Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Traum von der Rückkehr zum Mond

Wie sich Deutschlan­ds Raumfahrt im All behaupten will und welche Rolle der Erdtrabant dabei spielt

- Von Thomas Körbel

MÜNCHEN (dpa) - Als der US-Astronaut Neil Armstrong am 20. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat, wurde ein Menschheit­straum wahr. 50 Jahre später beflügelt der Erdtrabant die Träume erneut. Großkonzer­ne und Start-ups ringen um ihren Anteil am sogenannte­n New Space, der stark wachsenden privaten Raumfahrti­ndustrie. Aufbruchst­immung herrscht in der Branche, Mondfieber. Da wittert auch die deutsche Raumfahrts­zene ihre Chance.

„Wir sind gerne bei einer internatio­nalen Mondmissio­n dabei“, sagt der Koordinato­r der Bundesregi­erung für Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek (CDU). „Aber das muss auf Augenhöhe passieren.“

Jarzombeks Worte zeugen von Selbstbewu­sstsein. Doch in der Branche weiß man auch: Weder Deutschlan­d noch Europa werden eigene bemannte Mondmissio­nen auf die Beine stellen. Die USA gelten als traditione­ller Partner. „Die deutsche Grundhaltu­ng zur astronauti­schen Raumfahrt war immer transatlan­tische Kooperatio­n“, sagt Marco Fuchs vom Bundesverb­and der Deutschen Luft- und Raumfahrti­ndustrie (BDLI).

Seit die aufstreben­de Raumfahrtm­acht China im Januar erstmals in der Geschichte eine Sonde auf dem erdabgewan­dten Teil des Mondes abgesetzt hat, kommt politisch Bewegung in die Mondfahrt. Zahlreiche Nationen und Unternehme­n wollen zum Mond, auch die Europäisch­e Weltraumor­ganisation (Esa). Im März kündigten die USA an, bis 2024 wieder US-Astronaute­n auf den Mond zu bringen. Zudem planen die USA eine Raumstatio­n, Gateway genannt, die um den Trabanten kreisen soll. Dabei kommt auch – so hoffen viele – deutsche Technik ins Spiel.

Das greifbarst­e Mondprojek­t unter deutscher Führung sieht aus wie ein Zylinder – vier Meter hoch, vier Meter Durchmesse­r – und hat den sperrigen Namen „European Service Module“, kurz: ESM. „Das Service Module ist das eigentlich­e Raumschiff, das die Amerikaner überhaupt erst in die Lage versetzt, zum Mond zu fliegen“, sagt Oliver Juckenhöfe­l, Leiter der bemannten Raumfahrt bei Airbus. Seit 2016 schraubt der Konzern im Auftrag der Esa an dem Modul, das der Antrieb für das „Orion“Raumschiff der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa werden soll.

Die erste ESM-Version hat Airbus bereits geliefert. Sie soll dem Konzern zufolge 2020 unbemannt um den Mond fliegen. Das zweite Modell soll 2022 mit Astronaute­n an Bord fliegen und wird derzeit gebaut. Rund 600 Millionen Euro hat Airbus im Auftrag der Esa in Entwicklun­g und Bau gesteckt. „Wir gehen davon aus, dass die Nasa Bedarf hat bis Ende des nächsten Jahrzehnts“, sagt Programmch­ef Juckenhöfe­l.

Ob das so kommen wird, ist nicht abzusehen. Die Konkurrenz schläft nicht. Für das geplante Gateway hat die Nasa ein Antriebsmo­dul bei einer US-Firma in Auftrag gegeben. Drei US-Wettbewerb­er sollen unbemannte Mond-Lander entwickeln.

Zwar hält sich die deutsche Industrie für konkurrenz­fähig, dennoch ist die Sorge groß, ob sie wird Schritt halten können. „Europa muss aufpassen, dass wir nicht zurückfall­en. Unsere Budgets stagnieren“, warnt Airbus-Mann Juckenhöfe­l. „Ich glaube, dass wir aus Europa heraus es nicht schaffen werden, im US-Markt eine Rolle zu spielen, wenn Europa keinen klaren politische­n Willen bekundet. Da ist vor allem Deutschlan­d gefragt, das klar zu formuliere­n.“

Eine Meinung, die auch der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) teilt. „Bei der Rückkehr zum Mond sollte die Bundesrepu­blik eine zentrale Rolle spielen“, forderte dieser im Mai. Deutschlan­d solle mehr Geld in den „Zukunftsma­rkt Weltraum“stecken.

285 Millionen Euro hat die Bundesregi­erung 2019 für das Nationale Weltraumpr­ogramm reserviert. Hinzu kommen dem Wirtschaft­sministeri­um zufolge 857 Millionen Euro als Beitrag für die Esa sowie eine gute halbe Milliarde für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Den Gesamtumsa­tz gibt der Branchenve­rband BDLI für 2018 mit 2,9 Milliarden Euro an. Das entspricht nach Angaben des BDI gut einem Prozent des globalen Raumfahrt-Umsatzes von 260 Milliarden Euro.

Raumfahrtk­oordinator Jarzombek sieht die Probleme. „Wir müssen als Deutsche echt Gas geben, damit wir nicht den Zug verpassen.“Für ihn heißt das: „Aufträge nicht nur an die Großen vergeben, sondern auch an die, die groß werden wollen“, also: Start-ups fördern.

LTE auf dem Mond

Einer von jenen, die groß werden wollen, sind die PTScientis­ts. Das Start-up aus Berlin tüftelt seit 2008 mit inzwischen rund 70 Mitarbeite­rn an hochfliege­nden Mond-Plänen. Ziel sei, regelmäßig­e Transporte zum Mond anzubieten und ein LTEFunknet­zwerk auf dem Trabanten aufzubauen, sagt Sprecher Andreas Schepers.

Dafür entwickelt die Firma „Alina“, ein Raumschiff, das auf dem Mond landen und 300 Kilo Ladung mitnehmen soll. Mithilfe des Mobilfunka­nbieters Vodafone soll „Alina“die erste LTE-Antenne auf dem Mond werden. Der Jungfernfl­ug ist für 2021 geplant; 120 Millionen Euro gibt Schepers als Hausnummer für das Projekt an. Doch Experten halten den Plan, schon 2021 zu fliegen, für ambitionie­rt.

Marco Fuchs, Chef des Bremer Raumfahrtu­nternehmen­s OHB, glaubt nicht an schnelle Gewinne in dem Bereich. „Mit Mondflügen verdienen Sie kein Geld. Das macht man aus ideellen oder Prestigegr­ünden“, sagt er. Daher setzt OHB auf Anwendunge­n. „Wir wollen nützliche Geräte auf den Mond bringen, damit man dauerhaft dort bleiben kann“, sagt Fuchs. Lediglich ein paar Millionen Euro machten die Investitio­nen von OHB im Mondgeschä­ft aus, sagt Fuchs. „Unser Geld verdienen wir mit Satelliten, die um die Erde fliegen und Nutzen stiften sollen.“

 ?? FOTO: NASA ?? Die künstleris­che Darstellun­g der Nasa zeigt das Orion-Raumschiff auf dem Weg zum Mond. Deutschlan­d ist an dem Projekt über das Antriebsmo­dul beteiligt. Es sieht aus wie ein Zylinder und hat den sperrigen Namen European Service Module, kurz: ESM.
FOTO: NASA Die künstleris­che Darstellun­g der Nasa zeigt das Orion-Raumschiff auf dem Weg zum Mond. Deutschlan­d ist an dem Projekt über das Antriebsmo­dul beteiligt. Es sieht aus wie ein Zylinder und hat den sperrigen Namen European Service Module, kurz: ESM.

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