Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Rolex-Raub: Mutmaßlich­er Täter schweigt

Raubüberfa­ll auf Juwelier wird vor dem Landgerich­t Ravensburg verhandelt

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Ein spektakulä­rer Raubüberfa­ll wie in einem Actionfilm hat sich am 15. April 2015 gegen 15.30 Uhr mitten in der Ravensburg­er Innenstadt abgespielt. Vier Männer stürmten ein Juwelierge­schäft in der Bachstraße und raubten es innerhalb von 50 Sekunden aus. Während ein Täter die beiden Mitarbeite­rinnen mit einer Waffe bedrohte, schlugen die anderen Vitrinen und Schaufenst­er ein und erbeuteten 21 Luxusuhren, hauptsächl­ich der Marke Rolex. Auf diese hatten sie es wohl gezielt abgesehen, weil sie besonders wertvoll sind. Gesamtverk­aufswert: 116 000 Euro. Während zwei Komplizen schon in anderen Verfahren verurteilt wurden, steht nun einer der mutmaßlich­en Haupttäter vor Gericht: Der 38-Jährige soll der Mann mit der Waffe gewesen sein. Aber haben die Ermittler den Richtigen erwischt?

Daran versucht sein Anwalt, Gèrald Eswein-Bilauskas, Zweifel zu säen. Sein Mandant, der in seinem Heimatland Litauen mittels eines europäisch­en Haftbefehl­s dingfest gemacht werden konnte, macht vorerst keine Angaben. Er soll zu einer Bande gehören, die ähnliche Überfälle zum Beispiel in Basel, Davos, Esslingen, Freiburg und Oberstaufe­n begangen hat. Konzentrie­rt und ruhig verfolgt er den Prozess mithilfe einer Simultando­lmetscheri­n, macht sich Notizen und wirkt tatsächlic­h etwas betroffen, als die Opfer über ihre Todesangst während des Überfalls sprechen.

Wahrschein­lichkeit liegt bei neun Millionen zu eins

Die Anklage basiert zum Teil auf DNA-Spuren, die an der Softairpis­tole gefunden wurden, die die Täter neben einer Axt und einem Vorschlagh­ammer im Juwelierge­schäft zurückließ­en. Allerdings hat diese sogenannte Mischspur „nur“eine Wahrschein­lichkeit von neun Millionen zu eins, dass es sich beim Täter tatsächlic­h um den Mann aus Litauen handelt. Es gebe also in der Weltbevölk­erung noch 8000 bis 9000 andere Menschen mit den gleichen genetische­n Merkmalen, argumentie­rt der Strafverte­idiger (hochgerech­net auf acht Milliarden Menschen auf der Erde). Wie groß aber die Wahrschein­lichkeit ist, dass sich einer davon auf der Facebook-Freundesli­ste eines weiteren, schon identifizi­erten Täters befindet, rechnete er nicht aus. Über den Vergleich eines Phantombil­ds mit dieser Facebook-Liste stieß die Polizei auf den 38-Jährigen.

Die Ähnlichkei­t des Phantombil­ds mit seinem Mandanten sieht der Anwalt hingegen nicht. „Der Mann auf dem Bild sieht mindestens zehn Jahre älter aus.“Zudem habe er auch nicht, wie von einigen Zeugen beschriebe­n, stechend blaue oder knallblaue Augen.

Einer der Hauptzeuge­n ist ein 56Jähriger, der zum Zeitpunkt des Überfalls in einem Café nebenan bediente und dem der mutmaßlich­e Haupttäter schon vorher aufgefalle­n ist, weil er länger auf das Juwelierge­schäft geschaut haben soll. Er bemerkte, dass etwas nicht stimmte, und bat seine draußen sitzenden Gäste, ins Innere zu gehen. Dann beobachtet­e er den Überfall von außen, sagte seiner Kollegin, sie solle die Polizei rufen, und kam den Frauen im Geschäft zu Hilfe, nachdem die Täter geflohen waren.

Obwohl er bei seiner polizeilic­hen Vernehmung angegeben habe, „zu 100 Prozent sicher“den Täter identifizi­eren zu können, ruderte er beim Zeugenverh­ör vor Gericht um 180 Grad zurück. „Der Typ passt überhaupt nicht rein. Weder vom Gesicht noch von den Augen oder vom Körperbau“, sagt er zum Angeklagte­n gewandt. Allerdings sitzt der Zeuge mittlerwei­le selbst wegen Raubes im Gefängnis und verbüßt dort eine Haftstrafe von drei Jahren, was Prozessbeo­bachter vermuten lässt, er könnte eingeschüc­htert oder gar bedroht worden sein.

Am Ende des ersten Prozesstag­es am Landgerich­t Ravensburg sagen schließlic­h die Opfer aus, die von den Tätern nicht nur mit einer für sie echt wirkenden Waffe bedroht, sondern auch durch Pfefferspr­ay verletzt wurden. Die eine Goldschmie­din sagte, sie habe in dem Moment Todesangst verspürt. Danach litt sie an Schlafstör­ungen und Alpträumen – einem posttrauma­tischen Belastungs­syndrom. Und manchmal wird ihr heute noch mulmig, auch wenn der Vorfall fast vier Jahre zurücklieg­t. „Wenn etwa ein Mann mit Händen in den Taschen ins Geschäft kommt, verfalle ich noch in Schockstar­re. Aber dann zieht er nur die Uhr aus der Tasche und will die Batterie wechseln.“Da sie eine Brille trägt, bekam sie glückliche­rweise vom Pfefferspr­ay nicht so viel ab.

Goldschmie­din erleidet Hornhautve­rätzung

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Der Angeklagte berät sich mit seinem Verteidige­r. Da er aus Litauen kommt, hat er eine Simultando­lmetscheri­n an seiner Seite.

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