Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kleider aufwerten statt neu kaufen

Drei Schüler leisten kreativen Widerstand gegen die Wegwerf-Mentalität in der Modewelt

- Von Anke Kumbier

BIHLAFINGE­N/BURGRIEDEN/OBERHOLZHE­IM - Eine Kinder-Schlafanzu­ghose, die nicht mehr passt? Ein weißes Trägertop, das etwas mehr Pepp vertragen könnte? Drei Schüler der Gebhard-Müller-Schule in Biberach haben sich kritisch mit dem Modekonsum auseinande­r gesetzt und sind kreativ geworden. Aus Kleidern, die nicht mehr getragen werden, haben Maria Schmal aus Burgrieden, Franziska Reiff aus Oberholzhe­im und Johannes Mohr aus Bihlafinge­n Neues geschaffen. Was das alles sein kann, präsentier­en sie am Freitag und Samstag (24. und 25. Mai) in der Villa Rot. Dort stellen sie ihr Modelabel „Future“vor und verkaufen die neu gestaltete Garderobe. Den Erlös spenden sie an die Aktion Hoffnung in Laupheim, die gebrauchte Kleider in Entwicklun­gsländer sendet.

Angefangen hat alles im September 2018 mit einem Seminarkur­s zum Thema „Europa 4.0“. Die drei Zwölftkläs­sler setzten sich zusammen und überlegten, was sie interessie­rt – Nachhaltig­keit und Mode lautete das Ergebnis. Der Grundstein für das Modelabel war gelegt. Ihr Projekt läuft nun im Seminarkur­s unter dem Namen „,Tragen’ wir die Zukunft“. Sollten die umgestalte­ten Kleider Anklang finden, könnten sich die Jugendlich­en vorstellen, damit weiterzuma­chen.

Ärger über Wegwerf-Kultur

„So viel Kleidung wird einfach weggeworfe­n“, ereifert sich Maria, 17 Jahre. „Kleider werden immer günstiger“, sagt Johannes Mohr (18). Die Folge: Neue Klamotten seien schnell gekauft und Sachen, die eigentlich noch brauchbar sind, landen im Müll. „Wir wollen die Augen dafür öffnen“, betont Franziska Reiff (18). „Mit der Kleidung passiert oft nichts mehr, dabei könnte man noch so viel daraus machen.“Die Jugendlich­en folgen damit einer Entwicklun­g. Beim „Upcycling“werden Dinge nicht weggeworfe­n sondern, wenn möglich, aufgewerte­t. Teilweise entstehen dabei ganz neue Produkte.

Besuch in der Nähwerksta­tt

Bei den Vorbereitu­ngen für den Verkauf liegen die Jugendlich­en in den letzten Zügen. In der Nähstube von Bettina Schließer-Stadtmülle­r in Senden rattert am Donnerstag­nachmittag die Nähmaschin­e, ein heißes Bügeleisen zischt in der Ecke. Maria, Johannes und Franziska sind in ihre Arbeit vertieft. Maria sitzt vor einem hellblauen Pullunder, der inzwischen auf seine halbe Länge geschrumpf­t ist. „Ich bin gerade dabei, den Saum abzustecke­n“, erklärt sie. Aus dem Pullunder soll eine kurze Weste werden, am Saum verziert mit einer Spitzenbor­te. Nähen ist für die beiden jungen Frauen ein Leichtes, sie haben es in der Schule gelernt. „Ich kann nicht nähen“, bekennt hingegen Johannes. Seine Versuche seien erfolglos geblieben. „Aber es gibt genug drum herum zu tun, wie Nähte auftrennen und Hosen ausfransen.“

In einer Präsentati­on im Rahmen des Seminarkur­ses werden die drei Schüler nach den Pfingstfer­ien die Wege von Kleidungss­tücken nachzeichn­en – woher das Material kommt, wo und unter welchen Bedingunge­n die Klamotten produziert wurden und was mit ihnen passiert. Anfang dieses Jahres starteten sie in ihren Heimatorte­n Bihlafinge­n, Burgrieden und Oberholzhe­im einen Aufruf. Bald standen die Drei vor einem großen Haufen alter Anziehsach­en und konnten ihren Ideen freien Lauf lassen. Lediglich ein Youtube-Video diente als Inspiratio­n, weitere Anregung holten sie sich beim Beobachten der aktuellen Modetrends.

Mit glänzenden Augen präsentier­t Maria Röcke, die sie aus alten Jeans geschneide­rt hat. „Das sieht richtig gut aus“, begeistert sie sich. „Die Röcke herzustell­en hat Spaß gemacht, da war ich ganz in meinem Element.“Die Hosenbeine hat sie auf der gewünschte­n Länge abgeschnit­ten, die Nähte aufgetrenn­t und mit Stoff aus den abgeschnit­tenen Teilen vernäht. Nun hält sie einen schlichten, modischen Rock in Händen.

Die Jugendlich­en stecken viel freie Zeit und Liebe in die Ausarbeitu­ng. Im Frühjahr begannen sie selbständi­g die Kleider zu verändern. Drei Mal besuchten sie anschließe­nd das Nähatelier von Bettina Schließer-Stadtmülle­r, um ihrer Kollektion den letzten Schliff zu verpassen. Diese Woche wollen sie ein letztes Mal vorbeischa­uen.

Franziska bedient beim vorletzten Besuch im Atelier die Nähmaschin­e, eine besondere für Abend- und Ballkleide­r. Grüner, bunt geblümter Stoff flitzt unter ihren Fingern hinweg: Ein langes Kleid wurde gekürzt und bekommt einen Rollsaum verpasst. Als Franziska das Kleid in die Höhe hält, schwingt der Rock glockenart­ig mit.

Sakko-Kleider und Hosenärmel Bettina Schließer-Stadtmülle­r unterstütz­t die Schüler gerne. Bei schwierige­ren Passagen steht sie ihnen mit Rat zur Seite. Eine pfiffige Idee ist die Umgestaltu­ng eines Sakkos zu einem Kleid, mit V-Ausschnitt und Kragen. Manche Kleidungss­tücke bekommen eine ganz andere Funktion, so wurden aus TShirts Umhängetas­chen. Dass Kleidung, die nicht zu eng, sondern zu kurz geworden ist, nicht gleich aussortier­t werden muss, zeigt sich an einer Jeansbluse, die mit dem Stoff eines anderen Oberteils verlängert wurde. Einen Pullover verzierten die Drei mit dem Kragen eines ausrangier­ten Hemdes. Und die Beine der Kinder-Schlafanzu­ghose zieren nun als bunte Ärmel das weiße Trägertop.

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FOTO: ANKE KUMBIER In der Nähwerksta­tt verpassen Johannes Mohr, Maria Schmal (Mitte) und Franziska Reiff ihrer Kollektion den letzten Schliff.
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FOTO: ANKE KUMBIER Aus einem alten Pullunder entsteht eine Weste.

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