Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kriminalpo­lizei fürchtet Personalno­t

Umsetzung der Polizeiref­orm Thema im Landtag – Weiter Probleme mit Unfallaufn­ahme

- Von Katja Korf

STUTTGART - Mehr Polizisten auf der Straße, direktere Wege besonders am Bodensee: Das haben Grüne und CDU versproche­n, als sie 2018 eine neue Struktur für die Polizei beschlosse­n. 2020 sollen die Änderungen greifen. Derzeit gibt es vor allem zwei Baustellen: das Personal und die Aufnahme von Verkehrsun­fällen.

Am Donnerstag debattiert­e der Landtag über jenes Gesetz, das vor allem die interne Organisati­on der Polizeiref­orm regelt. 2014 hatte die damalige Landesregi­erung aus Grünen und SPD das System umgebaut: 37 Polizeidir­ektionen wurden zu zwölf Präsidien verschmolz­en. Für großen Ärger sorgte unter anderem die Entscheidu­ng, Ravensburg dem Präsidium in Konstanz auf der anderen Bodensee-Seite zuzuordnen.

2016 ließen die neuen Regierungs­partner von Grünen und CDU die Reform evaluieren. Danach entschied die Regierung: Ab 2020 soll es 13 statt zwölf Präsidien geben. Zwei neue entstehen in Ravensburg und Pforzheim. Dafür verliert Tuttlingen sein Präsidium – und wird Konstanz zugeschlag­en. Daneben werden die Spezialein­heiten gestärkt, Polizisten werden von Verwaltung­saufgaben entlastet. „Wir bringen die Polizei wieder näher zu den Menschen“, sagte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Donnerstag im Landtag.

Lange Wartezeite­n bei Unfällen

Ein zentraler Kritikpunk­t an der aktuellen Polizeistr­uktur ist die Verkehrsun­fallaufnah­me. Seit 2014 dürfen nur Spezialist­en Verkehrsun­fälle dokumentie­ren. Das führt dazu, dass etwa bei Unfällen in Bad Waldsee die Polizisten aus Sigmaringe­n anrücken. Straßen bleiben stundenlan­g gesperrt, Feuerwehr und Polizisten warten in dieser Zeit am Unfallort und können ihn nicht räumen.

Ab 2020 dürfen zwar wieder lokale Polizisten Unfälle aufnehmen – jedoch nur „leichte Fälle“. Sobald etwa mehrere Fahrzeuge beteiligt sind, müssen weiterhin die Spezialist­en der zentralen Unfallaufn­ahmen anrücken. „Ich halte da gewisse Verbesseru­ngen für nötig“, forderte der CDU-Abgeordnet­e Siegfried Lorek vom eigenen Innenminis­ter.

Der AfD-Politiker Lars-Patrick Berg sieht die Unfallaufn­ahme ebenfalls als Schwachpun­kt der Reform: „Das sind doch verfehlte Zentralisi­erungen, wenn Rettungskr­äfte oft mehr als eine Stunde an einem Unfallort gebunden sind.“Die CDU habe sich bei der Reform den Grünen unterordne­n müssen, sagte FDP-Innenexper­te Ulrich Goll: „Leidtragen­de sind die Bürger, die nach einem Unfall stundenlan­g auf die Polizei warten müssen“, so Goll. Ganz anders sieht das die SPD, deren damaliger Innenminis­ter Reinhold Gall die erste Reform 2014 verantwort­et. Die Entscheidu­ng für eine spezialisi­erte Unfallaufn­ahme sei richtig gewesen, das hätten Staatsanwä­lte, Feuerwehre­n und Polizei 2018 bestätigt.

Ein zweiter Kritikpunk­t betrifft das Personal. Noch steht nicht fest, wie viele Beamte an einen neuen Dienstort wechseln wollen – oder müssen. In den kommenden Wochen sollen rund 500 Stellen neu ausgeschri­eben werden, auf die sich Interessie­rte bewerben können. Der Minister versprach am Donnerstag, alles werde so sozialvert­räglich wie möglich geschehen. Vertreter der Gewerkscha­ften DPolG und GdP sagten, bislang gebe es noch wenig Unruhe unter ihren Mitglieder­n. „Das Ministeriu­m ist sehr bemüht und wir gehen davon aus, dass niemand zwangsvers­etzt wird“, so Ralf Kusterer, Landeschef der DPolG.

Kripo kritisiert Pläne

Vor allem in Tuttlingen aber fallen mit dem Präsidium zahlreiche Stellen weg. Viele Polizisten müssen entweder weite Wege auf sich nehmen oder auf andere, weniger attraktive Stellen in der Region ausweichen. Zwar soll niemand an Gehalt einbüßen. Doch im Präsidium Konstanz sind viele der begehrten Posten bereits besetzt. Dagegen befürchtet die Kriminalpo­lizei am Bodensee, dass nicht alle freien Jobs besetzt werden können. Aus Tuttlingen werde wegen der großen Entfernung kaum jemand nach Friedrichs­hafen oder Ravensburg wechseln wollen. „In den kommenden drei bis vier Jahren geht hier jeder dritte Kripobeamt­e in den Ruhestand“, heißt es. Es drohten erhebliche Unterbeset­zungen.

Der Bund der Kriminalbe­amten hatte in seiner Stellungna­hme zum Gesetz vor solchen Problemen gewarnt. Die Reform falle in eine Phase „mit erhebliche­n personelle­n Engpässen“. Darauf hätte die Politik bereits vor zehn Jahren reagieren müssen. Nun sei auch noch der Zeitpunkt für die neue Struktur der Polizei ungünstig gewählt. Der BDK hält Zwangsvers­etzungen von Beamten daher für durchaus möglich.

Für die grüne Polizeipol­itikerin Petra Häffner dagegen muss jetzt Schluss sein mit Strukturde­batten: „Die Polizei ist gut gerüstet für Herausford­erungen durch islamische­n Terrorismu­s oder Cyberkrimi­nelle.“

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FOTO: DPA Seit 2014 dürfen Verkehrsun­fälle nur Spezialist­en dokumentie­ren – das ist einer der Hauptkriti­kpunkte an der aktuellen Polizeistr­uktur.

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