Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Studie sieht Defizite bei der Krebs-Früherkenn­ung

Versichert­e werden einem neuen AOK-Report zufolge noch zu wenig über Nutzen und Nachteile aufgeklärt

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BERLIN (AFP/hz) - Bei der Aufklärung über die Krebsfrühe­rkennung gibt es nach wie vor Defizite. Versichert­e werden zu wenig über Nutzen und Risiken der Untersuchu­ng auf Gebärmutte­rhalskrebs oder die Darmkrebsv­orsorge informiert, wie der am Montag veröffentl­ichte sogenannte Versorgung­sreport des Wissenscha­ftlichen Instituts der Krankenkas­se AOK (Wido) zeigt. Viele Menschen machen sich im Internet dazu schlau. Experten sehen aber auch die Ärzte in einer besonderen Verantwort­ung.

„Ärzte dürfen Fragen oder Bedenken ihrer Patienten, zum Beispiel zu möglichen Fehlalarme­n durch falsche Befunde, nicht einfach wegwischen“, forderte der Mitherausg­eber der Studie, Norbert Schmacke von der Universitä­t Bremen. Er sagt, es müsse darum gehen, die Versichert­en zu einer eigenen Entscheidu­ng zu befähigen, die auf Wissen beruhe – und nicht auf moralische­n Appellen oder Überreden.

Die Mediziner finden, dass sie ausgewogen informiere­n: Die niedergela­ssenen Ärzte klärten „verantwort­ungsvoll sowohl über die Vorals auch die Nachteile auf“, sagt Roland Stahl Pressespre­cher der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung.

Wie eine Umfrage unter mehr als 2000 gesetzlich Versichert­en zeigt, wurden nur etwa 55 Prozent der Frauen nach eigenen Angaben über die Vorteile der Früherkenn­ung von Gebärmutte­rhalskrebs informiert. Lediglich 25 Prozent erhielten Informatio­nen über mögliche Nachteile der Untersuchu­ng.

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der Darmkrebsv­orsorge: Informatio­nen über die Nachteile der Darmspiege­lung (36 Prozent) waren wesentlich seltener als die Aufklärung über den Nutzen der Untersuchu­ng (75 Prozent). Nur bei der Brustkrebs­früherkenn­ung war es ausgewogen­er. Jeweils etwa die Hälfte der Frauen berichtete, über Nutzen und Nachteile aufgeklärt worden zu sein.

Zweifel an Mammografi­e

Neben Defiziten bei der Aufklärung zeigt der AOK-Report aber „insgesamt recht hohe Teilnahmer­raten“bei den Früherkenn­ungsunters­uchungen. So nahmen 78 Prozent der Versichert­en über 60 Jahre zwischen 2007 und 2016 entweder den Stuhltest, die Darmspiege­lung oder die Beratung zur Darmkrebsf­rüherkennu­ng in Anspruch. An der Früherkenn­ung von Gebärmutte­rhalskrebs nahmen im gleichen Zeitraum 85 Prozent der Frauen zwischen 30 und 49 Jahren regelmäßig teil. 15 Prozent ließen die Untersuchu­ng dagegen nur selten vornehmen.

Bei der Mammografi­e, also der Brustkrebs­vorsorge, ist die grundsätzl­iche Ablehnung höher. Zwar stieg in den Zeiträumen von 2007 bis 2009 und 2014 bis 2016 der Anteil der Frauen, die freiwillig zur Mammografi­e gingen, um fünf Prozentpun­kte auf 61 Prozent. Mehr als jede fünfte anspruchsb­erechtigte Frau (22 Prozent) zwischen 50 und 69 Jahren nahm aber gar nicht daran teil. Dies werten die Experten als Hinweis, dass die Informatio­nen zum Mammografi­escreening „zu einer bewusstere­n Auseinande­rsetzung und Entscheidu­ng der Frauen führen“. Über das Screening wird seit Jahren diskutiert. Nach Ansicht von Kritikern wird der Nutzen der Mammografi­e überschätz­t, während Frauen nach einer sogenannte­n Überdiagno­se manchmal unnötigerw­eise operiert werden oder eine Strahlenbe­handlung bekommen. Andere Experten halten entgegen, dass durch die Früherkenn­ung die Brustkrebs­sterblichk­eit deutlich gesenkt wird. Studien zufolge werden von 1000 Frauen, die zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr regelmäßig am Brustkrebs­screening teilnehmen, etwa zwei bis sechs vor dem Tod durch diese Krebsart bewahrt – während etwa neun bis zwölf Frauen wegen eines entdeckten Tumors operiert oder bestrahlt werden, der ihr Leben ohne Screening nicht beeinträch­tigt hätte.

Die AOK-Befragung zeigt zudem, dass das Internet in Sachen Informatio­n die Ärzte überholt hat. Dass sie sich vor allem per Internet über das Thema Früherkenn­ung informiere­n, gaben 51 Prozent der Frauen und 47 Prozent der Männer an. Der Hausarzt liegt als Informatio­nsquelle dagegen mit 40 Prozent der befragten Frauen und 50 Prozent der Männer insgesamt bereits dahinter.

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