Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Reizvoll auch abseits der Küste
Auf Mauritius lohnt eine Entdeckungsreise ins Hinterland
Zuerst wurde Mauritius geschaffen, dann das Paradies. Aber das war nur eine Kopie“, schrieb Mark Twain vor über 100 Jahren. Vor genau einem halben Jahrhundert errang Mauritius seine Unabhängigkeit. Die feinsandigen Palmenstrände und türkisfarbenen Badebuchten des Inselstaates ziehen seit Jahren Touristen aus aller Welt an. Auf diejenigen, die sich auch einmal von den Traumstränden losreißen können, wartet eine spannende Entdeckungsreise.
Bei strahlendem Sonnenschein geht es mit Jean-Marie und Dylan in Mahébourg auf eine E-Bike-Tour. In den Seitenstraßen der Stadt winken Kinder den Radlern zu, ein älterer Mann grüßt mit einem freundlichen Lächeln hinter seiner alten SingerNähmaschine, und Straßenverkäufer bieten frische Mangos, Ananas, Melonen und Papayas an. Am Rande der Stadt tauchen bald die ersten Zuckerrohrfelder auf, die seit dem 18. Jahrhundert die Insel prägen. Unter französischer Kolonialherrschaft waren es Sklaven aus Afrika, unter den Briten dann Lohnarbeiter aus Indien, die auf den Plantagen schufteten. Rund 68 Prozent der heutigen Bevölkerung haben indische, 27 Prozent kreolische Wurzeln. Entlang der Küste gen Norden reihen sich Zeitzeugen und Denkmäler, die von der wechselvollen Geschichte des Inselstaates künden. Jean-Marie und Dylan stoppen an der Stelle, an der im Jahr 1598 die Niederländer erstmals das Land betraten. Ein beschädigtes Denkmal und ein unzugängliches, zerfallenes Gebäude erinnern an die ersten Europäer. Bis nach Vieux Grand Port mit den Ruinen der ältesten kolonialen Bauten auf Mauritius ist es von hier aus nur eine kurze Strecke. 1638 errichteten die Holländer an dieser Bucht ihre erste Siedlung, die später von ihnen und von den nachfolgenden Franzosen zu einer Festung ausgebaut wurde. 1810 eroberten die Briten das Fort.
Erfolgreicher Strukturwandel
In der Hauptstadt Port Louis an der Westküste der Insel geht es geschäftig zu. Touristen drängen durch die Andenken- und Modeboutiquen der Caudan Waterfront, die gerade ausgebaut wird. Banken und TelekomUnternehmen lassen ihre Prestigebauten in den Himmel wachsen. Seit Mauritius vor 50 Jahren seine Unabhängigkeit errang, vollzog es erfolgreich einen Strukturwandel – weg vom Agrarland mit der Monokultur Zuckerrohr, hin zu zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern wie Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Tourismus. In Afrika gilt der Inselstaat seit längerer Zeit als ein Musterland wirtschaftlicher Prosperität mit einem gewissen Wohlstand. Parallel zu diesem Wandel wachsen die kulturellen Bedürfnisse. Zu den entsprechenden Höhepunkten gehört das jährliche Opernfestival. „Im vergangenen Jahr konnten 30 000 Tickets verkauft werden“, freut sich der Münchener Martin Wettges als musikalischer Leiter und Dirigent. Ausgezeichnete Talente und die Musikbegeisterung der Bevölkerung hielten ihn auf der Insel fest.
Auch der Tourismus hat sich in den letzten Jahren gewandelt. „Wir beobachten insbesondere unter unseren deutschen Gästen ein großes Interesse, den Facettenreichtum der Insel zu erkunden“, sagt beispielsweise der deutsche Geschäftsführer des Beachcomber Hotels Shandrani, Lothar Gross. Die von der Natur mit üppigen landschaftlichen Reizen ausgestattete Region vulkanischen Ursprungs profiliert sich zunehmend als ein Ziel für unternehmungslustige Urlauber. Nur wenige Kilometer von seinem Hotel entfernt befindet sich die Naturschutzinsel Ile aux Aigrettes. Auf dem nur 25 Hektar großen Eiland ist ein Habitat mit Pflanzen und Tieren entstanden, wie sie vor 400 Jahren auf Mauritius zu sehen waren. Jetzt kann sich die vom Aussterben bedrohte Rosa Taube ohne Feinde vermehren. Aber auch Riesenschildkröten, die überall auf der Insel anzutreffen sind, fühlen sich augenscheinlich wohl und verhalten sich Besuchern gegenüber äußerst zutraulich.
Der südwestliche Zipfel von Mauritius zieht mit dem Black River Gorges National Park, dem Naturphänomen der „Siebenfarbigen Erde“und der Rumdestillerie Chamarel seit Jahren Touristen aus aller Welt an. Inzwischen haben auch Trendsportler die Region für sich entdeckt. Die stabilen Windverhältnisse vor der Halbinsel haben sich inzwischen bei den Wellenreitern und Kitesurfern herumgesprochen. Besteigt man den Hausberg Le Morne Brabant, erblickt man aus der Vogelperspektive eine Armada von bunten Kites, die ihre Wege in der von Korallenriffen geschützten Lagune kreuzen.
Der botanische Garten von Pamplemousses mit seinen riesigen Wasserrosen befindet sich in der Nähe der Hauptstadt. Interessantes über die Geschichte und den einstigen Hauptwirtschaftszweig der Insel lässt sich im benachbarten ZuckerMuseum L’Aventure du Sucre erfahren. Immer wieder riecht man bei einer Fahrt über die Insel den süßen Duft, der beim Abbrennen der Zuckerrohrblätter von den Feldern emporsteigt.
Die Reize der Insel übertreffen mit ihrer bunten Vielfalt das SonneStrand-Klischee einer Insel im Indischen Ozean um ein Vielfaches. Mark Twain wusste genau, wovon er schrieb.