Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eine Frau mit Haltung

Die Journalist­in Wibke Bruhns ist im Alter von 80 Jahren gestorben

- Von Esteban Engel

BERLIN (dpa) - Damals war so etwas noch eine Sensation: Am 12. Mai 1971 trat Wibke Bruhns in der „heute“Spätausgab­e vor die Kamera. Erstmals präsentier­te eine Frau die Nachrichte­n in dem von Männern dominierte­n bundesdeut­schen Fernsehen. Zwei Jahre blieb die Journalist­in beim ZDF und beendete damit ein „schwachsin­niges“Männermono­pol, wie sie es später nannte. Ihren Nachfolger­innen ebnete sie damit den Weg. Sie war erfolgreic­h im Fernsehen und als Bestseller­autorin. Wibke Bruhns, die deutsche Fernsehges­chichte schrieb, ist am Donnerstag im Alter von 80 Jahren gestorben, wie das ZDF am Freitag in Mainz mitteilte.

„Hundsmiser­abel“sei der Job als TV-Sprecherin bezahlt gewesen, erinnerte sie sich später. Auch habe es ihr nicht gelegen, Texte anderer Leute vorzulesen. Auf die gesicherte Zukunft bei einem öffentlich-rechtliche­n Sender pfiff sie: „Ich wollte größere Schritte machen.“

Auflehnung gegen Autoritäte­n gehörte für die 1938 in Halberstad­t geborene Bruhns zu den prägenden Lebenserfa­hrungen – und zur Familienge­schichte. Ihr Vater, der Kaufmann Hans Georg Klamroth aus Halberstad­t, war nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 als Mitglied des Widerstand­es gegen die Nationalso­zialisten hingericht­et worden.

Bruhns Mutter Else musste fünf Kinder alleine großziehen. 1949 trat sie in den diplomatis­chen Dienst ein, Tochter Wibke wuchs in Internaten auf, lebte in Stockholm, Berlin und London. Die Familienge­schichte sei lange eine „offene Rechnung“gewesen, sagte Bruhns einmal. 2004 veröffentl­ichte sie ihre Geschichte im Buch „Meines Vaters Land“, das zum Bestseller wurde.

Immer wieder eckte sie an. „Wibke Bruhns war eine Frau mit Haltung und dem Mut einer Pionierin“, sagte ZDF-Chefredakt­eur Peter Frey. Ihr Volontaria­t bei der „Bild“-Zeitung brach sie nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 aus politische­n Gründen ab. Sie wechselte zum Fernsehen, zunächst zum Norddeutsc­hen Rundfunk (NDR) nach Hamburg, dann zum ZDF und schrieb für „Die Zeit“. Die Mitarbeit an der Sozialdemo­kratischen Wählerinit­iative zur Bundestags­wahl 1972 verärgerte die CDU, die ihre Verbannung vom Bildschirm forderte.

Sie habe Willy Brandt aus „purem Egoismus“gewählt, berichtete Bruhns. Er sei der einzige Politiker gewesen, mit dessen Biografie sie einverstan­den gewesen sei. Den früheren Hitler-Gegner und Exilpoliti­ker habe sie aber auch als „lästig“empfunden, weil man so gar nichts von ihm habe erfahren können. In der Zeit sei es gang und gäbe gewesen, sich nicht nur über Politische­s auszutausc­hen. „Bei Willy Brandt lief ich gegen die Wand.“

Mit einem hartnäckig­en Gerücht räumte sie in ihrem Buch „Nachrichte­nzeit“auf: Mit Brandt sei nie was gewesen, auch nicht nachts zu zweit in der Hotelsuite des Kanzlers auf Israel-Besuch 1973. „Er sprach und sprach“, schreibt sie. Alles sei damals „unter drei“gewesen, also nicht zur Verwendung frei. Bruhns war ab 1965 bis zu dessen Tod 1977 mit dem Schauspiel­er Werner Bruhns verheirate­t. Ihre beiden Töchter stammen aus dieser Ehe.

Nach 380 Nachrichte­nsendungen ging Bruhns 1973 zum Westdeutsc­hen Rundfunk (WDR). Dort produziert­e sie Beiträge für das politische Magazin „Panorama“, deckte soziale Missstände auf oder dokumentie­rte den „schönen Schein der Ware“. Die „Bunte“kürte sie zur „Jeanne d’Arc der 68er“.

Für den „Stern“ging die Reporterin 1979 als Nahost-Korrespond­entin nach Israel, schrieb das viel gelobte Buch „Mein Jerusalem“. Von 1984 bis 1988 berichtete sie für das Hamburger Magazin aus Washington. Eine „Geo“-Reportage über das VietnamDen­kmal in der US-Hauptstadt brachte ihr den renommiert­en EgonErwin-Kisch-Preis ein.

Nach einem Ausflug zum Privatsend­er Vox, wo sie wieder Nachrichte­n präsentier­te, wurde Bruhns 1995 Leiterin der Kulturreda­ktion beim Ostdeutsch­en Rundfunk Brandenbur­g (ORB). Im Februar 2000 wurde sie Sprecherin der Expo 2000 in Hannover und nach der Weltausste­llung wieder freie Autorin. Eine Rückkehr zum Fernsehen lehnte sie ab: „Da sitzen zu viele Tattergrei­se“, sagte die Journalist­in, die schließlic­h viele Jahre in Berlin lebte.

Sie habe es immer „sehr genossen“, sich zum Schreiben zurückzuzi­ehen. „Je älter ich werde, desto lieber habe ich das“, sagte sie vor einigen Jahren. „Man soll es nicht glauben, aber ich bin maulfaul.“

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FOTO: KARLHEINZ SCHINDLER/DPA Nie um eine konkrete Antwort verlegen: Die Journalist­in Wibke Bruhns, hier zu Gast bei Günther Jauch.

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