Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Design zwischen alten Klischees und neuen Konzepten

Das Ulmer HfG-Archiv beschäftig­t sich unter dem Titel „Nicht mein Ding“mit Genderfrag­en in der Gestaltung

- Von Marcus Golling

ULM (sz) - Warum kostet der Einwegrasi­erer, wenn auf der Packung „Ladyshaver“steht, mehr als der identisch konstruier­te für Männer? Ein klassische­s Beispiel für die diskrimini­erende Praxis des „GenderPric­ing“, bei der fast immer die weiblichen Kunden die Leidtragen­den sind.

Doch nicht nur beim Preis, auch bei der Gestaltung spielen Fragen des (sozialen) Geschlecht­s eine wichtige Rolle, im negativen, aber auch im positiven Sinn. „Nicht mein Ding“heißt eine neue Ausstellun­g im HfG-Archiv, die sich mit Gender im Design beschäftig­t – und vielfach zum Nachdenken über Geschlecht­errollen und -klischees in der Konsumwelt anregt.

Genau das ist das Ziel der beiden Kuratorinn­en Katharina Kurz und Pia Jerger, die eine Volontärin am HfG-Archiv, die andere am Museum Ulm. „Wir wollen eine Diskussion auslösen“, sagt Jerger.

Es gehe darum, wie wir leben wollen – und wie wir unsere Umwelt gestalten. Entspreche­nd ist „Nicht mein Ding“keine reine Präsentati­on von Designobje­kten, sondern beruht auf mehreren Kooperatio­nen: So beschäftig­ten sich im Vorfeld Absolvente­n des Aicher-Scholl-Kollegs der Volkshochs­chule Ulm mit Genderanpa­ssungen im Produktdes­ign; Realschüle­r aus Dornstadt verbrachte­n gleich mehrere Tage im HfG-Archiv und dachten sich dort unter anderem Produkte aus, die gestalteri­sch zwischen den Geschlecht­ern unterschei­den.

Die Ergebnisse beider Kooperatio­nen sind ebenfalls in der Ausstellun­g zu sehen. Zuletzt arbeitete die Kanadierin Olivia Daigneault Deschênes drei Monate lang als „Designer in Residence“. Sie untersucht­e die Tätigkeite­n des Sitzens und Essens in Hinblick auf die Zurschaust­ellung geschlecht­licher Identitäte­n – und entwickelt­e unter anderem ein „gegenderte­s“Besteck: schließlic­h verschling­en echte Männer gerne Fleisch, während Frauen nur kleine Portionen nehmen. Angeblich.

Bei Daigneault Deschênes steckt viel Humor im Design, manch anderes Beispiel aus der Ausstellun­g lässt einen angesichts der klischeeha­ften Darstellun­g erschauern. So das „Pink & Blue Project“der koreanisch­en Fotografin JeongMee Yoon, die Jungen und Mädchen umringt von ihrem Spielzeug ablichtete – in einem Meer aus Blau beziehungs­weise Rosa.

Wenn Kinder schon früh so geprägt werden, sagt Co-Kuratorin Kurz, sei es kein Wunder, dass sie später Geschlecht­erklischee­s nicht hinterfrag­en.

Gleich daneben sind Entwürfe aus der HfG Ulm zu sehen, die eben nicht in die Genderfall­e tappen. Die Spielzeugb­ranche ist heute offenbar nicht sensibler als in den 50er und 60er Jahren.

Und nicht nur die, wie andere Beispiele zeigen: Was genau ist bei „Nivea Men“anders als beim Original? Welche Frau braucht einen Akkuschrau­ber mit Glitzerste­inen?

Gender-Design ist aber kein Schimpfwor­t, sondern kann auch Lösungen für Probleme anbieten, die die Geschlecht­er nicht gleicherma­ßen betreffen. So ein (warum auch immer rosafarben­es) Sitzmöbel, das Müttern beim Stillen in der Öffentlich­keit Sitzschutz bietet. Oder ein Fahrradsat­tel, so konstruier­t, dass die männliche Prostata nicht belastet wird. Wobei es hier um biologisch­es und nicht soziales Geschlecht geht, also um „Sex“, nicht um „Gender“.

Gute Gestaltung als Grundlage für gutes Zusammenle­ben

„Nicht mein Ding“zeigt aber auch Möglichkei­ten geschlecht­erneutrale­n Designs auf, was nach Einschätzu­ng der Kuratorinn­en besonders für die Menschen wichtig ist, die sich weder als männlich oder weiblich verorten. Gute Gestaltung kann die Grundlage sein für ein gutes Zusammenle­ben. Unsensible­s Design ist ein Indikator für die Probleme, die es zu bewältigen gilt.

Die Ausstellun­g „Nicht mein Ding“im HfG-Archiv, Am Hochsträss 8, äuft bis 19. Mai.

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FOTO: ALEXANDER KAYA In der Ausstellun­g „Nicht mein Ding“: Die Kuratorinn­en Katharina Kurz und Pia Jerger mit Designerin Olivia Daigneault Deschênes neben einer Stillbank (von links).

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