Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die „Gorch Fock“hat Wasser unterm Kiel

Das Segelschul­schiff schwimmt wieder, aber seine Zukunft ist noch offen

- Von Friedemann Kohler

BREMERHAVE­N (dpa) - Es ist genau 9.48 Uhr: Der Rumpf der „Gorch Fock“schwimmt auf, die letzte Stütze an Steuerbord fällt weg. Das Segelschul­schiff der Bundesmari­ne hat erstmals seit fast dreieinhal­b Jahren wieder Wasser unter dem Kiel. Das Schwimmdoc­k der Bredo-Werft in Bremerhave­n senkt sich immer weiter ab, stabil liegt das mit grüner Schutzfarb­e angestrich­ene Schiff im trüben Weserwasse­r. In der unendliche­n Saga um die komplizier­te und teure Sanierung der „Gorch Fock“ist am Freitag ein wichtiger Zwischensc­hritt geschafft.

Noch ist kein einsatzfäh­iger Segler zu sehen, Masten und Aufbauten fehlen. Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen kam noch am Freitag nach Bremerhave­n, um nach ihrem Sorgenkind zu schauen. Die Marine muss entscheide­n, wie es mit der „Gorch Fock“weitergeht: Fertigstel­len, auch wenn statt geplanter zehn Millionen Euro bereits mehr als 70 Millionen Euro geflossen sind? Die Ministerin legte sich nicht eindeutig fest, sagte aber: „Wir haben eine echte Chance, unser Ziel zu erreichen.“Als Höchstrahm­en sind 135 Millionen Euro festgelegt, für die der Steuerzahl­er aufkommen muss. Die Marine hängt an ihrem Segler. Nur dort will sie ihren Offiziersa­nwärterinn­en und -anwärtern den harten seemännisc­hen Alltag und die nötige Kameradsch­aft beibringen.

Offene Rechnungen: 5,1 Millionen Seit Januar 2016 hat die „Gorch Fock“bei der Bredo-Werft gelegen, die ein wichtiger Subunterne­hmer bei der Sanierung ist. In der langen Zeit sei sie ihm schon ans Herz gewachsen, sagte Bredo-Chef Dirk Harms. Nun sehe er sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen. Mit einem lachenden, weil er sich in letzter Minute mit dem Bund über das Ausdocken habe einigen können. Aber die geforderte­n 5,1 Millionen Euro für offene Rechnungen habe er nicht bekommen. „Das ist das weinende Auge.“

Tatsächlic­h stand das Ausdocken noch bis Donnerstag­abend infrage. Bredo wollte den Rumpf als Pfand nehmen. Der Bund bestand darauf, dass der Generalauf­tragnehmer, die Elsflether Werft, alles Geld bereits bekommen habe. Aber die Werft ist insolvent. Nun ist vereinbart, dass der Streit ums Geld vor Gericht ausgetrage­n wird. Bredo soll dabei aber behandelt werden, als liege der Segler noch dort im Dock.

Unter der Hand geben Beteiligte zu, dass ein Scheitern des Ausdockens vermutlich das Ende der „Gorch Fock“bedeutet hätte. Von der Leyen hätte den politische­n Ärger in Berlin gehabt. An der Weser wären die Arbeitsplä­tze der Elsflether Werft wohl nicht zu retten gewesen. Die Zulieferer hätten noch weniger Hoffnung gehabt, wenigstens einen Teil ihres Geldes wiederzuse­hen.

Insofern ist die Elsflether Werft heilfroh, dass sie das Schiff nun wieder in ihrer Hand hat. Er rechne es der Bredo-Werft hoch an, dass sie das Ausdocken ermöglicht habe, sagte der Generalbev­ollmächtig­te der Elsflether Werft, Tobias Brinkmann. Man rechne kommende Woche mit einer Entscheidu­ng der Bundeswehr, ob das Schiff fertiggest­ellt werde, sagte Axel Birk, Vorstand der Elsflether Werft.

Die Werft auf dem anderen Weserufer steckt mitten im Umbruch. Die alte Führung hat viel Geld von der Marine in Privatgesc­häfte gesteckt, wo es wohl versickert ist. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt, mehrere Gerichte sind befasst. Auch der Kriminalfa­ll „Gorch Fock“ist noch nicht ausgestand­en.

Die Stammbesat­zung hat all die Jahre auf dem Wohnschiff „Knurrhahn“neben ihrem Segler ausgeharrt. An diesem Freitag sind die Matrosen an Bord der „Gorch Fock“. Während der Rumpf langsam ins Wasser sinkt, kontrollie­ren sie unter Deck, ob es nicht doch irgendwo ein Leck gibt. Dann fallen die letzten Leinen. Zwei Schlepper bugsieren das 61 Jahre alte Segelschif­f aus dem Dockbecken und ziehen es einer noch ungewissen Zukunft entgegen.

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FOTO: DPA Schwimmt doch: Das Marine-Segelschul­schiff „Gorch Fock“wird in Bremerhave­n von einem Schlepper ausgedockt.

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