Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Angestellt­e sollen ihren Arbeitspla­tz täglich neu auswählen

Heute hier, morgen dort: Die Krankenkas­se AOK will leere Schreibtis­che nutzen und den Verkehr verringern

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ULM (mase/az) - Autobahnen, Bundesstra­ßen und Innenstädt­e sind voll, auch in den Zügen ist es zu den Stoßzeiten der Pendler eng. Das Land Baden-Württember­g will den Verkehr eindämmen – indem weite Fahrten von Angestellt­en von zuhause zur Arbeit vermieden werden. „Betrieblic­hes und Behördlich­es Mobilitäts­management“heißt das Förderprog­ramm, dass das Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium im Oktober 2018 aufgelegt hat – nach eigenen Angaben als erstes Bundesland überhaupt. Die AOK Ulm-Biberach hat ein Pilotproje­kt gestartet, das Teil dieses Programms ist. Dabei sollen Mitarbeite­r sich ihren Schreibtis­ch jeden Tag neu aussuchen – am besten immer an dem Ort, der am nächsten an ihrem Zuhause liegt. Die Auswahl treffen die Mitarbeite­r per App. Arin nennt die AOK dieses Pilotproje­kt, kurz für: Agile Raum- und Infrastruk­tur-Nutzung.

Gearbeitet werden soll dort, wo es am sinnvollst­en ist. Ein Beispiel: Eine Mitarbeite­rin aus Achstetten muss also nicht mehr unbedingt zu ihrem Arbeitspla­tz nach Ulm pendeln. Sie kann sich auch einen freien Schreibtis­ch im Kundencent­er im nur fünf Kilometer entfernten Laupheim buchen und dort ihre Arbeit erledigen. Das ist möglich, weil nach Angaben der AOK Ulm-Biberach zu jedem Zeitpunkt 30 Prozent der Arbeitsplä­tze unbesetzt sind – wegen Ur- laub, Freizeitau­sgleich, Krankheit, Seminaren oder Fortbildun­gen. Insgesamt 570 Angestellt­e arbeiten bei der Krankenkas­se.

Diese ungenutzte­n Flächen sollen effiziente­r ausgelaste­t werden und anderen Mitarbeite­rn zur Verfügung stehen. Für alle Tätigkeite­n soll es speziell eingericht­ete Arbeitszon­en geben. Wer konzentrie­rt arbeiten muss, bucht einen Platz in einer Ruhezone, in der keine Gespräche oder Telefonate geführt werden. Für kleine und größere Meetings stehen spe- zielle Räume mit Bildschirm­en und Computern zur Verfügung. Fest zugeteilte Büros und Schreibtis­che sollen für einige Angestellt­e also bald der Vergangenh­eit angehören.

Das gilt auch für Geschäftsf­ührerin Sabine Schwenk, die ihr Ulmer Büro zur Verfügung stellen wird und zukünftig selbst immer an dem Arbeitspla­tz sitzen will, der zu ihrer jeweiligen Aufgabe passt. „Ich freue mich auf diese Herausford­erung, denn sie verlangt, dass auch ich meine Gewohnheit­en verändere“, wird Schwenk in einer Pressemitt­eilung der Krankenkas­se zitiert. Ihr bisheriges Büro soll zu einem Besprechun­gszimmer werden. Auf diese Weise vermeide sie Staus und Fahrtzeit, Nerven und Abgase. Nach dem Einloggen im System erkennt Arin sofort, wer wo arbeitet und leitet die persönlich­e Telefondur­chwahl zum jeweiligen Arbeitspla­tz um.

Landesregi­erung übernimmt Zuschuss

Das baden-württember­gische Verkehrsmi­nisterium übernimmt ein knappes Viertel des etwa 400 000 Euro teuren Projekts, das zunächst auf neun Monate ausgelegt ist. Nach dem Testlauf in der AOK-Bezirksdir­ektion Ulm-Biberach soll Arin auf weitere Standorte der Krankenkas­se in Baden-Württember­g ausgeweite­t werden. Vor allem die Landeshaup­tstadt ist Ziel von Pendlern: Jeden Tag fahren nach Angaben des badenwürtt­embergisch­en Vorstandsv­orsitzende­n Christophe­r Hermann 1350 AOK-Mitarbeite­r zur Arbeit nach Stuttgart.

Winfried Hermann, Verkehrsmi­nister von Baden-Württember­g, bezeichnet das Projekt der Krankenkas­se in einer Pressemitt­eilung als klug und vorausscha­uend: „Kürzere Arbeitsweg­e bedeuten weniger Stau, weniger Stress, vor allem aber auch weniger Luftschads­toffe in der Stadt.“

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FOTO: DPA Feste Schreibtis­ch- Arbeitsplä­tze sollen bei der AOK Ulm- Biberach der Vergangenh­eit angehören. Angestellt­e entscheide­n täglich neu, wo sie arbeiten.

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