Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Streit um Polizeidaten
Strasser kritisiert Nutzung von Amazon-Servern
STUTTGART (kab) - Kritik am Bund zum Umgang mit Bodycam-Videos: Die Bundespolizei speichert ihre Aufnahmen von Einsätzen auf Servern des amerikanischen InternetGiganten Amazon. Die Daten sind verschlüsselt, die Server stehen in Deutschland, betont das Bundesinnenministerium auf Anfrage des FDP-Innenexperten Benjamin Strasser. Deshalb seien die Daten sicher. Strasser lässt das nicht gelten. Denn ein US-Gesetz erlaubt den eigenen Sicherheitsbehörden Zugriff auf Daten von US-Firmen – selbst wenn die Server im Ausland stehen.
Baden-Württemberg und Bayern gehen einen anderen Weg. Wenn die Polizisten der Länder mit ihren Körperkameras Videos aufnehmen, werden diese auf lokalen Servern der Polizeidienststellen gespeichert. „Ein Zugriff auf die Daten von außerhalb des Polizeinetzes ist nicht möglich“, sagt ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU).
STUTTGART - Die Bundespolizei filmt – und US-Sicherheitsbehörden haben Zugriff auf das Material? Im Zweifel ja. Ein amerikanisches Gesetz macht das möglich, obwohl dieses im Widerspruch zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU steht. Die Länder gehen einen anderen Weg: In Baden-Württemberg und Bayern bleiben die Bodycam-Videos vor dem Zugriff aus dem Ausland geschützt.
Brisante Einsätze zeichnen Bundespolizisten mit am Körper getragenen Kameras, den sogenannten Bodycams, auf. Diese Videos landen dann auf Servern des US-Konzerns Amazon. Das hat das Bundespolizeipräsidium der „Neuen Osnabrücker Zeitung“bestätigt. Denn, so die Erklärung: Eine eigene IT-Infrastruktur dafür gebe es nicht in Deutschland. Zudem sei die Cloud-Lösung von Amazon die einzige, die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert sei.
FDP fordert eigene Server
Der FDP-Innenexperte im Bundestag, Benjamin Strasser aus Weingarten, sieht dies äußerst kritisch. Denn: „Die USA haben Zugriff auf die Daten“, sagt er und verweist auf den sogenannten Cloud Act (siehe Kasten), der seit einem knappen Jahr in Kraft ist. Er ermöglicht US-Sicherheitsbehörden den Zugriff auf personenbezogene Daten von US-Firmen – selbst wenn diese Daten im Ausland und nicht in den USA gespeichert sind. Strasser hat beim Bundesinnenministerium nachgehakt. In der Antwort, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, heißt es: „Die Daten werden verschlüsselt und ausschließlich auf Servern in Deutschland gespeichert.“Für Strasser ist dies wegen des Cloud Acts keine Beruhigung. „Den Vorwurf, dass die Bundesregierung die IT-Sicherheit verschläft, erheben wir schon seit Langem“, sagt Strasser. Er fordert dringend vom Bund, eine eigene Sicherheitsinfrastruktur zu schaffen.
Sehr beunruhigt äußerte sich der Grünen-Innenexperte im badenwürttembergischen Landtag, HansUlrich Sckerl. „Dass ausgerechnet dieses Unternehmen die BodycamAufnahmen der Bundespolizei verwalten soll, gibt Anlass zur Besorgnis.“Er kritisiert Amazon unter anderem dafür, dass die Firma Gesichtserkennungs-Software an USBehörden verkaufe. Diese könnte im Zusammenhang mit Aufnahmen von Bodycams genutzt werden, so Sckerl. Seine Befürchtung, dass auch Aufnahmen der baden-württembergischen Landespolizei auf AmazonServern landen, entkräftet das Innenministerium von Thomas Strobl (CDU) auf Anfrage.
Keine Verbindung zum Internet
Baden-Württemberg geht einen anderen Weg als der Bund. „Eine Speicherung der Daten auf Servern von Amazon oder in Cloud-Diensten anderer Anbieter erfolgt nicht“, erklärt ein Ministeriumssprecher. Die Videos landeten auf Servern der jeweiligen Polizeidienststelle, die von der landeseigenen Behörde BitBW betrieben würden. Eine Verbindung zum Internet gebe es nicht, ein Zugriff von außen sei somit gar nicht möglich.
Dies war dem Landesbeauftragten für Datenschutz, Stefan Brink, wichtig. „Für uns war es eine Grundvoraussetzung, dass die DSGVO beachtet wird und dass kein externes Unternehmen als Cloud-Dienstleister beauftragt wird“, sagt er. „Deshalb haben wir darauf gedrungen, dass die Daten den Sicherheitsbereich der Polizei nicht verlassen.“Dem sei das Innenministerium gefolgt. Derzeit werden die Bodycams flächendeckend in Baden-Württemberg an die Polizeireviere verteilt. Das Polizeipräsidium Stuttgart sei bereits versorgt, nach und nach kämen die anderen Präsidien dran.
Auch Bayern scheint sich für die lokale Speicherung entschieden zu haben. Ein Sprecher von Innenminister Joachim Herrmann gibt sich zwar wortkarg. Der Minister werde voraussichtlich am Montag den bayernweiten Einsatz von Bodycams einläuten und erst dann alle Details dazu erklären. Ein Sprecher des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz zieht jedoch Parallelen zum Nachbarbundesland. „Nach unserem Kenntnisstand finden die Speicherungen nur in polizeieigenen Systemen statt, nicht bei Amazon oder ähnlichen Dienstleistern“, sagt der Sprecher.