Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bus- und Bahnfahrten in Ulm könnten billiger werden
Kurzstreckenticket, 365-Euro-Ticket oder immer gratis: Ulm hat Studien zu anderen Tarifsystemen ausgewertet, die Stadträte streiten über die beste Lösung
ULM - Ab April bis Ende des Jahres sind Fahrten mit Bus und Straßenbahn in Ulm und Neu-Ulm gratis. Beim nächsten Tarifwechsel in einem knappen Jahr könnte eine Preissenkung dazukommen: Der Ulmer Gemeinderat diskutiert über ein Kurzstreckenticket. Es könnte für maximal drei Stationen in einem Ort und für höchstens 30 Minuten gültig sein und 1,50 Euro kosten. Die Stadträte von CDU, SPD und Grünen fordern das neue Angebot vehement, auch die Freien Wähler haben ihre Zustimmung signalisiert. Die vier Fraktionen kommen auf 36 der 40 Sitze im Ulmer Gemeinderat. Eine Entscheidung über das neue Tarifsystem hat das Gremium aber erst einmal vertagt. Denn viele Fragen sind noch offen, auch die entscheidende.
Aus Sicht der Verwaltung und der Stadtspitze steigt durch ein solches Modell der Aufwand, während die Einnahmen sinken. Kontrollen seien komplizierter und teurer. Mehr Fahrgäste werde es aber nicht geben.
Bisherige Auswertungen der Stadtverwaltung und der Donau-Iller-Nahverkehrsverbund-GmbH (Ding) sagen aus, dass fast 98 Prozent der Kurzstreckenticket-Käufer aus anderen Tarifprodukten abwandern würden. Sprich: Die Fahrgäste hätten ohne ein solches Angebot ein anderes Billett gekauft.
Den bislang letzten Vorstoß zum Kurzstreckenticket hat der DingAufsichtsrat im November 2011 abgelehnt. Damals ging man von einem Einnahmeverlust von rund 360 000 Euro aus. Inzwischen wären es wohl mindestens 500 000 Euro weniger Einnahmen im Jahr – auch die Basis dieses Werts ist bereits eineinhalb Jahre alt.
Die Zahlen brachten die Stadträte nicht von ihrem Ziel an. Dorothee Kühne (SPD) sprach von einem wichtigen Signal. Durch die neue Straßenbahnlinie 2 seien der öffentliche Nahverkehr beliebter geworden, dieses Hoch müsse man nutzen. Kühne forderte: „Wenn man Signale macht, müssen sie deutlich sein. Die Leute müssen wissen, dass wir es ernst meinen.“Gerhard Bühler (FWG) nannte den Vorschlag eine „gute und sinnvolle Ausgabe“und ergänzte: „Dass es so etwas selbst in Biberach gibt, zeigt ja, dass Bedarf da ist.“In der nahegelegenen Kreisstadt kosten Fahrten im Stadtbusverkehr seit 1. Januar nur noch einen Euro – wenn das Ticket mit dem Handy gekauft wird. Wolfgang Schmauder (CDU) verwies auf andere badenwürttembergische Großstädte: „Stuttgart hat es, Tübingen hat es, Freiburg führt es jetzt ein“, zählte er auf.
Denise Niggemeier (Grüne) sprach von einem attraktiven Angebot. Geht es nach ihrer Fraktion, sollte Ulm Bus- und Tram-Pendler deutlich stärker belohnen: „Das 365-EuroTicket ist dafür perfekt geeignet“, sagte Niggemeier. Hinter diesem Jahreskarten-System steckt die Idee, dass Fahrten mit den Öffentlichen nur einen Euro pro Tag kosten dürfen. Das überzeugt die Wiener, in deren Stadt dieses Ticket 2012 eingeführt wurde: Die Zahl der Abonnenten hat sich nach Angaben des Betreibers Wiener Linien GmbH seitdem auf 760 000 verdoppelt.
Doch die Stadt Ulm verweist auf eine Studie aus der österreichischen Hauptstadt: Demnach haben vor allem ein verbessertes Linienangebot und höhere Parkgebühren zu diesem Effekt geführt. Das Defizit der Wiener Linien sei dagegen dauerhaft gestiegen.
OB Czisch will nicht für Nachbarkreise mitbezahlen
Die Kosten sind nur ein Problem. Das andere: Wenn Ulm eins der neuen Systeme auswählt, müsste die Stadt auch Fahrkarten für Bürger aus den Kreisen Neu-Ulm, Alb-Donau, Biberach und Heidenheim bezuschussen. Darauf habe er „wenig Lust“, betonte Oberbürgermeister Gunter Czisch. Beim Kurzstreckenticket hielte sich das Problem noch in Grenzen: 94 Prozent der Haltestellen, die mit der Karte angefahren werden könnten, liegen im Gebiet der Doppelstadt.
Die Stadtverwaltung soll gemeinsam mit Ding ein Konzept erarbeiten und dem Gemeinderat vorlegen. Die Entscheidung, ob das Kurzstreckenticket eingeführt wird, wollen die Räte vor dem nächsten Tarifwechsel am 1. Januar 2020 fällen.