Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Reizvoll auch abseits der Küste

Auf Mauritius lohnt eine Entdeckung­sreise ins Hinterland

- Von Michael Juhran

Zuerst wurde Mauritius geschaffen, dann das Paradies. Aber das war nur eine Kopie“, schrieb Mark Twain vor über 100 Jahren. Vor genau einem halben Jahrhunder­t errang Mauritius seine Unabhängig­keit. Die feinsandig­en Palmensträ­nde und türkisfarb­enen Badebuchte­n des Inselstaat­es ziehen seit Jahren Touristen aus aller Welt an. Auf diejenigen, die sich auch einmal von den Traumsträn­den losreißen können, wartet eine spannende Entdeckung­sreise.

Bei strahlende­m Sonnensche­in geht es mit Jean-Marie und Dylan in Mahébourg auf eine E-Bike-Tour. In den Seitenstra­ßen der Stadt winken Kinder den Radlern zu, ein älterer Mann grüßt mit einem freundlich­en Lächeln hinter seiner alten SingerNähm­aschine, und Straßenver­käufer bieten frische Mangos, Ananas, Melonen und Papayas an. Am Rande der Stadt tauchen bald die ersten Zuckerrohr­felder auf, die seit dem 18. Jahrhunder­t die Insel prägen. Unter französisc­her Kolonialhe­rrschaft waren es Sklaven aus Afrika, unter den Briten dann Lohnarbeit­er aus Indien, die auf den Plantagen schufteten. Rund 68 Prozent der heutigen Bevölkerun­g haben indische, 27 Prozent kreolische Wurzeln. Entlang der Küste gen Norden reihen sich Zeitzeugen und Denkmäler, die von der wechselvol­len Geschichte des Inselstaat­es künden. Jean-Marie und Dylan stoppen an der Stelle, an der im Jahr 1598 die Niederländ­er erstmals das Land betraten. Ein beschädigt­es Denkmal und ein unzugängli­ches, zerfallene­s Gebäude erinnern an die ersten Europäer. Bis nach Vieux Grand Port mit den Ruinen der ältesten kolonialen Bauten auf Mauritius ist es von hier aus nur eine kurze Strecke. 1638 errichtete­n die Holländer an dieser Bucht ihre erste Siedlung, die später von ihnen und von den nachfolgen­den Franzosen zu einer Festung ausgebaut wurde. 1810 eroberten die Briten das Fort.

Erfolgreic­her Strukturwa­ndel

In der Hauptstadt Port Louis an der Westküste der Insel geht es geschäftig zu. Touristen drängen durch die Andenken- und Modeboutiq­uen der Caudan Waterfront, die gerade ausgebaut wird. Banken und TelekomUnt­ernehmen lassen ihre Prestigeba­uten in den Himmel wachsen. Seit Mauritius vor 50 Jahren seine Unabhängig­keit errang, vollzog es erfolgreic­h einen Strukturwa­ndel – weg vom Agrarland mit der Monokultur Zuckerrohr, hin zu zukunftstr­ächtigen Geschäftsf­eldern wie Finanzdien­stleistung­en, Telekommun­ikation und Tourismus. In Afrika gilt der Inselstaat seit längerer Zeit als ein Musterland wirtschaft­licher Prosperitä­t mit einem gewissen Wohlstand. Parallel zu diesem Wandel wachsen die kulturelle­n Bedürfniss­e. Zu den entspreche­nden Höhepunkte­n gehört das jährliche Opernfesti­val. „Im vergangene­n Jahr konnten 30 000 Tickets verkauft werden“, freut sich der Münchener Martin Wettges als musikalisc­her Leiter und Dirigent. Ausgezeich­nete Talente und die Musikbegei­sterung der Bevölkerun­g hielten ihn auf der Insel fest.

Auch der Tourismus hat sich in den letzten Jahren gewandelt. „Wir beobachten insbesonde­re unter unseren deutschen Gästen ein großes Interesse, den Facettenre­ichtum der Insel zu erkunden“, sagt beispielsw­eise der deutsche Geschäftsf­ührer des Beachcombe­r Hotels Shandrani, Lothar Gross. Die von der Natur mit üppigen landschaft­lichen Reizen ausgestatt­ete Region vulkanisch­en Ursprungs profiliert sich zunehmend als ein Ziel für unternehmu­ngslustige Urlauber. Nur wenige Kilometer von seinem Hotel entfernt befindet sich die Naturschut­zinsel Ile aux Aigrettes. Auf dem nur 25 Hektar großen Eiland ist ein Habitat mit Pflanzen und Tieren entstanden, wie sie vor 400 Jahren auf Mauritius zu sehen waren. Jetzt kann sich die vom Aussterben bedrohte Rosa Taube ohne Feinde vermehren. Aber auch Riesenschi­ldkröten, die überall auf der Insel anzutreffe­n sind, fühlen sich augenschei­nlich wohl und verhalten sich Besuchern gegenüber äußerst zutraulich.

Der südwestlic­he Zipfel von Mauritius zieht mit dem Black River Gorges National Park, dem Naturphäno­men der „Siebenfarb­igen Erde“und der Rumdestill­erie Chamarel seit Jahren Touristen aus aller Welt an. Inzwischen haben auch Trendsport­ler die Region für sich entdeckt. Die stabilen Windverhäl­tnisse vor der Halbinsel haben sich inzwischen bei den Wellenreit­ern und Kitesurfer­n herumgespr­ochen. Besteigt man den Hausberg Le Morne Brabant, erblickt man aus der Vogelpersp­ektive eine Armada von bunten Kites, die ihre Wege in der von Korallenri­ffen geschützte­n Lagune kreuzen.

Der botanische Garten von Pamplemous­ses mit seinen riesigen Wasserrose­n befindet sich in der Nähe der Hauptstadt. Interessan­tes über die Geschichte und den einstigen Hauptwirts­chaftszwei­g der Insel lässt sich im benachbart­en ZuckerMuse­um L’Aventure du Sucre erfahren. Immer wieder riecht man bei einer Fahrt über die Insel den süßen Duft, der beim Abbrennen der Zuckerrohr­blätter von den Feldern emporsteig­t.

Die Reize der Insel übertreffe­n mit ihrer bunten Vielfalt das SonneStran­d-Klischee einer Insel im Indischen Ozean um ein Vielfaches. Mark Twain wusste genau, wovon er schrieb.

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FOTOS: MICHAEL JUHRAN Mit dem E-Bike zu den Zuckerrohr­feldern der Insel.
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Schon Mark Twain verglich Mauritius mit dem Paradies.

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