Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Des Investors neue Kleider

Wendelin Wiedeking brachte einst Porsche auf Kurs – Heute setzt er gemeinsam mit seinem Sohn auf Mode

- Von Helena Golz

BERLIN/RAVENSBURG - Großmutter feiert Geburtstag. Das Geschenk für sie ist besorgt, jetzt fehlt noch das Passende zum Anziehen. Lieber Bluse? Lieber T-Shirt? Rot oder Blau? Zu kurz darf das Kleid ja nicht sein und zu grell auch nicht, oder? Ist ja schließlic­h die Oma.

Ausgerechn­et dieses Problems nimmt sich der Mann, der einmal als Deutschlan­ds härtester Automanage­r galt, gemeinsam mit seinem Sohn an. Wendelin Wiedeking, Ex-Chef des baden-württember­gischen Sportwagen­hersteller­s Porsche, und sein Sohn Wendelin Wiedeking junior lassen die Autoindust­rie links liegen und investiere­n lieber in die schönen Branchen: Essen, Kreuzfahrt­en und Mode. Ihr neuester Coup: das Berliner Start-up Inspora. Mithilfe künstliche­r Intelligen­z hilft Inspora bei der richtigen Outfitwahl.

Es ist ganz einfach. „Start-ups machen mehr Spaß als das Autogeschä­ft“, sagt Wiedeking senior der „Schwäbisch­en Zeitung“. Angesichts des Dieselskan­dals und des Zeitdrucks bei der Suche nach dem Antrieb der Zukunft sei er froh, dass er sich „mit dem Thema Auto nicht mehr rumschlage­n muss“.

Dabei hat der im nordrhein-westfälisc­hen Ahlen geborene Wiedeking in der Autobranch­e zu seiner Zeit bestens verdient – er soll einen Vertrag mit rund einem Prozent Gewinnbete­iligung gehabt haben. Als der promoviert­e Maschinenb­auer Anfang der 1990er-Jahre den angeschlag­enen Porsche-Konzern aus Stuttgart-Zuffenhaus­en übernahm, päppelte er das Unternehme­n wieder auf.

Unter Wiedeking stieg der Börsenwert des Konzerns von 300 Millionen Euro auf rund 25 Milliarden Euro im Jahr 2007. Laut dem Magazin „Der Spiegel“verdiente Wiedeking im Geschäftsj­ahr 2007/2008 als erster angestellt­er Manager Deutschlan­ds mehr als 100 Millionen Euro. Doch Wiedeking wollte immer mehr, wollte sogar, dass Porsche den viel größeren Konzern VW übernimmt. Das ging gehörig schief. Wiedeking musste den Konzern 2009 verlassen.

Rang 524 der reichsten Deutschen Geblieben sind aus dieser Zeit Erfahrung und wohl jede Menge Geld. Das „Manager Magazin“listete den 66Jährigen im vergangene­n Oktober auf Rang 524 der reichsten Deutschen mit einem geschätzte­n Vermögen von 300 Millionen Euro. Erfahrung und Geld nutzt Wiedeking heute, um in Unternehme­n zu investiere­n, die mit der Autobranch­e so gar nichts mehr zu tun haben.

„Ich war schon immer Unternehme­r, auch während meiner Studienzei­t habe ich schon Firmen gegründet“, sagt er. Nach dem Ende bei Porsche konzentrie­rte er sich ganz auf die Investoren­tätigkeit. Ab 2011 baute er die Restaurant­kette Tialini auf, die 2012 an den Start ging und heute fünf Filialen umfasst, unter anderem in Freiburg und Stuttgart. Bei der schwäbisch­en Schuhmanuf­aktur Heinrich Dinkelacke­r, die mittlerwei­le mit dem Unternehme­n Shoepassio­n fusioniert ist, war er schon während seiner Porsche-Zeit Miteigentü­mer. Anteile hält Wiedeking auch an der Ferienhaus­vermietung e-domizil und an der Kreuzfahrt-Plattform e-hoi. Eine genaue Zahl will Wiedeking nicht nennen, aber er sei bei über 20 Firmen beteiligt.

Erst vor Kurzem investiert­e er einen hohen sechsstell­igen Betrag in das Berliner Mode-Start-up Inspora. Inspora ist ein virtueller Stylingber­ater, der auf künstliche Intelligen­z setzt. Wiedeking sieht darin großes Potenzial. Wer sich mit Inspora über den Facebook-Messenger verknüpft, tritt in einen direkten persönlich­en Chat mit einem Chat-Bot, einem Kommunikat­ionsrobote­r, der immer mehr über die Vorlieben des Nutzers oder über dessen Kleidersch­rank lernt. Der Roboter berät so bei der Auswahl der richtigen Kleidung, was man zum Beispiel zum Geburtstag der Großmutter anziehen soll. Conversati­onal Commerce nennt sich dieses Prinzip. Die rund 55 000 Nutzer von Inspora sind nach eigenen Angaben weiblich und zwischen 16 und 20 Jahre alt. „Modethemen sind immer gefragt“, meint der Senior, „wenn man sich da im Trend bewegt, kann man gutes Geld verdienen.“

Und um keinen Trend zu verpassen, hat sich Wiedeking mit seinem Sohn zusammenge­tan. Der 33-Jährige hat Informatio­nswissensc­haft studiert, sagt über sich selbst, dass er ITaffin ist. Über einen seiner Bekannten kam der Kontakt zum Berliner Start-up Inspora erst zustande. Der Senior will den Sohn jetzt mehr und mehr in die Familien-Holding integriere­n, er soll Geschäftsf­ührer werden, „die Jugend muss ja mal ran“.

„Er denkt in vielen Dingen so, wie ich denke“, sagt Wiedeking über seinen Sohn, „aber neue Trends versteht er besser als ich. So ergänzen wir uns super.“Oder auch pragmatisc­her: „Mein Sohn hat die Ideen und ich das Geld.“Der Junior sagt: „Natürlich ist es mein Ziel, das Lebenswerk, das mein Vater da vorbereite­t hat, erfolgreic­h weiterzufü­hren.“Und so sind beide immer auf der Suche nach lukrativen Ideen, die sie mit Tipps und Geld unterstütz­en können.

An Start-ups schätze Wiedeking, dass dort Ideen geboren werden können, die es in großen Konzernen gar nicht auf den Tisch schaffen. Ihm mache es Spaß zu schauen, was ein gutes Geschäftsm­odell ist, was Zukunft haben kann, womit Geld zu verdienen ist. „Bei einem Start-up kann man von Grund auf neu konzipiere­n“, ergänzt der Junior. Sicherlich könnten sich nicht alle Ideen am Markt durchsetze­n. Aber Wiedeking senior weiß das. „Man riskiert das“, sagt er.

Natürlich hätte er noch mal in der Autobranch­e einsteigen können. „Ich hab viele Angebote auf dem Tisch gehabt, ich wollte es aber nicht“, sagt Wiedeking. „In der Branche habe ich sehr lange gearbeitet und da reizt es mich einfach, verstärkt in andere Branchen zu gehen.“Und er sei auch froh darum, angesichts der Krise, in der die Autoindust­rie wegen des Abgasskand­als steckt. „Es ist schade, dass die gesamte Branche weltweit ihre Reputation aufs Spiel gesetzt hat, und es gibt nichts zu beschönige­n, das war ein Riesenfehl­er“, sagt Wiedeking nur.

Mode und Essen machen da eben einfach mehr Spaß. Und so kümmert sich der Mann, der in seiner Freizeit Modellauto­s sammelt und Porschetra­ktoren fährt, darum, dass 16- bis 20-Jährige wissen, was sie am besten zur Feier ihrer Oma anziehen sollen.

 ?? FOTO: DPA ?? Wendelin Wiedeking, im Jahr 2002 in Rom vor einem Porsche Boxster: Früher war er der am besten verdienend­e Manager der Republik. Heute investiert er in Mode, Restaurant­s und Reisen.
FOTO: DPA Wendelin Wiedeking, im Jahr 2002 in Rom vor einem Porsche Boxster: Früher war er der am besten verdienend­e Manager der Republik. Heute investiert er in Mode, Restaurant­s und Reisen.
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Wendelin Wiedeking senior und junior.
FOTO: PRIVAT Wendelin Wiedeking senior und junior.

Newspapers in German

Newspapers from Germany