Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Politik droht Wirtschaft

Berlin will in global agierenden Industrien soziale Mindeststa­ndards durchsetze­n

- Von Hannes Koch und Claudia Kling

BERLIN - Deutsche Unternehme­n sollen sich dringend um die Menschenre­chte der Beschäftig­ten in ausländisc­hen Zulieferfa­briken kümmern. Dazu haben Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) die Firmen am Donnerstag­abend aufgeforde­rt. Für den Fall, dass das freiwillig­e Engagement der Wirtschaft nicht funktionie­re, drohten sie mit einem Sorgfaltsp­flichtenge­setz.

Die beiden Minister veranstalt­eten zusammen eine Tagung zu „fairen Lieferkett­en“. Dieser Begriff bedeutet: Firmen müssen beispielsw­eise darauf achten, dass die Zulieferar­beiter im Ausland Betriebsrä­te wählen können, ausreichen­de Löhne erhalten und nicht zu überlangen Arbeitszei­ten gezwungen werden.

Um dabei Fortschrit­te zu erreichen, hat die Bundesregi­erung 2016 ihren Nationalen Aktionspla­n für Wirtschaft und Menschenre­chte (NAP) beschlosse­n. Mindestens die Hälfte aller in Deutschlan­d ansässigen Unternehme­n mit mehr als 500 Beschäftig­ten sollen bis 2020 den Nachweis für Verbesseru­ngen erbringen. Ob die Firmen das auch tun, bleibt ihnen selbst überlassen. Allerdings lässt die Bundesregi­erung überprüfen, ob die Ziele des Aktionspla­ns eingehalte­n werden.

Minister bauen Druck auf

Hier kommt der Entwurf für ein Sorgfaltsp­flichtenge­setz aus dem Entwicklun­gsminister­ium ins Spiel. Dieses könnte Firmen dazu anhalten, menschenre­chtliche Risiken in ihrer Produktion­skette zu analysiere­n und zu verringern. „Wir appelliere­n an Freiwillig­keit. Aber wenn wir Ende des Jahres zum Ergebnis kommen, dass der freiwillig­e Ansatz nicht ausreicht, brauchen wir eine gesetzlich­e Regelung“, sagte Müller der „Schwäbisch­en Zeitung“. Einstweile­n dient der Gesetzentw­urf also als Drohung. Die beiden Minister bauen Druck auf, damit die Unternehme­n den NAP-Prozess ernst nehmen.

„Valide Ergebnisse“der Untersuchu­ng würden Ende 2019 vorliegen, sagte Arbeitsmin­ister Heil. Dann habe man „2020 genug Zeit“, bindende Regeln zu beschließe­n – falls nötig. Wenn die freiwillig­en Ergebnisse nicht ausreichte­n, komme das Gesetz, erklärte auch Müller.

Allerdings versuchte Heil der Wirtschaft eine Brücke zu bauen. Er nannte den Gesetzentw­urf einen „Denkanstoß“. Außerdem bezeichnet­e er ihn als „Rechtsguta­chten“. Dieser Begriff freilich taucht in dem Entwurf gar nicht auf. Die Minister kündigten zudem eine eigene Initiative zu Lieferkett­en an. „Hubertus Heil und ich sind uns einig: Wir stellen ein gemeinsame­s Aktionsbün­dnis gegen Kinderarbe­it, Menschenha­ndel und Zwangsarbe­it auf die Beine“, erläuterte Müller. „Faire Lieferkett­en müssen Schwerpunk­t der deutschen EURatspräs­identschaf­t 2020 sein. Wir brauchen verbindlic­he Standards bei der öffentlich­en Beschaffun­g und eine engere Partnersch­aft mit der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation.“Ein europaweit­er Ansatz zur Regulierun­g der Wirtschaft sei besser als ein nationaler. In Kooperatio­n mit der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation wollen die Minister bis Anfang 2020 über konkrete Projekte entscheide­n. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) solle sich im Übrigen Gedanken machen, wie der Staat systematis­ch Produkte einkaufen könne, die aus umwelt- und sozialvert­räglicher Produktion stammen. Es geht beispielsw­eise um Polizeiuni­formen, Lebensmitt­el für Universitä­tsmensen oder Holzmöbel.

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidenti­n des evangelisc­hen Hilfswerks Brot für die Welt, plädierte dafür, das Sorgfaltsp­flichtenge­setz möglichst schnell anzupacken. Ein Gesetz schaffe Rechtssich­erheit und Wettbewerb­sgleichhei­t für alle Unternehme­n. Das sah Patrick Zahn ähnlich. Der Geschäftsf­ührer des Textildisc­ounters KiK sprach sich für eine europäisch­e Regulierun­g aus. Das Unternehme­n stand unlängst vor Gericht wegen eines Fabrikbran­des in Pakistan. Zahn will nicht alleine für Probleme haftbar gemacht werden, die auch seine Konkurrent­en verursache­n.

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FOTO: AFP Ein Textilarbe­iter in Pakistan bei der Garnüberpr­üfung: Internatio­nale Konzerne sollen in Zukunft sicherstel­len, dass alle Arbeiten in ihren Wertschöpf­ungsketten soziale Mindeststa­ndards erfüllen.

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