Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Design zwischen alten Klischees und neuen Konzepten
Das Ulmer HfG-Archiv beschäftigt sich unter dem Titel „Nicht mein Ding“mit Genderfragen in der Gestaltung
ULM (sz) - Warum kostet der Einwegrasierer, wenn auf der Packung „Ladyshaver“steht, mehr als der identisch konstruierte für Männer? Ein klassisches Beispiel für die diskriminierende Praxis des „GenderPricing“, bei der fast immer die weiblichen Kunden die Leidtragenden sind.
Doch nicht nur beim Preis, auch bei der Gestaltung spielen Fragen des (sozialen) Geschlechts eine wichtige Rolle, im negativen, aber auch im positiven Sinn. „Nicht mein Ding“heißt eine neue Ausstellung im HfG-Archiv, die sich mit Gender im Design beschäftigt – und vielfach zum Nachdenken über Geschlechterrollen und -klischees in der Konsumwelt anregt.
Genau das ist das Ziel der beiden Kuratorinnen Katharina Kurz und Pia Jerger, die eine Volontärin am HfG-Archiv, die andere am Museum Ulm. „Wir wollen eine Diskussion auslösen“, sagt Jerger.
Es gehe darum, wie wir leben wollen – und wie wir unsere Umwelt gestalten. Entsprechend ist „Nicht mein Ding“keine reine Präsentation von Designobjekten, sondern beruht auf mehreren Kooperationen: So beschäftigten sich im Vorfeld Absolventen des Aicher-Scholl-Kollegs der Volkshochschule Ulm mit Genderanpassungen im Produktdesign; Realschüler aus Dornstadt verbrachten gleich mehrere Tage im HfG-Archiv und dachten sich dort unter anderem Produkte aus, die gestalterisch zwischen den Geschlechtern unterscheiden.
Die Ergebnisse beider Kooperationen sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Zuletzt arbeitete die Kanadierin Olivia Daigneault Deschênes drei Monate lang als „Designer in Residence“. Sie untersuchte die Tätigkeiten des Sitzens und Essens in Hinblick auf die Zurschaustellung geschlechtlicher Identitäten – und entwickelte unter anderem ein „gegendertes“Besteck: schließlich verschlingen echte Männer gerne Fleisch, während Frauen nur kleine Portionen nehmen. Angeblich.
Bei Daigneault Deschênes steckt viel Humor im Design, manch anderes Beispiel aus der Ausstellung lässt einen angesichts der klischeehaften Darstellung erschauern. So das „Pink & Blue Project“der koreanischen Fotografin JeongMee Yoon, die Jungen und Mädchen umringt von ihrem Spielzeug ablichtete – in einem Meer aus Blau beziehungsweise Rosa.
Wenn Kinder schon früh so geprägt werden, sagt Co-Kuratorin Kurz, sei es kein Wunder, dass sie später Geschlechterklischees nicht hinterfragen.
Gleich daneben sind Entwürfe aus der HfG Ulm zu sehen, die eben nicht in die Genderfalle tappen. Die Spielzeugbranche ist heute offenbar nicht sensibler als in den 50er und 60er Jahren.
Und nicht nur die, wie andere Beispiele zeigen: Was genau ist bei „Nivea Men“anders als beim Original? Welche Frau braucht einen Akkuschrauber mit Glitzersteinen?
Gender-Design ist aber kein Schimpfwort, sondern kann auch Lösungen für Probleme anbieten, die die Geschlechter nicht gleichermaßen betreffen. So ein (warum auch immer rosafarbenes) Sitzmöbel, das Müttern beim Stillen in der Öffentlichkeit Sitzschutz bietet. Oder ein Fahrradsattel, so konstruiert, dass die männliche Prostata nicht belastet wird. Wobei es hier um biologisches und nicht soziales Geschlecht geht, also um „Sex“, nicht um „Gender“.
Gute Gestaltung als Grundlage für gutes Zusammenleben
„Nicht mein Ding“zeigt aber auch Möglichkeiten geschlechterneutralen Designs auf, was nach Einschätzung der Kuratorinnen besonders für die Menschen wichtig ist, die sich weder als männlich oder weiblich verorten. Gute Gestaltung kann die Grundlage sein für ein gutes Zusammenleben. Unsensibles Design ist ein Indikator für die Probleme, die es zu bewältigen gilt.
Die Ausstellung „Nicht mein Ding“im HfG-Archiv, Am Hochsträss 8, äuft bis 19. Mai.