Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die nächsten Tage entscheiden über Venezuelas Zukunft
Er kam wie versprochen: durch den Haupteingang. Nicht über die grüne Grenze, heimlich und versteckt. Juan Guaidó nahm am Montag den Linienflug von Copa-Airlines aus Panama und landete mittags am Flughafen von Caracas wie „ein ganz normaler freier Bürger“. Dort wurde er weder festgenommen, noch an der Einreise gehindert. Der Oppositionschef, der sich seit dem 23. Januar als beauftragter Präsident Venezuelas bezeichnet, hat diese Runde im Ringen um die Macht gegen Nicolás Maduro gewonnen.
Maduro, sonst um kein Wort und keine Eskalation verlegen, blieb vorerst still. Er sah zu, wie Guaidó von Tausenden Anhängern bei seiner Rückkehr nach Caracas gefeiert wurde, wie er zu neuen Demonstrationen gegen die chavistische Regierung aufrief und so immer weiter am Thron Maduros im Miraflores-Palast rüttelt. Aber wie lange wird der Autokrat zusehen, wie der Herausforderer seine Macht schwächen will? War der Montag sogar der Auftakt zum verbalen und tatsächlichen Abrüsten? Gibt es gar eine Chance auf Verhandlungen und einen politischen Ausweg aus der Krise, deren einzige Lösung bisher eine gewaltsame zu sein scheint? Die kommenden Tage werden viele dieser Fragen beantworten.
Im Moment haben sich die Parteien in einem Stellungskampf vergraben, aus dem keiner als schneller Sieger hervorgeht. Guaidó ist mit seinem Vorhaben krachend gescheitert, über den Hilfsgütertransport auch die Regierung zu stürzen. Kein Lebensmittel und kein Medikament haben es bisher ins Land geschafft. Und Maduros Macht scheint gefestigter, als viele das vermutet haben.
Ein idealer Moment
Es könnte der ideale Moment dafür sein, über eine Annäherung zu verhandeln, zumal die lateinamerikanischen Verbündeten von Guaidó keinen Zweifel daran lassen, dass sie eine Militärintervention der USA in Venezuela ablehnen. Inzwischen sucht selbst Luis Almagro, Chef der Organisation Amerikanischer Staaten und ein verbissener Gegner Maduros, nach einem Mittelweg. Dieser könnte darin bestehen, dass sich Maduro auf vorgezogene Wahlen einlässt und an ihnen teilnehmen darf.
Doch dafür müssten beide Seiten von ihren radikalen Forderungen herunter. Die Opposition will aber von ihren Bedingungen – Ende der „Usurpation“der Macht durch Maduro, Übergangsregierung und freie Wahlen – nicht ablassen. Auch aus den USA heißt es nach wie vor: Keine politische Lösung ohne eine vorherige Ablösung Maduros. Aber eine Verhandlungslösung geht nicht über eine vorherige völlige Entmachtung der Regierung. An einer möglichen Übergangsregierung müssten die Vertreter Maduros beteiligt werden.
Ob es Spielraum für eine Lösung gibt, wird sich schnell zeigen. Sollte Maduro Guaidó festnehmen lassen, weil er trotz eines Ausreiseverbots das Land verlassen hat, stünden die Zeichen weiter auf Eskalation. Die Venezolaner würden noch wütender protestieren, und die USA könnten sich tatsächlich zu einer militärischen Aktion hinreißen lassen und den Machthaber mit Gewalt stürzen.
Lässt der Staatschef Guaidó gewähren, schwindet seine Macht weiter. Und die Zeit spielt gegen Maduro. Die jüngsten Sanktionen werden bald Wirkung zeigen. Dann fehlt Maduro das Geld, seine Eliten und Spitzenmilitärs zu bezahlen.