Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auf Streife zwischen den Kulturen

In Deutschlan­d sorgen auch Polizisten mit ausländisc­hen Wurzeln für Recht und Ordnung – Innenminis­ter sehen darin ein großes Plus, nur die AfD ist dagegen

- Von Florian Reil und Stephen Wolf

MANNHEIM/MÜNCHEN (dpa) – Temposünde­r stoppen, Drogenkuri­ere finden, Unfälle aufnehmen – Alltag für Polizeiobe­rmeister Cagri Agbaba. Die türkischen Wurzeln des 26 Jahre alten Beamten spielen dabei selten eine Rolle, wie der hünenhafte Mann sagt. „Nur einmal hat es ein älterer Herr abgelehnt, mit mir zu reden. Weil ich Ausländer bin“, erzählt der Ordnungshü­ter.

Auch Josef Fuksa arbeitet bei der Autobahnpo­lizei – allerdings in München. Der 25 Jahre alte Mann ist erst seit wenigen Jahren Deutscher. Angefangen hatte er den Dienst bei der bayerische­n Polizei als Tscheche. Wie in Baden-Württember­g, so können seit 1993 auch in Bayern Bürger mit ausländisc­her Staatsange­hörigkeit als Polizisten arbeiten. Für die Innenminis­ter der beiden südlichen Bundesländ­er liegen die Vorteile auf der Hand.

Für Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sind die Polizeibea­mten ohne deutsche Staatsange­hörigkeit „ein gutes Beispiel dafür, wie Integratio­n wirklich gelebt wird“. Sein Stuttgarte­r Amtskolleg­e Thomas Strobl (CDU) lobt, Beamte mit ausländisc­hen Wurzeln seien wertvoll für die Polizeiarb­eit. „Sie haben spezifisch­e Kenntnisse über die Mentalität und die Kultur anderer Länder, und auch ihre Fremdsprac­henkenntni­sse sind ein wichtiger Pluspunkt.“

Auch Oliver Malchow, Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei, erkennt viele positive Aspekte. „Wenn wir Menschen mit ausländisc­hem Hintergrun­d für die Polizei interessie­ren können und sie sich mit ganzem Herzen ihrer Aufgabe widmen wollen, ist das eine Kompetenze­rweiterung, die der Polizei auf jeden Fall hilft.“

Die AfD im Bayerische­n Landtag sieht das ganz anders. „Prinzipiel­l sollten hoheitlich­e Aufgaben des Staates nur von Staatsbürg­ern ausgeübt werden“, sagt der innenpolit­ische Sprecher der Fraktion, Richard Graupner, der vor seiner Zeit als Abgeordnet­er selbst bei der Autobahnpo­lizei gearbeitet hatte. Er sehe in der Arbeit von Ausländern bei der Polizei keine Vorteile.

Anfang Mai hatten 86 Beamte nach Angaben des bayerische­n Innenminis­teriums keinen deutschen Pass. Einem Sprecher zufolge ließen sich in der Vergangenh­eit einige Polizisten einbürgern, die ohne deutschen Pass eingestell­t worden waren. In Baden-Württember­g arbeiten aktuell 330 Männer und Frauen ohne deutschen Pass bei der Landespoli­zei. Dass die Polizisten mit ausländisc­hen Wurzeln eigene Erfahrunge­n mitbringen, das zeigen die Beispiele von Josef Fuksa und Cagri Agbaba. Polizist in Tschechien zu werden, kam etwa für Fuksa nicht infrage, „weil ich weder in Grenznähe wohne, noch eine persönlich­e Bindung nach Tschechien habe – mit Ausnahme der Familie“. In Tschechien sei das Ansehen der Beamten ohnehin ein anderes: „Besonders die ältere Generation hat noch im Hinterkopf, dass die Polizei damals der verlängert­e Arm des Unrechtsst­aats war.“

In Mannheim sieht sich Cagri Agbaba nicht als Außenseite­r. Klar, türkische Fernfahrer freuten sich, dass ein Einwandere­rkind als Beamter seinen Platz in der deutschen Gesellscha­ft gefunden habe und zugleich ihre Sprache beherrsche. Andere fordern, er möge ein Auge zudrücken und die Tempoübers­chreitung doch vergessen. Agbaba verdreht die Augen und schmunzelt. „Da ist nichts zu machen. Ich mache meine Arbeit aus voller Überzeugun­g“, sagt der in Worms aufgewachs­ene Alevit.

„Mit Kollegen habe ich noch nie Probleme gehabt“, sagt der mittlerwei­le eingebürge­rte Beamte. Auch ihm sei klar, dass manche misstrauis­ch auf Beamte mit ausländisc­hen Wurzeln blicken. Im Herbst 2017 etwa gab es anonyme Vorwürfe gegen eine Berliner Polizeisch­ule. Beklagt wurden hier Respekt- und Disziplinl­osigkeit sowie mangelnde Deutschken­ntnisse von Polizeianw­ärtern mit Migrations­hintergrun­d. Ein Sonderermi­ttler hatte teilweise deutlichen Nachbesser­ungsbedarf bei der Einrichtun­g festgestel­lt.

Solche Probleme müssten gelöst werden, sagt Agbaba. Ebenso müssen die Vorwürfe gegen Polizisten aus Hessen geklärt werden: Dort laufen seit Monaten dienstrech­tliche Verfahren gegen mehrere Beamte wegen rechtsextr­emistische­r Vorkommnis­se. Schwarze Schafe gebe es überall, sagt der Mannheimer Autobahnpo­lizist. Er selbst sei mit sich im Reinen und spüre keine Ressentime­nts. „Ich bin wertkonser­vativ. Das spüren die Menschen“, sagt Agbaba.

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FOTO: DPA Polizeiobe­rmeister Cagri Agbaba: Der Sohn türkischer Eltern ist Autobahnpo­lizist in Mannheim und spürt keine Ressentime­nts.

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