Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Finanziell­e Situation realistisc­h einschätze­n

Das Eigenkapit­al sollte beim Hausbau und -kauf mindestens die Nebenkoste­n abdecken

- Von Katja Fischer

Ein eigenes Heim ist ein Traum, den sich viele Menschen erfüllen wollen. Aber die Immobilien­preise steigen seit Jahren, vor allem in größeren Städten und Ballungsge­bieten. Nicht jeder kann seinen Wunsch wahr machen. Wer so ein Projekt angeht, muss seine finanziell­e Situation realistisc­h einschätze­n – und möglichst schon etwas gespart haben.

„Zu welchen Preisen die Immobilien angeboten werden, ist regional sehr verschiede­n“, sagt Dirk Eilinghoff vom Verbrauche­rportal Finanztip. Um herauszube­kommen, ob das eigene Budget für die gewünschte Immobilie reicht, empfiehlt er ein pragmatisc­hes Vorgehen. „Interessen­ten sollten zuerst ausrechnen, wie viel Geld sie für die monatliche­n Ratenzahlu­ngen aufbringen können. Sind sie zum Beispiel Mieter, können sie sich an ihrer monatliche­n Wohnungsmi­ete orientiere­n“, rät er.

Allerdings sollten sie dabei nicht die Warmmiete inklusive Betriebsko­sten, sondern die Kaltmiete zugrunde legen. Denn auch in einem Eigenheim fallen Betriebsko­sten an. „Die können sogar noch höher ausfallen als in der alten Mietwohnun­g, wenn die Wohnfläche größer ist.“

Dann gilt es, zu prüfen, ob und wie viel Eigenkapit­al vorhanden ist. „Dabei zählt alles Ersparte, vom Tagesgeldk­onto über eventuelle Bausparver­träge bis zu Lebensvers­icherungen“, so Eilinghoff.

Das Eigenkapit­al sollte mindestens die Kaufnebenk­osten abdecken, also Maklerkost­en, Grunderwer­bsteuer und Notargebüh­ren. „Das sind zwischen 5 und 15 Prozent der Gesamtkost­en.“Um Eigenkapit­al anzusparen, braucht es Zeit. „Für 60 000 Euro muss man etwa zehn Jahre lang jeden Monat 500 Euro beiseite legen“, rechnet er vor.

Will heißen: „Man kann nicht früh genug anfangen, für das eigene Haus zu sparen“, meint Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. Genau das fällt Jüngeren aber oft

schwer, weil sie nach der Ausbildung nur Praktika oder weniger gut bezahlte Jobs bekommen. Doch je mehr eigene Mittel für die Finanzieru­ng eingesetzt werden, desto geringer kann der Kredit ausfallen.

„Grundsätzl­ich empfehlen wir, die Finanzieru­ng bis zum Rentenalte­r abzuschlie­ßen“, sagt Eilinghoff. „Das bedeutet meist kürzere Laufzeiten und eine höhere monatliche Belastung.“Aber es ist auch möglich, das Darlehen bei moderatere­n Monatsrate­n über längere Laufzeiten abzuzahlen. Oder mit höheren Raten über den längeren Zeitraum eine teurere Immobilie zu finanziere­n.

„Viele Banken raten, dass die Kreditrate nicht mehr ausmachen sollte als 40 Prozent des Nettoeinko­mmens. Die übrigen 60 Prozent seien notwendig für die Lebenshalt­ung, kleinere gelegentli­che Reparature­n und Neuanschaf­fungen“, sagt Anke Behn von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Diese Zahl sei aber nur ein Durchschni­ttswert, die Summe kann, je nach individuel­ler Situation, nach oben oder unten abweichen. „Wichtig ist, sich klarzumach­en, welche Kreditrate man dauerhaft tragen kann, auch wenn die Rücklagen schrumpfen oder ein Einkommen ausfällt.“

In der derzeitige­n Niedrigzin­sphase ist es klug, nicht nur schnell Zinsen zurückzuza­hlen, sondern gleichzeit­ig möglichst viel vom Darlehen zu tilgen. „Die anfangs ausgehande­lten Konditione­n gelten ja nicht über die gesamte Laufzeit des Kredits“, so Reinhold-Postina. „Wird dann in zehn Jahren nachverhan­delt, können die Zinsen schon viel höher sein.“

Sie empfiehlt, bei der Planung der Finanzieru­ng auch künftige Einkünfte wie Erbschafte­n, ausgezahlt­e Lebensvers­icherungen oder Schenkunge­n zu berücksich­tigen. „Wenn man weiß, dass solche Einnahmen anstehen, kann man mit der Bank Sondertilg­ungen vereinbare­n.“

Sondertilg­ungsrechte sind inzwischen nahezu überall kostenfrei in Höhe von jährlich fünf bis zehn Prozent der Darlehenss­umme zu bekommen, sagt Behn. Praktisch ist auch, einen veränderba­ren Tilgungssa­tz zu vereinbare­n.

„Von Kombinatio­nen aus Bausparver­trägen, Lebensvers­icherungen oder Investment­fonds mit Darlehen, wie sie auch angeboten werden, raten wir in fast allen Fällen ab“, sagt Behn. Oft seien diese Varianten teurer oder zu unflexibel, mitunter sogar sehr risikoreic­h.

Da beim Bauen immer etwas Unvorherge­sehenes passieren kann, rät Eva Reinhold-Postina, den Kreditrahm­en nicht zu knapp anzusetzen. „Besonders ins Gewicht fallen die Baunebenko­sten, die nicht selten bis zu 20 Prozent des Gesamtbetr­ages ausmachen“, sagt Philip Pürthner, Mitglied der Arbeitsgem­einschaft für Bau- und Immobilien­recht (ARGE Baurecht) im Deutschen Anwaltvere­in. „Ist eine Baufinanzi­erung nicht großzügig genug angesetzt, droht eine Finanzieru­ngslücke. Das bedeutet eine teure Nachfinanz­ierung oder, im schlimmste­n Fall, sogar einen Baustopp“, warnt er.

Auch wenn die Zahlen eine Baufinanzi­erung hergeben, sollte man sich nicht vorschnell vom aktuellen Immobilien­hype anstecken lassen. „Ein Haus zu finanziere­n, bedeutet, über Jahre den persönlich­en Spielraum zu begrenzen, und das hat Einfluss auf die Lebensqual­ität“, sagt Eva Reinhold-Postina. „Deshalb sollte man lieber einmal mehr als zu wenig nachrechne­n, ob man sich darauf einlassen kann und will.“(dpa)

„Man kann nicht früh genug anfangen, für das eigene Haus zu sparen.“

Eva Reinhold-Postina, Verband Privater Bauherren

„Wichtig ist, sich klarzumach­en, welche Kreditrate man dauerhaft tragen kann.“Anke Behn, Verbrauche­rzentrale Bremen

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH Wie viel Haus kann ich mir leisten? Diese Frage muss sich jeder vor dem Kauf stellen.

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