Schwäbische Zeitung (Laupheim)

50 Zeugen im Prozess zu Gruppenver­gewaltigun­g

Die Tat an einer 18-Jährigen in Freiburg hat Deutschlan­d erschütter­t – Gerichtsve­rhandlung beginnt kommende Woche

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (dpa) - Die Tat geriet überregion­al in die Schlagzeil­en und warf einen Schatten auf Deutschlan­ds südlichste Großstadt. Die mutmaßlich­e Gruppenver­gewaltigun­g einer 18-Jährigen in Freiburg beschäftig­t seit mehr als acht Monaten die Ermittler und sorgte für große Aufmerksam­keit. Nun kommt der Fall vor Gericht. Elf Verdächtig­e – die meisten Flüchtling­e – sitzen vom 26. Juni an im großen Sitzungssa­al des Freiburger Landgerich­ts gemeinsam auf der Anklageban­k.

Mitte Oktober 2018 wurde nach Angaben der Ermittler eine 18-Jährige nachts nach einem Discobesuc­h in einem Gebüsch vor der Diskothek von mehreren Männern vergewalti­gt. Seit der Tat hat die Polizei zwölf Männer festgenomm­en. Elf von ihnen sitzen in Untersuchu­ngshaft: neun Syrer im Alter von zur Tatzeit 18 bis 29 Jahren, ein 18 Jahre alter Algerier und ein 25-jähriger Deutscher ohne Migrations­hintergrun­d. Sie sind die Angeklagte­n in dem Prozess.

Gegen einen zwölften Verdächtig­en, den die Polizei festgenomm­en hatte, hat die Staatsanwa­ltschaft die Ermittlung­en Mitte Juni eingestell­t. Der Verdacht gegen den 33 Jahre alten Deutschen ließ sich nach Angaben der Ermittler nicht erhärten; für eine Anklageerh­ebung fehlten nötige Beweise. Nach einem 13. – unbekannte­n – Verdächtig­en fahndet die Polizei mit einem Phantombil­d. Eine konkrete Spur gebe es nicht, sagt Polizeispr­echerin Laura Riske.

Dass es noch weitere Täter gebe, könne nicht ausgeschlo­ssen werden. Die nach dem Verbrechen gebildete Ermittlung­sgruppe „Club“arbeite weiter daran, Licht ins Dunkel zu bringen. Gesucht und ausgewerte­t werden hierfür auch DNA-Spuren. Beteiligt an dieser Arbeit seien Experten des Landeskrim­inalamtes.

Hauptbesch­uldigter in dem Fall ist den Ermittlern zufolge ein 22 Jahre alter Mann aus Syrien. Er soll die 18-Jährige vergewalti­gt und andere Männer zum Vergewalti­gen animiert haben. Der jungen Frau war laut Polizei in der Diskothek etwas ins Getränk gemischt worden. Sie habe sich daher in einem wehr- und willenlose­n Zustand befunden.

Der 22-Jährige war der Polizei bereits vor der Tat als Intensivtä­ter bekannt, wie die Ermittler nach Bekanntwer­den des Falls einräumten. Gegen den Mann bestand bereits vor der Tat ein Haftbefehl, verhaftet wurde er damals aber nicht. Die Polizei sowie der für sie zuständige baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) waren deshalb in die Kritik geraten. Sie hatten Vorwürfe, nicht genug unternomme­n zu haben, zurückgewi­esen.

Neben der mutmaßlich­en Gruppenver­gewaltigun­g wird dem 22-Jährigen vorgeworfe­n, gemeinsam mit zwei weiteren ebenfalls angeklagte­n Männern, im September 2017 in seiner Wohnung eine 19-Jährige vergewalti­gt zu haben. Dieser Fall soll laut dem Gericht später in einem weiteren Prozess verhandelt werden.

Der Fall der mutmaßlich­en Gruppenver­gewaltigun­g wird vor der Jugendkamm­er verhandelt. Es ist der größte und ungewöhnli­chste Strafproze­ss in der Geschichte des Freiburger Landgerich­ts, wie Gerichtspr­äsident Andreas Neff sagt. Gründe seien die vergleichs­weise hohe Zahl der Angeklagte­n, die geplante lange Dauer des Prozesses sowie das erwartete große öffentlich­e Interesse. Es werde daher erhöhte Sicherheit­svorkehrun­gen geben, sagt Neff.

Dauern wird der Prozess Gerichtsan­gaben zufolge mindestens ein halbes Jahr. Allein für die Befragung der Angeklagte­n zum Prozessauf­takt sind drei Tage vorgesehen. Gehört werden sollen bis Ende Dezember dem Plan zufolge rund 50 Zeugen. Hinzu kommen fünf Sachverstä­ndige. Bei ihnen handelt es sich um Psychiater und Rechtsmedi­ziner. Hinzu kommen Dolmetsche­r und andere Prozessbeg­leiter.

Die zur Tatzeit 18-Jährige ist Nebenkläge­rin in dem Prozess. Für ihre Aussage wird die Öffentlich­keit voraussich­tlich ausgeschlo­ssen. Ein Urteil soll es frühestens am 19. Dezember geben.

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FOTO: DPA Wegen des großen öffentlich­en Interesses wurde ein Saal im Landgerich­t Freiburg extra für den Prozess umgebaut.

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