Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Keiner will mehr fusionieren
In Deutschland sind Zusammenschlüsse und Übernahmen um fast 70 Prozent eingebrochen – Handelskonflikte schüren Unsicherheit
FRANKFURT - Um fast 70 Prozent sind die Fusionen und Übernahmen in Deutschland in der ersten Jahreshälfte eingebrochen. Das haben Berechnungen der Analysten von Refinity ergeben, einem Finanzdatenanbieter, an dem Thomson Reuters knapp zur Hälfte beteiligt ist. Auch weltweit hat sich das Geschäft mit Firmenübernahmen abgekühlt – global gingen die Volumen der angekündigten Transaktionen um rund 17 Prozent zurück. „Wir haben eine dramatische Unsicherheit“, erklärt Robert Halver den drastischen Rückgang. Er ist Aktienstratege bei der Baader Bank. „Warum soll man ein Unternehmen übernehmen, wenn man nicht weiß, ob man noch im Land X investieren darf? Man hält sein Geld zusammen, weil einfach gewisse Herren im Weißen Haus oder anderswo auf der Welt machen, was sie wollen.“
Fusionen und Übernahmen hängen aber auch von der Frage ab, wie einfach Unternehmen an Kredite oder auf anderem Weg an Geld kommen, um eine Übernahme finanzieren und stemmen zu können. Hier hatten die Notenbanken durch Nullzinsen und den Ankauf von Anleihen in den vergangenen Jahren massiv versucht, die Kreditvergabe von Banken anzuregen, um so die Konjunktur in Gang zu halten. Deswegen waren die Volumen von Firmenkäufen und Fusionen bis ins vergangene Jahr 2018 von einem Rekord zum nächsten geklettert. „Der Einbruch liegt sicherlich auch daran, dass die Zinsen in Amerika ein Stück weit angezogen haben, also der US-Dollar teurer geworden ist“, meint Oliver Roth vom Wertpapierhandelshaus Oddo Seydler. „Im Rahmen der Niedrigzinsphase gab es einen Hype auf Übernahmen. Der hat mittlerweile stark nachgelassen.“
Bayer als schlechtes Vorbild
Der im Vergleich zum internationalen Schnitt krasse Rückgang der angekündigten Fusionen und Übernahmen liegt aber auch an einer historisch besonderen Transaktion in 2018. Denn mit der Übernahme von Monsanto durch Bayer fiel in das vergangene Jahr die teuerste Auslandsübernahme eines Unternehmens in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Und die relativiert den Einbruch in diesem ersten Halbjahr. Vergleicht man nämlich mit 2017, liegt das Übernahmevolumen auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um noch stolze neun Prozent darüber.
Die Monsanto-Übernahme allerdings hat dem Bayer-Konzern bislang vor allem Probleme eingehandelt. Und das zeigt einen weiteren Aspekt, der möglicherweise die Zurückhaltung erklärt, andere Unternehmen zu kaufen. „Man hat gerade bei Bayer-Monsanto gesehen, dass viele dieser Firmenzusammenschlüsse sich nicht wirklich ausgezahlt haben. Deswegen sind auch Aktionäre vorsichtiger geworden. Ich glaube, hier liegt auch ein Kern bei dieser Thematik“, so Oliver Roth.
Für Banken jedenfalls können drastische Rückgänge von Firmenfusionen negative Folgen haben. Denn die Beratertätigkeit für Übernahmen, Zusammenschlüsse oder Börsengänge ist ein lukrativer Teil des Investmentbankings der Finanzinstitute. In dieser Sparte hatte zu Jahresbeginn die Deutsche Bank Gegenwind und einen Verlust vermelden müssen. Mehr noch: Die Deutsche Bank ist in der Rangfolge der Fusions- und Übernahmeberater in Deutschland vom zweiten auf den elften Platz abgerutscht. Die ersten drei Plätze der erfolgreichsten Investmentbanken in Deutschland belegen nun amerikanische Finanzinstitute – JP Morgan, Goldman Sachs und die Bank of America. „Im ersten und zweiten Quartal 2019 sind wir bei M&A (Mergers & Acquisitions, Fusionen und Übernahmen, Anm. d. Red.) nicht dort, wo wir sein wollen – hier sind unsere Erwartungen höher“, gestand Patrick Frowein ein. Allerdings ist er zuversichtlich, dass sich der Rang im zweiten Halbjahr wieder verbessern wird.
Denn da stecken noch so einige Deals in der Pipeline. Dazu gehört unter anderem der Börsengang von Traton, also der Nutzfahrzeugtochter von Volkswagen. Da ist die Deutsche Bank einer von drei global agierenden Begleitern von Traton und Volkswagen.