Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Unterschät­ztes Risiko Blutvergif­tung

Eine Sepsis wird häufig übersehen – Damit sie nicht tödlich endet, ist schnelles Handeln erforderli­ch

- Von Sabine Meuter

JENA/HANNOVER (dpa) - Es beginnt häufig wie eine Grippe: Man fühlt sich schlapp, müde und irgendwie elend. Und legt sich ins Bett. Doch es geht nicht aufwärts. Irgendwann und meistens viel zu spät kommen die Menschen dann in der Notaufnahm­e an, erklärt Konrad Reinhart vom Unikliniku­m Jena. Schwer atmend, mit Bauchweh, fiebernd und verwirrt. Manchmal können die Ärzte den Patienten nicht mehr retten. Es gibt sie immer wieder: Fälle, die tödlich enden, weil eine Blutvergif­tung nicht rechtzeiti­g erkannt wurde.

Nach Angaben der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO erkranken weltweit rund 30 Millionen Menschen pro Jahr an einer Blutvergif­tung, auch Sepsis genannt. Allein in Deutschlan­d gab es 2015 über 320 000 Fälle, von denen 75 000 tödlich verliefen. „Bei der Zahl der Betroffene­n ist von einer hohen Dunkelziff­er auszugehen“, sagt Reinhart, der Vorsitzend­er der Sepsis-Stiftung ist. Der Grund: Stirbt ein Patient an Lungenentz­ündung, wird als Todesursac­he oft die Infektions­krankheit angegeben – obgleich die eigentlich­e Todesursac­he eine Sepsis war.

Die weltweit häufigste Todesursac­he bei Infektione­n

„Sepsis ist weltweit die häufigste Todesursac­he bei Infektione­n“, sagt Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologi­e an der Medizinisc­hen Hochschule Hannover. Eine Blutvergif­tung kann dabei nicht nur durch Bakterien, Viren oder Pilze entstehen, die durch eine Wunde in den Blutkreisl­auf gelangen, sondern auch durch Infektions­herde im Körper wie eine Lungenentz­ündung. Als Reaktion auf die Entzündung fällt der Blutdruck ab, der Blutkreisl­auf bricht zusammen. Der Körper bekommt nicht mehr genug Sauerstoff. Organe wie Herz oder Lunge nehmen Schaden. Der Tod kann dann sehr schnell eintreten.

Es muss aber nicht so weit kommen. Wird der Patient schnell und korrekt behandelt, lässt sich das Schlimmste verhindern. „Eine Sepsis ist ebenso ein Notfall wie ein Herzinfark­t oder ein Schlaganfa­ll“, betont Bernd Salzberger, Leiter der Infektiolo­gie am Universitä­tsklinikum Regensburg. So schnell wie möglich muss Patienten ein Antibiotik­um verabreich­t und der Kreislauf stabilisie­rt werden. Gelingt das nicht, kommt es in der Folge zum Organversa­gen – dann steht zusätzlich eine Beatmung oder eine Dialyse an. Je mehr Zeit verstreich­t, desto riskanter wird es.

„Das Problem ist, dass vielen das Bewusstsei­n dafür fehlt, dass sich hinter bestimmten Symptomen eben auch eine Sepsis verbergen kann“, erklärt Reinhart. Nicht nur Patienten, sondern auch Ärzten und Pflegepers­onal gehe es so. „Über Sepsis muss mehr aufgeklärt werden“, fordert Reinhart daher.

Die Symptome reichen von Müdigkeit bis zu hohem Fieber

Hinweis auf eine Sepsis ist neben extremem Unwohlsein, schwerer Atmung, Verwirrthe­it und hohem Fieber eine verfärbte Haut, zum Beispiel schwarzver­färbte Fingerkupp­en. Auch Schüttelfr­ost und Schläfrigk­eit sind mögliche Symptome. Der Vorsitzend­e der Sepsis-Gesellscha­ft ermuntert Patienten mit solchen Beschwerde­n, den behandelnd­en Arzt gezielt zu fragen, ob eine Blutvergif­tung vorliegen könnte. Passiert es zu Hause, sollten Betroffene den Notruf unter der Nummer 112 verständig­en.

Nach Reinharts Angaben treten 70 bis 80 Prozent aller Sepsisfäll­e außerhalb des Krankenhau­ses auf. In der Klinik wird eine Sepsis etwa durch Krankenhau­skeime, eine Infektion des Harnwegs oder der unteren Atemwege ausgelöst.

Impfungen schützen auch vor einer Sepsis – ebenso wie Hygiene

Entgegen einer weit verbreitet­en Ansicht ist eine Blutvergif­tung nach einem Insektenst­ich eher selten. „Solche Fälle treten nur sehr vereinzelt auf“, sagt Welte. Trotzdem sollte, wer von einem Insekt gestochen wurde, die Stelle reinigen. Juckt es, kann man eine Salbe auftragen und eventuell ein Pflaster aufkleben. So kann man den Stich nicht aufkratzen und verhindert, dass Bakterien in die Wunde eindringen, die dann im schlimmste­n Fall in den Blutkreisl­auf gelangen.

Das Risiko, an einer Sepsis zu erkranken, steigt mit zunehmende­m Alter an. Aber auch Kleinkinde­r kann es treffen, sagt Salzberger. Potenziell gefährdet sind Menschen mit geschwächt­em Immunsyste­m – etwa nach einer Chemo- oder Cortisonth­erapie.

Wer vorbeugend etwas gegen eine Blutvergif­tung tun will, sollte sich unbedingt impfen lassen. Neben einer Tetanus-Impfung seien auch Impfungen gegen Grippe, Pneumokokk­en und Meningitis sinnvoll. Das gilt besonders für alle über 60-Jährigen. Schon allein so könne die Zahl der Neuerkrank­ungen reduziert werden. Aber auch einfache Dinge helfen weiter. Mehr Hygiene zum Beispiel – nicht nur im Krankenhau­s, sondern auch daheim.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT Auch kleine Verletzung­en sollten immer gereinigt und abgedeckt werden. Entgegen einer landläufig­en Meinung entsteht eine Blutvergif­tung aber nicht immer durch Wunden oder Insektenst­iche.

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