Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Politik droht Wirtschaft
Berlin will in global agierenden Industrien soziale Mindeststandards durchsetzen
BERLIN - Deutsche Unternehmen sollen sich dringend um die Menschenrechte der Beschäftigten in ausländischen Zulieferfabriken kümmern. Dazu haben Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Firmen am Donnerstagabend aufgefordert. Für den Fall, dass das freiwillige Engagement der Wirtschaft nicht funktioniere, drohten sie mit einem Sorgfaltspflichtengesetz.
Die beiden Minister veranstalteten zusammen eine Tagung zu „fairen Lieferketten“. Dieser Begriff bedeutet: Firmen müssen beispielsweise darauf achten, dass die Zulieferarbeiter im Ausland Betriebsräte wählen können, ausreichende Löhne erhalten und nicht zu überlangen Arbeitszeiten gezwungen werden.
Um dabei Fortschritte zu erreichen, hat die Bundesregierung 2016 ihren Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) beschlossen. Mindestens die Hälfte aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sollen bis 2020 den Nachweis für Verbesserungen erbringen. Ob die Firmen das auch tun, bleibt ihnen selbst überlassen. Allerdings lässt die Bundesregierung überprüfen, ob die Ziele des Aktionsplans eingehalten werden.
Minister bauen Druck auf
Hier kommt der Entwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz aus dem Entwicklungsministerium ins Spiel. Dieses könnte Firmen dazu anhalten, menschenrechtliche Risiken in ihrer Produktionskette zu analysieren und zu verringern. „Wir appellieren an Freiwilligkeit. Aber wenn wir Ende des Jahres zum Ergebnis kommen, dass der freiwillige Ansatz nicht ausreicht, brauchen wir eine gesetzliche Regelung“, sagte Müller der „Schwäbischen Zeitung“. Einstweilen dient der Gesetzentwurf also als Drohung. Die beiden Minister bauen Druck auf, damit die Unternehmen den NAP-Prozess ernst nehmen.
„Valide Ergebnisse“der Untersuchung würden Ende 2019 vorliegen, sagte Arbeitsminister Heil. Dann habe man „2020 genug Zeit“, bindende Regeln zu beschließen – falls nötig. Wenn die freiwilligen Ergebnisse nicht ausreichten, komme das Gesetz, erklärte auch Müller.
Allerdings versuchte Heil der Wirtschaft eine Brücke zu bauen. Er nannte den Gesetzentwurf einen „Denkanstoß“. Außerdem bezeichnete er ihn als „Rechtsgutachten“. Dieser Begriff freilich taucht in dem Entwurf gar nicht auf. Die Minister kündigten zudem eine eigene Initiative zu Lieferketten an. „Hubertus Heil und ich sind uns einig: Wir stellen ein gemeinsames Aktionsbündnis gegen Kinderarbeit, Menschenhandel und Zwangsarbeit auf die Beine“, erläuterte Müller. „Faire Lieferketten müssen Schwerpunkt der deutschen EURatspräsidentschaft 2020 sein. Wir brauchen verbindliche Standards bei der öffentlichen Beschaffung und eine engere Partnerschaft mit der Internationalen Arbeitsorganisation.“Ein europaweiter Ansatz zur Regulierung der Wirtschaft sei besser als ein nationaler. In Kooperation mit der Internationalen Arbeitsorganisation wollen die Minister bis Anfang 2020 über konkrete Projekte entscheiden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) solle sich im Übrigen Gedanken machen, wie der Staat systematisch Produkte einkaufen könne, die aus umwelt- und sozialverträglicher Produktion stammen. Es geht beispielsweise um Polizeiuniformen, Lebensmittel für Universitätsmensen oder Holzmöbel.
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt, plädierte dafür, das Sorgfaltspflichtengesetz möglichst schnell anzupacken. Ein Gesetz schaffe Rechtssicherheit und Wettbewerbsgleichheit für alle Unternehmen. Das sah Patrick Zahn ähnlich. Der Geschäftsführer des Textildiscounters KiK sprach sich für eine europäische Regulierung aus. Das Unternehmen stand unlängst vor Gericht wegen eines Fabrikbrandes in Pakistan. Zahn will nicht alleine für Probleme haftbar gemacht werden, die auch seine Konkurrenten verursachen.