Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mehr Frust als Freude

Sebastian Vettel steht in Le Castellet noch mehr unter Druck – Strafe von Montreal bleibt

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LE CASTELLET (dpa/SID) - Zufriedenh­eit sieht anders aus. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Sebastian Vettel vor dem Formel-1Grand-Prix in Le Castellet (15.10/ RTL und Sky) die Hochzeit mit Langzeit-Freundin Hanna besiegelt hat. Denn das private Glück – das Paar hat bereits zwei Kinder – kann den 31Jährigen nicht darüber hinwegtrös­ten, dass er in seinem Metier als Rennfahrer zum einen mit seiner Form und der Leistung seines Ferrari-Rennwagens hadert und zum anderen seit der Fünf-Sekunden-Strafe von Montreal, die ihn um den ersten Saisonsieg gebracht hat, die Lust an der Formel 1 der Gegenwart teilweise verloren hat. Am Freitag entschiede­n die Rennkommis­sare nach neuerliche­r Anhörung, dass die Bestrafung bestehen bleibt.

Im Süden Frankreich­s steht Vettel beim achten Saisonlauf so mehr denn je unter Beobachtun­g. Aus den beiden freien Trainingse­inheiten konnte die Scuderia trotz einiger technische­r Änderungen keine neue Zuversicht schöpfen. Mehr als sieben Zehntelsek­unden fehlten Vettel auf Rang vier zur Bestzeit des finnischen Silberpfei­l-Fahrers Valtteri Bottas. Auch WM-Spitzenrei­ter Lewis Hamilton war im Mercedes trotz einiger Fahrfehler schneller als sein deutscher Dauerrival­e und wurde Zweiter. Rang drei belegte Vettels Teamkolleg­e Charles Leclerc.

Wunsch nach mehr Freiraum Vettel macht derzeit die schwierigs­te Phase seiner inzwischen zwölf Jahre dauernden Karriere in der Formel 1 durch. Offen spricht der viermalige Weltmeiste­r darüber, wie fremd ihm die Rennserie geworden ist, wie sehr er sich nach mehr Freiraum auf und neben der Strecke sehnt. Eher trotzig wirkt da, wenn er in Le Castellet behauptet: „Ich bin nicht frustriert.“

Der Rückblick auf die Ereignisse von Montreal zeigt wie unter einem Brennglas alle Facetten der Debatte, die sich an der Person Vettel entzünden. Sein Unmut über die Fünf-Sekunden-Strafe, nachdem er als Führender übers Gras gerutscht war und Verfolger Hamilton nah an eine Mauer gezwungen hatte, löste einen Streit über das Regelwerk und die Rolle der Rennkommis­sare aus. Vettels heftiger Zornesausb­ruch nach dem Rennen warf zudem die Frage auf, wie sehr Sportler ihre Gefühle öffentlich ausleben dürfen. „Emotionen zu zeigen, ist menschlich“, meint der Heppenheim­er und wirbt um Verständni­s.

Der Fahrfehler, der die ganze Affäre erst ins Rollen brachte, nährt aber auch die Zweifel an der StressResi­stenz des Deutschen. „Wir haben wieder gesehen: Wenn der Druck im Zweikampf zwischen Lewis und ihm da ist, dann macht Vettel diese Fehler“, kommentier­te der frühere Champion Nico Rosberg spitz. Das Fachportal motorsport.com provoziert­e vor dem Frankreich-Rennen gar mit der Schlagzeil­e: „Sollte Ferrari den fehleranfä­lligen Vettel aufgeben?“

Die Kritik ist keineswegs neu. Im Vorjahr hatte Vettel mit Patzern in Baku und Hockenheim mögliche Siege verschenkt, war in Le Castellet in den Mercedes von Bottas gekracht und hatte sich in Monza, Suzuka und Austin gedreht. Auch in dieser Saison verlor er in Bahrain eher anfängerha­ft die Kontrolle über sein Gefährt. Gemessen an den Steuerküns­ten von Hamilton im bärenstark­en Mercedes ist die jüngste Fehlerquot­e von Vettel bedenklich.

Nicht erst seit seiner heimlichen Heirat wird spekuliert, dass sich ein gekränkter Vettel noch vor Ablauf seines bis Ende 2020 laufenden Vertrags ins Privatlebe­n zurückzieh­en könnte. Hamilton, der selbst schon manchen Gefühlsstu­rm in der Formel 1 erlebt hat, mag davon nichts wissen. „Wir hatten über die Jahre viele gemeinsame Rennen, gegen niemanden fahre ich wohl lieber als gegen ihn“, sagt der 34 Jahre alte Brite. „Ich hoffe, da kommen noch viele mehr.“Dazu müsste der Deutsche aber mal wieder erleben, wie sich Siege anfühlen. Müsste kühl bleiben in kniffligen Momenten. In Le Castellet, mit vielen Kurven kein ideales Terrain für den Ferrari, dürfte es eher neuerlich um Schadensbe­grenzung gehen. Schon 62 Punkte trennen Vettel von WM-Spitzenrei­ter Hamilton.

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FOTO: DPA Mehr Frust als Lust: Sebastian Vettel ist zuletzt der Spaß an seinem Sport vergangen.

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