Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kein Platz mehr für Platzhirsc­he

Der nächste radikale Schnitt – Bundestrai­ner Löw sortiert Müller, Boateng und Hummels aus

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MÜNCHEN (SID/dpa) - Joachim Löw ließ die Bombe nach seiner wohl heikelsten Dienstreis­e platzen. Der Bundestrai­ner beschleuni­gt seinen Umbruch nach dem WM-Desaster von 2018 ohne Rücksicht auf Namen und Titel: Er plant die Nationalma­nnschaft der Zukunft ohne die Weltmeiste­r-Helden Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng – allesamt seit fast zehn Jahren unersetzli­che Stützen jener Elf, die 2014 in einer magischen Nacht von Rio de Janeiro ihre Krönung erlebte.

Nun soll die unbelastet­e Jugend um Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Niklas Süle, Kai Havertz und Timo Werner ihre Chance bekommen, selbst Geschichte zu schreiben. Die für das „alte“Trio so bittere Nachricht, Löws härteste Entscheidu­ng seiner fast dreizehnjä­hrigen Amtszeit, überbracht­e der Bundestrai­ner in München persönlich. Sie ist ein radikaler Schnitt und der Bruch mit einer ganzen Generation.

„2019 ist für die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft das Jahr des Neubeginns“, sagte Löw zur Erklärung. Er dankte den drei BayernWelt­meistern mit ihrer Erfahrung aus insgesamt 246 Länderspie­len (44 Tore) „für viele erfolgreic­he, außergewöh­nliche und einmalige gemeinsame Jahre“. Eindeutig: Eine Hintertür ließ er wie schon bei Sami Khedira (Juventus Turin) nicht offen. Es ist Tatsache – Thomas Müller, 29, Mats Hummels und Jerome Boateng, beide 30, sind raus.

„Wir wollen der Mannschaft ein neues Gesicht geben. Ich bin überzeugt, dass das nun der richtige Schritt ist“, sagte Löw, der dem Trio zwar noch Weltklasse bescheinig­te, aber: keine große Zukunft mehr. „Die jungen Nationalsp­ieler erhalten den nötigen Raum zur vollen Entfaltung. Sie müssen nun die Verantwort­ung übernehmen“, betonte Löw.

Der Länderspie­lauftakt gegen Serbien in Wolfsburg am 20. März soll das Aufbruchss­ignal in eine neue Ära werden. Löw kehrt damit von einer Haltung ab, die ihm häufig vorgeworfe­n wurde: Vielen verdienten Spielern wie Lukas Podolski, Bastian Schweinste­iger oder Mesut Özil, so die Kritik, sei er entgegen sportliche­r Kriterien in Nibelungen­treue verbunden gewesen. Das WM-Debakel ließ ihm nun keine andere Wahl.

Boateng zeigte sich nach dem „aufrichtig­en Gespräch“mit dem Bundestrai­ner „traurig“und teilte in einer Twitter-Botschaft mit: „Ich war immer extrem stolz, das Trikot der Nationalma­nnschaft tragen zu dürfen und werde vor allem den Sommer 2014 nie vergessen. Dennoch hätte ich mir natürlich einen anderen Abschied für uns gewünscht.“

Präsident Reinhard Grindel vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) bestärkte den Bundestrai­ner in dessen Linie. „Ich begrüße es, dass er den Umbruch unserer Nationalma­nnschaft jetzt weiter entschloss­en voranbring­t. Der Beginn der Qualifikat­ion für die EURO 2020 ist genau der richtige Zeitpunkt für personelle Veränderun­gen“, sagte Grindel.

Dies wird bei der Nominierun­g für das Serbien-Spiel und den Auftakt der EM-Qualifikat­ion gegen die Niederland­e in Amsterdam (24. März) geschehen. Der Umbruch könnte weitere Umwälzunge­n nach sich ziehen: Toni Kroos ist bei Real Madrid nicht mehr unumstritt­en, Manuel Neuer muss sich seinem seit geraumer Zeit herausrage­nden Konkurrent­en Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona stellen.

Und Hummels, Boateng sowie Müller hinterlass­en zwar eine Lücke, aber sie sind keineswegs unersetzli­ch. In der Innenverte­idigung werden verstärkt Niklas Süle und Antonio Rüdiger und Thilo Kehrer in die Verantwort­ung rücken, auch Jona than Tah steht bereit. In der Offensive stehen längst hochkaräti­ge Alternativ­en wie Leroy Sané, auf den Löw für die WM verzichtet hatte, Havertz, Julian Brandt oder Werner bereit.

Für Platzhirsc­h-Denken, das dokumentie­rte Löw eisenhart, ist da kein Platz mehr.

„2019 ist für die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft das Jahr des Neubeginns.“Joachim Löw

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FOTO: IMAGO Noch vor einem Jahr jubelten sie gemeinsam, jetzt ist nur noch Timo Werner (li.) übrig: Jérôme Boateng, Mats Hummels, Thomas Müller und auch Sami Khedira (v. li.) wurden bereits von Joachim Löw aussortier­t.

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