Schwäbische Zeitung (Laupheim)
May ebnet Weg für späteren Brexit
Britische Premierministerin vollzieht Kehrtwende – EU zeigt sich offen für Verschiebung
LONDON (dpa/AFP) - Gut einen Monat vor dem geplanten Brexit-Tag werden die politischen Lager in London nervös. Es könnte zu einer Verschiebung des EU-Austritts Großbritanniens kommen. Regierungschefin Theresa May vollzog am Dienstag eine Wende und möchte das Parlament nun doch über eine Verschiebung abstimmen lassen. Sie will den Abgeordneten die Wahl zwischen einem ungeregelten Brexit, dem sogenannten No Deal, oder einer „kurzen Verlängerung“der Austrittsfrist anbieten, sollte sie bis zum 12. März mit ihrem Abkommen erneut scheitern.
Wie lange genau der EU-Austritt verschoben werden könnte, ließ May offen. Sie machte klar, dass eine Verlängerung über Juni hinaus unwahrscheinlich sei, da die Briten ansonsten Ende Mai an der Europawahl teilnehmen müssten. „Mit einer Verlängerung ist der No Deal nicht vom Tisch“, sagte sie am Dienstag bei ihrer Erklärung im Unterhaus. Die Abstimmungen über einen „No Deal“Brexit und eine Verschiebung des EU-Austritts sollen nun spätestens am 13. und 14. März stattfinden.
Der Premierministerin, die sich zuvor unnachgiebig gezeigt hatte, blieb wohl keine andere Wahl, da sie sich mit einer Rebellion in ihrer Regierung und ihrer konservativen Partei konfrontiert sah. Dutzende Abgeordnete und einige Staatssekretäre hatten gedroht, May die Kontrolle über das Brexit-Verfahren zu entreißen, um den „No Deal“-Brexit am 29. März zu verhindern. Sie wollten bei der heute anstehenden Abstimmung über die weiteren Schritte gegen die Regierung stimmen.
Oppositionschef Jeremy Corbyn warf May vor, nur Zeit schinden zu wollen. Ihr Verhalten sei „auf groteske Weise rücksichtslos“, erklärte der Labour-Vorsitzende am Dienstag. Auch er hatte am Vorabend den Kurs gewechselt und überraschend angekündigt, seine Partei stelle sich hinter die Forderung nach einem zweiten Referendum, sollte die Regierung nicht auf die Labour-Linie einer engen Bindung an die Europäische Union umschwenken.
EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis signalisierte am Dienstag in Brüssel noch einmal Offenheit dafür, den Brexit zu verschieben, „um eine Einigung oder nötige Klarstellungen zum Abkommen zu erzielen“.