Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Aus Sorge vor Todesopfern
US-Präsident Trump blies Angriff auf Iran wieder ab
WASHINGTON (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat einen Militärschlag gegen Iran nach eigenen Angaben wegen der befürchteten Todesopfer in letzter Minute gestoppt. Die erwarteten 150 Toten wären im Vergleich zum Abschuss einer USDrohne durch Iran „unverhältnismäßig“gewesen, schrieb Trump am Freitag auf Twitter. Die US-Streitkräfte seien am Donnerstagabend bereit zum Angriff auf drei verschiedene Ziele gewesen, „als ich gefragt habe, wie viele sterben werden. 150 Menschen, Sir, war die Antwort eines Generals. Zehn Minuten vor dem Schlag habe ich ihn gestoppt.“
Trump verschwieg, welche Ziele angegriffen werden sollten. Die „New York Times“berichtete, es seien Radarstationen und Raketenbatterien gewesen. Die US-Militärplanungen verstärkten die Sorge, dass der Konflikt zwischen den USA und Iran in einen neuen Golfkrieg münden könnte.
ISTANBUL - Gut anderthalb Jahrzehnte nach der amerikanischen Invasion im Irak steht die Golfregion am Rande einen neuen Krieges. Als Reaktion auf den Abschuss einer USDrohne über der Straße von Hormus durch die iranischen Revolutionsgarden holte das US-Militär in der Nacht zum Freitag zum Vergeltungsschlag aus, hielt auf Befehl von Präsident Donald Trump im letzten Moment aber inne. US-Medien berichteten, eine „maßvolle“Antwort auf Iran könnte es immer noch geben. Wichtige Fragen und Antworten zur Eskalation im Überblick.
Wie nah ist ein neuer Krieg in der Golf-Region? Ein Krieg könnte jederzeit ausbrechen. Die USA haben Zehntausende Soldaten sowie starke Marine- und Luftwaffenverbände in der Region stationiert, Iran verfügt über viele Raketen und kann sich auf die Unterstützung von pro-iranischen Milizen und Gruppen im ganzen Nahen Osten verlassen. Der Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit Iran im vergangenen Jahr und die seitdem verhängten Wirtschaftssanktionen hatten die Eskalationsspirale in Gang gesetzt. Mehrere Anschläge auf Öltanker im Persischen Golf sowie auf Ölanlagen und einen Flughafen beim amerikanischen Partner Saudi-Arabien in den vergangenen Wochen sind wahrscheinlich von iranischen Kräften oder verbündeten Milizen wie den Huthis im Jemen verübt worden. In einen Krieg könnten auch die US-Partner Israel und Saudi-Arabien verwickelt werden.
Wer will einen Krieg? Auf beiden Seiten gibt es starke Kräfte, die eine Konfrontation wollen. In der US-Regierung werben vor allem Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Michael Pompeo für einen harten Kurs. Zu den Iran-Hardlinern zählen auch die Regierungen von Israel und Saudi-Arabien.
In Iran hat die Regierung von Präsident Hassan Ruhani, die den Atomvertrag von 2015 mit dem Westen abschloss und der Bevölkerung eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage versprach, einen schweren Stand. Entgegen ihrer Ankündigungen hat sich die Lage des Iran nicht verbessert, sondern verschlechtert. Radikalere Kräfte wie die Revolutionsgarden haben Oberwasser.
Welche Vermittlungsversuche gibt es? Bisher sind aller Vermittlungsbemühungen Japans und Europas gescheitert. Iran macht es den Vermittlern nicht einfach: Teheran hat angekündigt, schon in der kommenden Woche eine Obergrenze des Atomvertrages zur Kontrolle der Uranvorräte zu durchbrechen. Das macht es besonders den Europäern schwer, bei den USA für weitere Verhandlungen mit Iran zu werben. Trotzdem sollen die Vermittlungsversuche weitergehen.
Was wären die politischen Ziele eines Krieges? Das ist einer der merkwürdigsten Aspekte in der Konfrontation: Keine der beiden Seiten kann realistischerweise hoffen, ihre politischen Ziele mit einem Krieg durchzusetzen. Die USA beispielsweise fordern vom Iran, er solle sein Raketenprogramm einstellen, strengen Atomkontrollen zustimmen und die Unterstützung für radikale Gruppen wie die Hisbollah in Libanon einstellen. Keine iranische Regierung wird eine solche Einigung unterschreiben, weil sie einer Kapitulationserklärung gleichkäme. Auch Iran muss sich fragen lassen, was eine militärische Eskalation bringen soll. Das wichtigste Ziel Teherans ist die Lockerung der Sanktionen. Dazu braucht Iran internationale Partner – doch ein Krieg würde das Land noch stärker isolieren.
Wer kann die Spirale noch stoppen? Trump ist weniger scharf auf einen Krieg als manche Berater. Der US-Präsident erklärte, er habe in der Nacht zum Freitag geplante Militärschläge gegen Iran „zehn Minuten“vor Beginn gestoppt, weil dabei voraussichtlich 150 Menschen getötet worden wären – das wäre als Rache für den Drohnenabschuss „nicht verhältnismäßig“gewesen. Gleichzeitig wandte sich Trump in der Nacht über die Vermittlung des Oman mit einem Verhandlungsangebot an die Regierung in Teheran. Trump ist für seine Kritik an den US-Kriegen in Nahost bekannt – ein Jahr vor der Präsidentenwahl selbst einen solchen Krieg zu beginnen, wäre wohl nicht in seinem Sinne. Auch Irans Regierung ist daran interessiert, einen Krieg zu vermeiden. Zwar betrachtet Teheran die Gefahr einer Auseinandersetzung als Druckmittel, um gerade die Europäer dazu zu bringen, die USA zumindest zum Teilverzicht auf Sanktionen zu bewegen. Doch der Ausbruch eines Krieges wäre für Iran eine Katastrophe.