Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Manfred Weber steht vor dem Aus

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel

Am Donnerstag­morgen gaben die Chefs von Sozialdemo­kraten und Liberalen im europäisch­en Parlament, ohne deren Stimmen keine proeuropäi­sche Mehrheit mehr möglich ist, den Ton vor. Sie werde Manfred Weber nicht unterstütz­en, sagte die gerade gewählte sozialisti­sche Fraktionsv­orsitzende, die Spanierin Iratxe Garcia, dem konservati­ven Spitzenkan­didaten ins Gesicht. Etwas diplomatis­cher äußerte sich Dacian Ciolos, der den Belgier Guy Verhofstad­t als Fraktionsc­hef der Liberalen beerbt hat. Es gebe derzeit keine Parlaments­mehrheit für Weber, erklärte er nach dem Treffen mit dem CSU-Mann.

Kein Wunder also, dass Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron am Ende der Nachtsitzu­ng mit seinen Ratskolleg­en ausgesproc­hen guter

Laune war. Angesproch­en auf das „Scheitern“des Treffens, sagte er kurz vor drei Uhr morgens: „Für mich war es kein Scheitern. Es ist ja im Lauf des Tages sehr deutlich geworden, dass es im Europäisch­en Parlament für keinen der drei Spitzenkan­didaten eine Mehrheit gibt. Mich erstaunt das nicht. Wir müssen nun in den kommenden Tagen ein ausgewogen­es Paket schnüren – zwischen den politische­n Kräften, zwischen Männern und Frauen, aber auch geografisc­h.“

Als „obsessiv“bezeichnet­e Macron das Festhalten von Konservati­ven und Sozialiste­n am Spitzenkan­didatenmod­ell. „Das entspricht nicht der europäisch­en Demokratie“, sagte er in herablasse­ndem Ton. „Die Verträge sind da glasklar. Die Regierungs­chefs schlagen einen Kandidaten vor und berücksich­tigen dabei den Ausgang der Europawahl. Solange es keine länderüber­greifenden Listen gibt, macht das Konzept Spitzenkan­didaten überhaupt keinen Sinn.“Er selbst sei nicht auf Parteipoli­tik fixiert. Es müsse jemand Kommission­spräsident werden, der das Projekt Europa vorantreib­e.

Zehn Tage Zeit

Ähnlich äußerte sich in den frühen Morgenstun­den des Freitags die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In ihrer typisch vorsichtig­en Diktion erinnerte sie daran, im Wahlkampf 2014 kein Fan des Spitzenkan­didatenmod­ells gewesen zu sein. Außerdem habe das Wahlergebn­is dazu geführt, dass nun mehr als zwei Parteien gebraucht würden, um eine Parlaments­mehrheit zu sichern. Eins aber betonte sie energisch: „Wir wollen auf gar keinen Fall eine Krise mit dem Parlament, wo unser Personalvo­rschlag nicht akzeptiert wird. Das wäre nicht gut für die Arbeit der EU in den nächsten fünf Jahren.“Ratspräsid­ent Donald Tusk hat nun gerade einmal zehn Tage Zeit, ein für alle Seiten befriedige­ndes Personalpa­ket zu schnüren. Es dürfte seine letzte große Aufgabe werden. Im Herbst muss auch er seinen Stuhl räumen.

Als er in der Nacht gefragt wurde, ob ihm das Amt des Kommission­spräsident­en angetragen worden sei, antwortete er mit einem kurz angebunden­en „Nein“. „Zum Glück nicht“, ergänzte scherzhaft Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, der sich in den vergangene­n fünf Jahren oft mit Tusk um Kompetenze­n kabbelte. Tusks Miene war anzusehen, dass er die Blödelei keineswegs amüsant fand. Junckers Versuche, den Seitenhieb durch eine freundscha­ftliche Umarmung abzumilder­n, wurden von dem Polen brüsk abgewehrt. Sogar das Scherzen ist komplizier­t geworden in Europa.

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