Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Lange Haft für Pell
Für sechs Jahre muss der australische Kardinal George Pell in Haft: Mit diesem Strafmaß, das das Bezirksgericht von Victoria in Melbourne am Mittwoch verkündet hat, haben die strafrechtlichen Konsequenzen des weltweiten Missbrauchsskandal den Vatikan erreicht. Pell, die „Nummer 3“in der katholischen Kirche und früherer Finanzminister des Vatikan, ist weltweit der ranghöchste katholische Würdenträger, der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt und verurteilt wurde. Pell ist zudem der dritte Kardinal innerhalb weniger Wochen, der persönlich zur Verantwortung gezogen wird. Papst Franziskus hatte Mitte Februar den früheren Erzbischof von Washington, Kardinal Theodore Edgar McCarrick, wegen Missbrauchsvorwürfen strafweise in den Laienstand versetzt. In der vergangenen Woche war der Erzbischof von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, wegen Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden: Er hat angekündigt, dem Papst seinen Rücktritt anzubieten.
Und nun George Pell. Im Dezember hatte eine Jury den 77Jährigen für schuldig befunden, 1996 als Erzbischof einen damals 13 Jahre alten Jungen in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne missbraucht und einen anderen belästigt zu haben.
Richter Peter Kidd begründete das Strafmaß unter anderem mit der „besonderen Schwere“der Taten. Er warf dem Kardinal „atemberaubende Arroganz“vor und erklärte, dieser habe während des Verfahrens keine Reue gezeigt. Als strafmindernde Umstände nannte Kidd das hohe Alter, den schlechten Gesundheitszustand sowie das bis zu der Straftat unbescholtene Vorleben des Verurteilten. Anfang Juni wird ein Gericht über die Zulassung der Berufung der Anwälte Pells gegen den Schuldspruch und die Haftstrafe befinden. Der Vatikan wartet derweil ab, was am Ende des gesamten Verfahrens herauskommt, bevor über weitere Konsequenzen entschieden wird. Bis dahin hat die Kirche Pell die öffentliche Ausübung seines Priester- und Bischofsamtes untersagt. (KNA/mö)