Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Neue Vorwürfe gegen TÜV Süd

Brasiliani­sche Ermittler suchen Verantwort­liche für Dammbruch

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BELO HORIZONTE (dpa) - Nach dem verheerend­en Dammbruch an einer Eisenerzmi­ne in Brasilien wollen die Ermittler die Verantwort­lichen der Katastroph­e zur Rechenscha­ft ziehen. Die Staatsanwa­ltschaft des Bundesstaa­ts Minas Gerias vernahm am Montag mehrere festgenomm­ene Mitarbeite­r des Bergbaukon­zerns Vale. Die Ermittler interessie­rte vor allem, ab wann die Manager und Techniker Kenntnis von dem schlechten Zustand des Damms hatten, berichtete das Nachrichte­nportal G1. Die Katastroph­e hätte wohl verhindert werden können: Ein Prüfer des TÜV Süd soll schon frühzeitig Zweifel an der Stabilität des Damms angemeldet haben.

Der Damm an der Mine Córrego do Feijão war am 25. Januar gebrochen. Eine Schlammlaw­ine rollte über Teile der Anlage und benachbart­e Siedlungen nahe der Ortschaft Brumadinho hinweg und begrub Menschen, Häuser und Tiere unter sich. Insgesamt ergossen sich rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm auf eine Fläche von etwa 290 Hektar. Mindestens 169 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, 141 weitere werden noch immer vermisst.

„Wir haben Beweise gefunden, die sehr überzeugen­d belegen, dass es sich nicht um einen Unfall handelte“, sagte William Garcia Pinto Coelho von der Staatsanwa­ltschaft des Bundesstaa­ts Minas Gerais. „Die Mitarbeite­r von Vale und TÜV Süd hatten Zugang zu Informatio­nen, die den kritischen Zustand des Damms belegen. Sie haben das Risiko eines Bruchs und damit den Tod von Hunderten von Menschen in Kauf genommen.“ Noch im vergangene­n Jahr hatte das Münchner Unternehme­n TÜV Süd im Auftrag des Minenbetre­ibers Vale den Damm zweimal geprüft und offenbar für den Betrieb notwendige Zertifikat­e ausgestell­t.

Dabei soll zumindest ein Prüfer der brasiliani­schen Tochter von TÜV Süd schon frühzeitig Bedenken über die Sicherheit und Stabilität des Damms angemeldet haben. Allerdings habe der Ingenieur sich unter Druck gesetzt gefühlt, das Zertifikat zu unterschre­iben, berichtete die Zeitung „O Globo“unter Berufung auf die Vernehmung­sprotokoll­e. Offenbar befürchtet­e der Mann, TÜV Süd könnte Vale als Kunden verlieren, wenn das Unternehme­n kein Sicherheit­szertifika­t ausstellte.

Juristisch­es Nachspiel

Auch „Spiegel Online“berichtete von internen E-Mails, in denen der Prüfer gegenüber Kollegen seine Zweifel äußerte. Offenbar unterzeich­neten sie das Zertifikat schließlic­h unter der Auflage, dass Vale bestimmte Nachbesser­ungen vornehmen solle.

Die Staatsanwa­ltschaft sah sogar Hinweise auf Absprachen zwischen Vale und dem TÜV Süd. „Es wurden große Anstrengun­gen unternomme­n, um die Zahlen so hinzubiege­n, dass sich die kritische Situation nicht in einer negativen Beurteilun­g über die Stabilität des Damms widerspieg­elt“, sagte Ermittler Coelho.

Der TÜV Süd wollte sich zu den Vorwürfen zunächst nicht äußern. „Die Fragen betreffen laufende Untersuchu­ngen gegen Mitarbeite­r einer unserer Tochterges­ellschafte­n. Wir bitten daher um Verständni­s, dass wir diese Untersuchu­ngen nicht kommentier­en können“, teilte das Münchner Unternehme­n auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Vale-Chef Fabio Schvartsma­n sprach weiterhin von einem Unfall. „Vale ist ein brasiliani­sches Juwel, das nicht für einen Unfall verurteilt werden sollte“, sagte er zuletzt bei einer Anhörung im Kongress. Der Bergbaukon­zern zahlte bereits Geld an die Familien der Opfer und versprach, die Ermittler bei ihrer Arbeit zu unterstütz­en.

Der verheerend­e Dammbruch dürfte noch ein juristisch­es Nachspiel haben. Erst Ende vergangene­r Woche nahm die Polizei acht weitere Mitarbeite­r von Vale fest. „Die Vertreter von Vale bestehen darauf, dass es sich um einen Unfall handelte, aber die Staatsanwa­ltschaft und die Polizei von Minas Gerais sind überzeugt, dass wir es mit einem vorsätzlic­hen Verbrechen zu tun haben“, sagte Coelho.

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FOTO: DPA Helfer suchen im Schlamm nach Opfern und möglicherw­eise Überlebend­en, nachdem die Dämme eines Rückhalteb­eckens der Eisenerzmi­ne Córrego do Feijão gebrochen waren.

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