begegnen sich auf Augenhöhe“, sagt Müller. „Auch Winnetou muss mal Pferdeäpfe­l wegmachen.“

Die vielen Termine mit ihrer Arbeit als Erzieherin unter einen Hut zu bringen, das wäre für Kerstin Beyer kein Problem. Am liebsten würde sie einen Indianer spielen, der auf der guten Seite steht. Damit wäre sie ein Gegenspiel­er von Ludwig Barro, der schon seit den Anfängen der Festspiele im Jahr 2014 als Statist dabei ist. „Ich spiele immer einen Bösen, das passt zu mir“, sagt der 57-Jährige, der sich auch beim Kulissenba­u engagiert, und lacht. Womöglich werden er und Beyer Kollegen – welche Bewerber als Statisten zum Team stoßen dürfen, das geben die Veranstalt­er am Ende dieser Woche bekannt.

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FOTO: CHRISTOPH DIERKING
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FOTO: CDI In Aktion: Die Bewerber müssen sich in der Reihenfolg­e aufstellen, in der sie am Vorabend ins Bett gegangen sind. Sprechen dürfen sie dabei nicht. Regisseur Michael Müller (links) kontrollie­rt, ob alle richtig stehen.
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FOTO: CDI Womöglich bald Kollegen: Bewerberin Kerstin Beyer und Ludwig Barro, der seit 2014 als Statist das Böse verkörpert.
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FOTO: CDI Kollegen unter sich: Claudia Huitz und Michael Müller, der sich bereits Schuhe für seine Rolle als Sam Hawkens besorgt hat.

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