Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Castingshow-Teilnehmer sollen es richten
Bei „Unser Song für Israel“wird am Freitagabend der deutsche ESC-Teilnehmer gekürt
FREIBURG - Am Freitagabend entscheidet sich, wer für Deutschland beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Tel Aviv antritt. Sieben Musiker und Musikerinnen sind im Rennen – einige davon mit CastingErfahrung. Ob das reicht, um dieses Jahr erneut gut abzuschneiden?
Da es 2018 nach längerer Durststrecke wieder einen satten Punkteregen und einen soliden vierten Platz für Deutschlands Beitrag gab – Michael Schulte mit der Ballade „You Let Me Walk Alone“– ist die Erwartungshaltung nun natürlich hoch. Und da der Erfolg dem VorjahresAuswahlmodus recht zu geben scheint, entfällt dieses Mal die immer etwas getrieben wirkende Einführung eines ganz neuen Systems. Auch bei dem zweiten Anlauf ist das System aber so komplex, dass es wohl selbst Langzeit-Kommentator Peter Urban nur mithilfe eines Spickzettels präsentieren könnte.
965 Bewerbungen und Vorschläge sind dieses Mal eingegangen, die ein Team des ausrichtenden Senders NDR auf immer noch beachtliche 198 eingedampft hat. Deren Musikvideos wurden den Mitgliedern der Eurovisions-Jury, auch Eurovisions-Panel genannt, vorgelegt. Für die Mitgliedschaft in dem Gremium gab es ebenfalls eine Art Casting, bei der Auswahl wirkte unter anderem eine Unternehmensberatung mit. Basierend auf den Bewertungen schrumpfte das Teilnehmerfeld auf 50 Acts, aus denen eine 20-köpfige internationale Fachjury 20 Kandidaten auswählte. 15 davon kamen zu einem Workshop in Köln und produzierten Musikvideos, die wiederum beiden Jurys vorgelegt wurden. Am Ende dieses Prozesses hatte man dann sechs Kandidaten – aber noch keine Songs. Also wurden die Teilnehmer von „Unser Lied für Israel“in einem „Song Writing Camp“in Berlin einquartiert, wo sie gemeinsam mit 24 Komponisten und Textern an einem potenziellen Siegertitel werkelten.
Das ergibt in der Summe ein Prüfverfahren, an dem sich so mancher deutsche Autobauer ein Vorbild nehmen könnte – die strenge Präzision wurde aber in quasi letzter Minute durch einen siebten Kandidaten aufgebrochen. Hier stand allerdings zunächst der Song fest, das von einem internationalen Komponistenteam geschriebene Stück „Sister“. Erst dann suchte man nach einem Sängerinnen-Duo, das man der Einfachheit halber Sisters taufte – so eine Namensdopplung hat schließlich schon einmal in Israel für einen Erfolg gesorgt: Die ebenfalls aus der Retorte stammenden deutschen Teilnehmer Dschinghis Khan belegten 1979 Platz vier mit „Dschinghis Khan“. Ebenfalls ein möglicherweise gutes Omen: Die halb-philippinische Sängerin Laurita ist derzeit mit der bis dato letzten deutschen ESC-Siegerin Lena Meyer-Landrut auf Tour. Wie ihre Duett-Partnerin Carlotta Truman hat sie schon in sehr jungen Jahren Erfahrungen in TV-Wettbewerben wie „The Voice Kids“und dem ZDF- „Kiddy-Contest“gesammelt.
Erfahrung bei „The Voice“
Casting- oder Musical-Erfahrung bringt auch ein guter Teil der übrigen Teilnehmer mit. BB Thomaz (mit dem Titel „Demons“) kann gleich beides vorweisen – neben MusicalGastspielen erreichte sie 2017 bei „Voice of Germany“den vierten Platz. Gleiches gilt für Linus Bruhn („Our City“): ebenfalls ein „Voice“Teilnehmer und auf Musicalbühnen einst als kleiner Tarzan im Einsatz. Der 18-jährige Stuttgarter Gregor Hägele („Let Me Go“) ist ein weiterer „Voice“-Absolvent, sodass man sich zu fragen beginnt, warum die beiden Wettbewerbe nicht gleich miteinander verbunden werden – bis man sich an Jamie-Lee Kriewitz erinnert, „Voice“-Siegerin und 2016 letzter Platz für Deutschland in Stockholm.
Makeda („The Day I Loved You Most“) kann immerhin schon eine gewisse ESC-Vorgeschichte vorweisen: Zweimal war sie bereits in der engeren Auswahl für den Vorentscheid. Elisabeth Brüchner alias Lilly Among Clouds („Surprise“) hatte dagegen schon internationale Ambitionen und trat bereits in den USA auf. Noch einen Schritt weiter ging Aly Ryan („Wear Your Love“): Vor fünf Jahren zog sie mit gerade einmal 16 Jahren aus Oberursel im Taunus nach Los Angeles und produzierte dort bereits Songs mit internationalem Potenzial.
Die Show wird am Freitagabend ab 20.15 Uhr live in der ARD und bei One übertragen. Zu den Siegeschancen der Bewerber lässt sich kaum etwas sagen, werden die Songs doch erst am Tag des Vorentscheids veröffentlicht. Bekannt ist dagegen bereits das Auswahlverfahren. Beide Jurys und die Zuschauer vergeben jeweils ein Drittel der Punkte. Auch die Schar der Gastmusiker steht fest: Neben Revolverheld und Udo Lindenberg mit Andreas Bourani gibt sich auch ESC-Sängerin Lena die Ehre.