Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Parteipolitischer Kleinkrieg
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron feixte, als er den gescheiterten Personalgipfel in Brüssel spät in der Nacht verließ. Er habe ja immer schon gesagt, dass Manfred Weber aus dem Rennen sei. Es gehören allerdings keine übersinnlichen Fähigkeiten dazu, den Spitzenkandidatenprozess für so gut wie tot zu erklären. Nur ein starkes, selbstbewusstes und vor allem einiges Parlament könnte im Ringen mit dem Rat seine Interessen durchsetzen. In der neuen Volksvertretung aber verfügt mehr als die Hälfte der Abgeordneten über keinerlei Erfahrung auf europäischem Parkett. Allein 50 der Neulinge stammen aus Macrons Bewegung.
Als dann noch die neue sozialistische Fraktionschefin Iraxte Garcia direkt nach ihrer Wahl erklärte, nur der sozialistische Kandidat Frans Timmermans komme als neuer Kommissionschef infrage, torpedierte sie damit zusätzlich die Mitsprachemöglichkeiten des gesamten Parlaments. Ein Haufen unerfahrener Abgeordneter, die sich zunächst kennenlernen und in ihre Rolle finden müssen, ist kein ernst zu nehmender Gegner für den machtbewussten Rat der Regierungen. Wenn sie sich auch noch in parteipolitischem Kleinkrieg aufreiben – umso besser.
Die Wähler haben das Europaparlament neu zusammengewürfelt und Mehrheitsbildungen erschwert. Die allzu bequeme, aber wenig demokratische große Koalition gibt es nicht mehr. Das könnte auch eine Chance sein. Die Grünen machen gerade vor, wie es geht. Sie reden zunächst nicht über Personen, sondern über Inhalte. Wer sich glaubhaft zu ihren Klimazielen bekennt, kann auf ihre Stimme zählen. Auch die Liberalen schließen nicht kategorisch aus, dass es Weber doch noch schaffen könnte.
Sogar den Sozialdemokraten scheint zu dämmern, dass sie ihre sture Haltung aufgeben müssen, wenn sie nicht jeden Einfluss auf den Prozess verlieren wollen. Völlig überraschend lenkte Fraktionschefin Iraxte Garcia gestern Nachmittag ein und machte ein Friedensangebot. Man müsse nun über Inhalte sprechen, um die „institutionelle Blockade“möglichst vor der ersten Parlamentssitzung am 2. Juli aufzulösen. Na also, geht doch.