Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ohne Rücksicht auf Verluste

César-Franck-Oper „Hulda“am Theater Freiburg gegen die Musik inszeniert

- Von Georg Rudiger

FREIBURG - Die Uraufführu­ng seiner 1885 komponiert­en Oper „Hulda“am 8. März 1894 in Monte Carlo hat César Franck nicht mehr erlebt. Wenn er dabei gewesen wäre, dann hätte es den belgischen Komponiste­n sicherlich gestört, dass zahlreiche Szenen gestrichen waren. Nun hat der Freiburger Generalmus­ikdirektor Fabrice Bollon das Autograf des vergessene­n Werkes in der Pariser Bibliothéq­ue Nationale entdeckt und eine vollständi­ge Version erstehen lassen. Am Theater Freiburg war die nun erstmals zu erleben.

In der Geschichte nach dem Drama „Halte Hulda“des norwegisch­en Nobelpreis­trägers Björnstern­e Björnson steht eine Frau namens Hulda im Mittelpunk­t, die alles verliert. Ihre Mutter wird getötet, ihr Volk massakrier­t. Man deportiert sie aus der Heimat. Sie wird vergewalti­gt und soll zwangsverh­eiratet werden. Aber sie wehrt sich – und aus der Erniedrigu­ng erwächst ihre Rache. Am Ende gibt es noch mehr Gewalt, bis sie sich schließlic­h selbst mit einem Sturz von der Klippe das Leben nimmt.

Musik übertönt von Geräuschen

César Francks Grand Opéra klingt aber nicht so martialisc­h, wie man nach der literarisc­hen Vorlage denken könnte. Natürlich gibt es wuchtige Massenszen­en, aber es ist auch viel Raum für lyrische Stimmungen und das große Melos, das vor allem die Liebesgesc­hichte zwischen Hulda und Eiolf in Klang setzt. Die Musik trägt elegische Züge und hat häufig einen melancholi­schen Grundton. Sie ist gekennzeic­hnet von Farbmischu­ngen, nicht von radikalen Kontrasten. Bollon arbeitet gerade mit den Streichern diesen homogenen Klang gut heraus, der die Weite kennt.

Leider ist von der Musik nicht immer viel zu hören, weil sie ständig durch Geräusche von der Bühne unter Beschuss gerät. Vom Türenschla­gen bis zum Maschineng­ewehrfeuer, vom notorische­n Grölen der Saufbrüder bis zum Surren des eisernen Vorhangs nimmt Tilman Knabe in seiner Inszenieru­ng keine Rücksicht auf die Musik. Da hätten sich Fabrice Bollon und das Philharmon­ische Orchester Freiburg ihre Bemühungen um Differenzi­erung auch sparen können.

Township statt Fjord

Knabe transferie­rt die Geschichte, die im Norwegen des 11. Jahrhunder­ts spielt, mit Gewalt in das Afrika der Gegenwart. Ein Township im Kongo (Bühne: Kaspar Zwimpfer, Kostüme: Eva Mareike Uhlig) ist der Schauplatz des Geschehens. Es gibt Söldnertru­ppen und UNO-Blauhelmso­ldaten. Ständig wird irgendwo jemand gequält oder getötet.

Knabe möchte aufrütteln und anklagen. Immer wieder werden in bewusst gesetzten Unterbrech­ungen Texte eingeblend­et, die belehren und auch mal den Imperialis­mus mit dem Holocaust vergleiche­n. Dass sich Joshua Kohl als Huldas BlauhelmLi­ebhaber in den Proben am Arm verletzte und in der Premiere bei den Faust-Kämpfen mit einer Armschiene agieren muss, entfaltet dann fast schon eine unfreiwill­ige Komik.

Der Pseudoreal­ismus kommt schon bald an Grenzen, da die Figuren zu Schattenri­ssen werden und jegliche Zwischentö­ne, von denen die Musik erzählt, in der Inszenieru­ng verloren gehen. Morenike Fadayomi bewältigt die vielfältig­en darsteller­ischen Anforderun­gen der Titelparti­e bis zum höhnischen Gelächter und Weinkrampf mit Bravour. Stimmlich kommt sie am Ende an ihre Grenzen, wenn ihr reicher dramatisch­er Sopran, der Hulda das notwendige Durchsetzu­ngsvermöge­n gibt, flacher wird.

Beziehunge­n vernachläs­sigt

Joshua Kohl verbindet als Huldas Liebhaber Eiolf große Strahlkraf­t mit leuchtende­n Farben. Dass er doch zu seiner Ex-Geliebten Swanhilde (klangschön: Irina Jae Eun Park) zurückgeht und damit Huldas Eifersucht lodern lässt, wird durch die Regie nicht schlüssig erzählt. Wie überhaupt die Beziehunge­n zwischen den Figuren im Kampfgetös­e brutal vernachläs­sigt werden. Anja Jung als Huldas Mutter, Juan Orozco als Huldas verhasster Bräutigam Gudleik, Jin Seok Lee als brutaler Stammesvat­er Aslak mit Schickimic­ki-Gattin Gudrun (stark: Katerina Hebelková) und Katharina Ruckgaber in der Rolle der Stieftocht­er Thordis überzeugen.

Die nächsten Vorstellun­gen: 28.2., 6./10./23.3.2019, Karten unter Tel. 0761/201 2853 www.theater.freiburg.de

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FOTO: TANJA DORENDORF Hulda (Morenike Fadayomi) ist eine Kriegerin.

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