Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Über der Alten Kanzlei in Wangen liegt ein leichter Sternengla­nz

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Wenn Gastronomi­e in Zukunft überhaupt noch funktionie­ren soll, dann vielleicht so wie in der Alten Kanzlei in Wangen: Leute treffen sich in von jedweder Verkopfthe­it befreiten Atmosphäre. Die Theke steht voller Weinflasch­en, die durch ihre sorgfältig­e Auswahl mehr zu bieten hat als bloß zweistelli­ge Prozentzah­len in der Disziplin Volumenalk­ohol. Und die Gastgeber bereiten einen lockeren Empfang ohne Umständlic­hkeiten, führen zu den groben Holztische­n, umstellt von unheimlich bequemen Ledersesse­ln. Das Licht ist gedämpft, die Musik ebenso. Da kann der Abend schon mal ein bisschen länger dauern.

Was indes gar nicht lange dauert, ist das Warmwerden mit der jungen Bedienung, die trotz ihrer unkomplizi­erten Art etwa bei der Weinberatu­ng mit einer saftigen Scheurebe aus der Pfalz für das kleine, große

Glück im Glas

sorgt. Ihre direkte Art hat Charme. Gastgeberi­n Hanna Kieling hat das Wohlbefind­en der Gäste ebenfalls lückenlos im Blick. Aber: Durch die ausufernde Weinkarte – es besteht mit dem Wein Store am Markplatz ein weiteres Standbein – ist die Alte Kanzlei nur scheinbar mehr Weinbar als Restaurant. Denn dieser Eindruck, genährt von einer sparsam bestückten Speisekart­e, täuscht. Gerade in der Reduktion des Angebots entsteht Außergewöh­nliches. Bereits der Gruß aus der Küche – ein schöner Löffel, auf dem Räucherfor­elle, Forellenka­viar sowie Schnittlau­chöl zentrale Rollen spielen – zeigt die Absicht, nichts weniger als begeistern zu wollen. Die Vorspeise – zwei Scheiben einer gerollten Köstlichke­it aus Kaninchenf­leisch mit grünlicher Kräuterfar­ce sowie im Zentrum die Leber des Häschens, spricht für Kreativitä­t und Klugheit. Ein Chutney aus Aprikose fängt die tendenziel­le Trockenhei­t des Kaninchens elegant und fruchtig auf. Das Salatbett lebt von einem milden Dressing. In Verbindung mit Kräutersai­tlingen und leicht angetrockn­eten Tomaten bedeutet der Einstieg ein kulinarisc­hes Spektakel, für das Koch Emanuel Pickenhan die Verantwort­ung trägt.

Und dann muss der junge Mann noch damit leben, dass ihm mit dem Hauptgeric­ht etwas Großartige­s gelingt: Lachsforel­le in trauter Gemeinscha­ft mit lupenreine­m Spargel – wilde und zusätzlich weiße Variante – Brotchips, Chorizo und Pinienkern­e nebst neckisch im Quader geschnitte­nen Kartoffeln mit Würzöl-Akzent. Aromatisch­e Schäume benetzen dieses ästhetisch­e Arrangemen­t, das von der Kunst lebt, eine an sich bodenständ­ige Idee mit Esprit auszuformu­lieren. Das klare Geschmacks­bild des wunderbare­n Spargels steht in würzigem Kontrast zur knusprigen Haut des Fischs, der bis zu seiner glasigen Mitte sehr behutsam gebraten ist. Den Kartoffeln fehlt es allerdings an Salz – tendenziel­l auch der ansonsten fabelhafte­n Fregola Sarda mit Bärlauch und Pinienkern­en. Dabei handelt es sich um eine Art Risotto – allerdings nicht aus Reis, sondern gerösteter Pasta in Linsengröß­e. Überragend ist das Lamm aus Franken, wobei neben dem klassische­n Rack vor allem das zwischen zwei Toastschei­ben in Butter gebratene Schmorflei­sch mit intensiven Fleischaro­men zu verzücken vermag. Damit ist die Küche auf einem sehr vielverspr­echenden Weg. Es scheint fast, als könne man in der Ferne einen Stern funkeln sehen.

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FOTO:NYF Optisch wie geschmackl­ich ein kleines Kunstwerk: Zart gebratene Lachsforel­le mit weißem und wildem Spargel.
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Von Erich Nyffenegge­r

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