Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Außenseite­r

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Er sei der „ernsthafte Kandidat“, hat Jeremy Hunt zu Beginn des Kampfes um den Vorsitz der britischen Konservati­ven gesagt. Obwohl sich ein Dutzend Frauen und Männer bewarben, wussten alle sofort, dass die Bemerkung nur auf einen zielte: den haushohen Favoriten Boris Johnson. In den kommenden vier Wochen streiten der amtierende Außenminis­ter Hunt, 52, und sein wenig diplomatis­cher Amtsvorgän­ger um die Gunst der 160 000 Parteimitg­lieder.

Im Referendum­skampf 2016 warb Hunt noch für Großbritan­niens Verbleib in der EU. Mittlerwei­le bekennt er sich längst zum Brexit, biederte sich sogar beim ganz überwiegen­d Brüsselfei­ndlichen Parteivolk an, indem er die EU mit der untergegan­genen Sowjetunio­n verglich. Nicht einmal den chaotische­n Austritt Ende Oktober („No Deal“) will der Chefdiplom­at ganz ausschließ­en. Er setzt allerdings auf seine angeblich hervorrage­nden Verhandlun­gstalente. Die würden bei neuen Brexit-Gesprächen mit Brüssel zur Geltung kommen. Dass die Gegenseite Neuverhand­lungen ausschließ­t, tut Hunt als Manöver ab.

Der Admiralsso­hn besuchte die teure Privatschu­le Charterhou­se und absolviert­e ein Studium an der Elite-Uni Oxford, ehe er als Englischle­hrer in Japan lebte und dort die Sprache lernte. Gute Familienko­ntakte ebneten ihm den Weg in die Politik. Seit 2005 vertritt er einen sicheren Tory-Wahlkreis nahe London im Unterhaus. Als Minister für Kultur und Sport gehörte 2012 auch Olympia in London zu seinen Aufgaben, anschließe­nd war er sechs Jahre lang Gesundheit­sminister. Dass der begeistert­e Tänzer nicht gerade für seinen Esprit bekannt ist, hat ihm den Spitznamen „Theresa in Hosen“eingetrage­n: eine Anspielung auf die meist freudlos erscheinen­de Premiermin­isterin May, unter der Hunt loyal diente. Sebastian Borger

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FOTO: DPA Jeremy Hunt, aktuell Außenminis­ter von Großbritan­nien – und Bewerber für den Posten als Premiermin­ister.

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