Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Auch Winnetou muss reinemachen
Casting im Rathaus: Bei den Festspielen Burgrieden begegnen sich Schauspieler und Statisten auf Augenhöhe
Veranstalter der Festspiele Burgrieden sichten bei Casting Statisten.
BURGRIEDEN - Schauspieler, Kampftrainer, Pyrotechniker – zahlreiche Menschen sind an den Festspielen Burgrieden beteiligt. Zum Gelingen der neuen Karl-May-Inszenierung „Im Tal des Todes“, die im Sommer Premiere feiert, gehören nicht zuletzt Statisten. Diese haben die Veranstalter am Sonntag im Rathaus Burgrieden gecastet. Gefordert waren Teamgeist, Sportlichkeit und Leidenschaft fürs Theaterspielen.
Alle Tische sind beiseite geräumt: Wo normalerweise der Gemeinderat tagt, laufen heute 16 Bewerber umher. Sie gestikulieren mit den Händen, zählen Finger ab, manchmal schütteln sie irritiert den Kopf. Ihre Aufgabe: Sie sollen sich in der Reihenfolge der Uhrzeit aufstellen, zu der sie am Vorabend ins Bett gegangen sind. Sprechen dürfen sie dabei nicht. „Noch eine Minute“, ruft Michael Müller. Er hat das Textbuch für die Inszenierung „Im Tal des Todes“geschrieben und führt Regie. Wenn er nicht gerade in Burgrieden beschäftigt ist, arbeitet er als freiberuflicher Schauspieler und Sänger. Auf der Bühne wird er auch in der Rolle des Sam Hawkens zu sehen sein.
Nach und nach formieren sich die Bewerber, unter denen alle Altersgruppen vertreten sind, zu einer Reihe. Müller nickt zufrieden.
Sklaven und Indianerkrieger
Was die Bewerber nicht wissen: Im Hintergrund machen sich Mitarbeiter der Festspiele Notizen. Wie werden Mimik und Gestik eingesetzt? Wer würde einen guten Indianerkrieger abgeben? Und wer eignet sich für die Rolle eines Sklaven, der in der Quecksilbermine schuftet? Dies sind Fragen, die sie beantworten wollen.
„Wir haben nichts verraten, damit alle authentisch bleiben“, sagt Claudia Huitz, Geschäftsführerin der Festspiele Burgrieden. Das Casting sei eine ernste Sache: „Statisten sind keine Lückenfüller, sondern ein ganz wichtiger Bestandteil der Inszenierung.“Das betont auch Michael Müller: „Es wirkt einfach nicht, wenn die Sklaven ihre Angst nicht überzeugend rüberbringen.“Da könne der Schauspieler, der den Schurken in der Quecksilbermine verkörpert, noch so gut sein. Die große Herausforderung für Statisten sei, dass sie sich – anders als die Schauspieler – nicht über den Text ausdrücken können. „Sie haben nur ihre Gestik und Mimik.“
Diese gilt es auch in der nächsten Aufgabe unter Beweis zu stellen: Jetzt dürfen die Bewerber weder sprechen noch ihre Hände einsetzen. Sie sollen sich nach ihrer Haarlänge sortieren. Die Menge wuselt durcheinander, einer mustert den anderen, nach und nach bildet sich eine neue Reihe. Kerstin Beyer gehört zu den Bewerbern mit längeren Haaren. Sie wohnt in Ostrach im Landkreis Sigmaringen und ist extra für das Casting angereist. „Vergangenes Jahr war ich als Zuschauerin bei den Festspielen“, erzählt die 41-Jährige. „Die Show hat mich total mitgerissen.“
Kerstin Beyer reitet seit ihrer Kindheit und besitzt zwei Pferde. „Wer reiten kann, ist bei uns grundsätzlich gerne gesehen“, sagt Müller. Allerdings müsse den Bewerbern bewusst sein: „Freizeitreiten und Bühnenreiten sind zwei völlig verschiedene Dinge.“Sich mit beiden Händen an den Zügeln festzuhalten, das ginge auf der Bühne nicht. „Denn in einer Hand befindet sich immer eine Waffe.“
Unter der Perücke kollabiert
Außerdem seien die Proben mit viel Zeit und Anstrengung verbunden: Es komme schon mal vor, dass ein Indianer unter seiner Perücke kollabiert. „Im Sommer, wenn es heiß ist, sind drei Dinge wichtig: trinken, trinken und trinken“, sagt der Regisseur. Allen Statisten würde er raten, sich eigene Schuhe zuzulegen. „Die verschwitzten Paare von den Statisten aus dem Vorjahr will ich niemandem zumuten.“Geeignet seien schlichte Lederschuhe – Indianer und Cowboys in modernen Sneakers würden schließlich komisch aussehen. Und nicht zuletzt betont Müller: „Wenn jemand abspringt, geht viel kaputt. Es handelt sich um ein Arbeitsverhältnis mit Pflichten.“
Aber vor allem erwartet die Statisten eins: viel Spaß und Einblicke in eine professionelle Theaterproduktion. „Alle im Team begegnen sich auf Augenhöhe“, sagt Müller. „Auch Winnetou muss mal Pferdeäpfel wegmachen.“
Die vielen Termine mit ihrer Arbeit als Erzieherin unter einen Hut zu bringen, das wäre für Kerstin Beyer kein Problem. Am liebsten würde sie einen Indianer spielen, der auf der guten Seite steht. Damit wäre sie ein Gegenspieler von Ludwig Barro, der schon seit den Anfängen der Festspiele im Jahr 2014 als Statist dabei ist. „Ich spiele immer einen Bösen, das passt zu mir“, sagt der 57-Jährige, der sich auch beim Kulissenbau engagiert, und lacht. Womöglich werden er und Beyer Kollegen – welche Bewerber als Statisten zum Team stoßen dürfen, das geben die Veranstalter am Ende dieser Woche bekannt.