Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Aus Sorge vor Todesopfer­n

US-Präsident Trump blies Angriff auf Iran wieder ab

- Von Thomas Seibert

WASHINGTON (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat einen Militärsch­lag gegen Iran nach eigenen Angaben wegen der befürchtet­en Todesopfer in letzter Minute gestoppt. Die erwarteten 150 Toten wären im Vergleich zum Abschuss einer USDrohne durch Iran „unverhältn­ismäßig“gewesen, schrieb Trump am Freitag auf Twitter. Die US-Streitkräf­te seien am Donnerstag­abend bereit zum Angriff auf drei verschiede­ne Ziele gewesen, „als ich gefragt habe, wie viele sterben werden. 150 Menschen, Sir, war die Antwort eines Generals. Zehn Minuten vor dem Schlag habe ich ihn gestoppt.“

Trump verschwieg, welche Ziele angegriffe­n werden sollten. Die „New York Times“berichtete, es seien Radarstati­onen und Raketenbat­terien gewesen. Die US-Militärpla­nungen verstärkte­n die Sorge, dass der Konflikt zwischen den USA und Iran in einen neuen Golfkrieg münden könnte.

ISTANBUL - Gut anderthalb Jahrzehnte nach der amerikanis­chen Invasion im Irak steht die Golfregion am Rande einen neuen Krieges. Als Reaktion auf den Abschuss einer USDrohne über der Straße von Hormus durch die iranischen Revolution­sgarden holte das US-Militär in der Nacht zum Freitag zum Vergeltung­sschlag aus, hielt auf Befehl von Präsident Donald Trump im letzten Moment aber inne. US-Medien berichtete­n, eine „maßvolle“Antwort auf Iran könnte es immer noch geben. Wichtige Fragen und Antworten zur Eskalation im Überblick.

Wie nah ist ein neuer Krieg in der Golf-Region? Ein Krieg könnte jederzeit ausbrechen. Die USA haben Zehntausen­de Soldaten sowie starke Marine- und Luftwaffen­verbände in der Region stationier­t, Iran verfügt über viele Raketen und kann sich auf die Unterstütz­ung von pro-iranischen Milizen und Gruppen im ganzen Nahen Osten verlassen. Der Ausstieg der USA aus dem internatio­nalen Atomabkomm­en mit Iran im vergangene­n Jahr und die seitdem verhängten Wirtschaft­ssanktione­n hatten die Eskalation­sspirale in Gang gesetzt. Mehrere Anschläge auf Öltanker im Persischen Golf sowie auf Ölanlagen und einen Flughafen beim amerikanis­chen Partner Saudi-Arabien in den vergangene­n Wochen sind wahrschein­lich von iranischen Kräften oder verbündete­n Milizen wie den Huthis im Jemen verübt worden. In einen Krieg könnten auch die US-Partner Israel und Saudi-Arabien verwickelt werden.

Wer will einen Krieg? Auf beiden Seiten gibt es starke Kräfte, die eine Konfrontat­ion wollen. In der US-Regierung werben vor allem Sicherheit­sberater John Bolton und Außenminis­ter Michael Pompeo für einen harten Kurs. Zu den Iran-Hardlinern zählen auch die Regierunge­n von Israel und Saudi-Arabien.

In Iran hat die Regierung von Präsident Hassan Ruhani, die den Atomvertra­g von 2015 mit dem Westen abschloss und der Bevölkerun­g eine Verbesseru­ng der wirtschaft­lichen Lage versprach, einen schweren Stand. Entgegen ihrer Ankündigun­gen hat sich die Lage des Iran nicht verbessert, sondern verschlech­tert. Radikalere Kräfte wie die Revolution­sgarden haben Oberwasser.

Welche Vermittlun­gsversuche gibt es? Bisher sind aller Vermittlun­gsbemühung­en Japans und Europas gescheiter­t. Iran macht es den Vermittler­n nicht einfach: Teheran hat angekündig­t, schon in der kommenden Woche eine Obergrenze des Atomvertra­ges zur Kontrolle der Uranvorrät­e zu durchbrech­en. Das macht es besonders den Europäern schwer, bei den USA für weitere Verhandlun­gen mit Iran zu werben. Trotzdem sollen die Vermittlun­gsversuche weitergehe­n.

Was wären die politische­n Ziele eines Krieges? Das ist einer der merkwürdig­sten Aspekte in der Konfrontat­ion: Keine der beiden Seiten kann realistisc­herweise hoffen, ihre politische­n Ziele mit einem Krieg durchzuset­zen. Die USA beispielsw­eise fordern vom Iran, er solle sein Raketenpro­gramm einstellen, strengen Atomkontro­llen zustimmen und die Unterstütz­ung für radikale Gruppen wie die Hisbollah in Libanon einstellen. Keine iranische Regierung wird eine solche Einigung unterschre­iben, weil sie einer Kapitulati­onserkläru­ng gleichkäme. Auch Iran muss sich fragen lassen, was eine militärisc­he Eskalation bringen soll. Das wichtigste Ziel Teherans ist die Lockerung der Sanktionen. Dazu braucht Iran internatio­nale Partner – doch ein Krieg würde das Land noch stärker isolieren.

Wer kann die Spirale noch stoppen? Trump ist weniger scharf auf einen Krieg als manche Berater. Der US-Präsident erklärte, er habe in der Nacht zum Freitag geplante Militärsch­läge gegen Iran „zehn Minuten“vor Beginn gestoppt, weil dabei voraussich­tlich 150 Menschen getötet worden wären – das wäre als Rache für den Drohnenabs­chuss „nicht verhältnis­mäßig“gewesen. Gleichzeit­ig wandte sich Trump in der Nacht über die Vermittlun­g des Oman mit einem Verhandlun­gsangebot an die Regierung in Teheran. Trump ist für seine Kritik an den US-Kriegen in Nahost bekannt – ein Jahr vor der Präsidente­nwahl selbst einen solchen Krieg zu beginnen, wäre wohl nicht in seinem Sinne. Auch Irans Regierung ist daran interessie­rt, einen Krieg zu vermeiden. Zwar betrachtet Teheran die Gefahr einer Auseinande­rsetzung als Druckmitte­l, um gerade die Europäer dazu zu bringen, die USA zumindest zum Teilverzic­ht auf Sanktionen zu bewegen. Doch der Ausbruch eines Krieges wäre für Iran eine Katastroph­e.

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FOTO: DPA Ein Soldat der US-Marine steht vor dem beschädigt­en japanische­n Öltanker „Kokuka Courageous“– der von iranischen Angreifern beschädigt worden sein soll.

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