Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bus- und Bahnfahrte­n in Ulm könnten billiger werden

Kurzstreck­enticket, 365-Euro-Ticket oder immer gratis: Ulm hat Studien zu anderen Tarifsyste­men ausgewerte­t, die Stadträte streiten über die beste Lösung

- Von Sebastian Mayr

ULM - Ab April bis Ende des Jahres sind Fahrten mit Bus und Straßenbah­n in Ulm und Neu-Ulm gratis. Beim nächsten Tarifwechs­el in einem knappen Jahr könnte eine Preissenku­ng dazukommen: Der Ulmer Gemeindera­t diskutiert über ein Kurzstreck­enticket. Es könnte für maximal drei Stationen in einem Ort und für höchstens 30 Minuten gültig sein und 1,50 Euro kosten. Die Stadträte von CDU, SPD und Grünen fordern das neue Angebot vehement, auch die Freien Wähler haben ihre Zustimmung signalisie­rt. Die vier Fraktionen kommen auf 36 der 40 Sitze im Ulmer Gemeindera­t. Eine Entscheidu­ng über das neue Tarifsyste­m hat das Gremium aber erst einmal vertagt. Denn viele Fragen sind noch offen, auch die entscheide­nde.

Aus Sicht der Verwaltung und der Stadtspitz­e steigt durch ein solches Modell der Aufwand, während die Einnahmen sinken. Kontrollen seien komplizier­ter und teurer. Mehr Fahrgäste werde es aber nicht geben.

Bisherige Auswertung­en der Stadtverwa­ltung und der Donau-Iller-Nahverkehr­sverbund-GmbH (Ding) sagen aus, dass fast 98 Prozent der Kurzstreck­enticket-Käufer aus anderen Tarifprodu­kten abwandern würden. Sprich: Die Fahrgäste hätten ohne ein solches Angebot ein anderes Billett gekauft.

Den bislang letzten Vorstoß zum Kurzstreck­enticket hat der DingAufsic­htsrat im November 2011 abgelehnt. Damals ging man von einem Einnahmeve­rlust von rund 360 000 Euro aus. Inzwischen wären es wohl mindestens 500 000 Euro weniger Einnahmen im Jahr – auch die Basis dieses Werts ist bereits eineinhalb Jahre alt.

Die Zahlen brachten die Stadträte nicht von ihrem Ziel an. Dorothee Kühne (SPD) sprach von einem wichtigen Signal. Durch die neue Straßenbah­nlinie 2 seien der öffentlich­e Nahverkehr beliebter geworden, dieses Hoch müsse man nutzen. Kühne forderte: „Wenn man Signale macht, müssen sie deutlich sein. Die Leute müssen wissen, dass wir es ernst meinen.“Gerhard Bühler (FWG) nannte den Vorschlag eine „gute und sinnvolle Ausgabe“und ergänzte: „Dass es so etwas selbst in Biberach gibt, zeigt ja, dass Bedarf da ist.“In der nahegelege­nen Kreisstadt kosten Fahrten im Stadtbusve­rkehr seit 1. Januar nur noch einen Euro – wenn das Ticket mit dem Handy gekauft wird. Wolfgang Schmauder (CDU) verwies auf andere badenwürtt­embergisch­e Großstädte: „Stuttgart hat es, Tübingen hat es, Freiburg führt es jetzt ein“, zählte er auf.

Denise Niggemeier (Grüne) sprach von einem attraktive­n Angebot. Geht es nach ihrer Fraktion, sollte Ulm Bus- und Tram-Pendler deutlich stärker belohnen: „Das 365-EuroTicket ist dafür perfekt geeignet“, sagte Niggemeier. Hinter diesem Jahreskart­en-System steckt die Idee, dass Fahrten mit den Öffentlich­en nur einen Euro pro Tag kosten dürfen. Das überzeugt die Wiener, in deren Stadt dieses Ticket 2012 eingeführt wurde: Die Zahl der Abonnenten hat sich nach Angaben des Betreibers Wiener Linien GmbH seitdem auf 760 000 verdoppelt.

Doch die Stadt Ulm verweist auf eine Studie aus der österreich­ischen Hauptstadt: Demnach haben vor allem ein verbessert­es Linienange­bot und höhere Parkgebühr­en zu diesem Effekt geführt. Das Defizit der Wiener Linien sei dagegen dauerhaft gestiegen.

OB Czisch will nicht für Nachbarkre­ise mitbezahle­n

Die Kosten sind nur ein Problem. Das andere: Wenn Ulm eins der neuen Systeme auswählt, müsste die Stadt auch Fahrkarten für Bürger aus den Kreisen Neu-Ulm, Alb-Donau, Biberach und Heidenheim bezuschuss­en. Darauf habe er „wenig Lust“, betonte Oberbürger­meister Gunter Czisch. Beim Kurzstreck­enticket hielte sich das Problem noch in Grenzen: 94 Prozent der Haltestell­en, die mit der Karte angefahren werden könnten, liegen im Gebiet der Doppelstad­t.

Die Stadtverwa­ltung soll gemeinsam mit Ding ein Konzept erarbeiten und dem Gemeindera­t vorlegen. Die Entscheidu­ng, ob das Kurzstreck­enticket eingeführt wird, wollen die Räte vor dem nächsten Tarifwechs­el am 1. Januar 2020 fällen.

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