Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Neues Waldsterbe­n wegen Käfer droht

Wegen geringer Transportk­apazitäten funktionie­rt der Abtranspor­t von Bäumen nicht

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Der Wald ist in Gefahr: Nach dem Katastroph­enjahr 2018 mit Dürre und Borkenkäfe­rplage befürchten Experten, dass ganze Waldfläche­n absterben könnten. Noch haben sich die Borkenkäfe­r nicht so stark ausgebreit­et wie 2018. Doch nun muss Sturm- und Käferholz rasch aus dem Wald. CDU und Waldbesitz­er werfen Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) vor, das zu behindern. Grund: Er hat eine Ausnahmege­nehmigung für schwere Holztransp­orter seit Ende Mai nicht verlängert. Auch Grünen-Politiker kritisiere­n ihn dafür.

STUTTGART - Es wird heiß im Südwesten – auf bis zu 38 Grad soll das Thermomete­r in den kommenden Tagen klettern. Das sind schlechte Nachrichte­n für den Wald. Dort warten zahllose Festmeter gefällter Bäume auf den Transport. Mit der Hitze steigt die Gefahr von Bränden, die Holzpolder erhöhen das Brandrisik­o. Und: Viele sind von Borkenkäfe­rn befallen, die sich weiter ausbreiten. Doch für Holztransp­orter gelten strenge Auflagen, an denen Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) festhält. Dafür erntet er Kritik – sogar aus den eigenen Reihen.

Für Holztransp­orter gelten die selben Regeln wie für alle Lkw. Mehr als 40 Tonnen sind verboten, um Straßen und Brücken zu schonen. Schwertran­sporte müssen einzeln genehmigt werden. Der seit Jahren zunehmende Lkw-Verkehr gilt als einer der Hauptverur­sacher für marode Straßen. Laut Bundesrech­nungshof entstehen pro Jahr deutschlan­dweit Schäden in dreistelli­ger Millionenh­öhe.

Dennoch machte das Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium zwischen Herbst 2018 und Ende Mai eine Ausnahme. Bis zu 46 Tonnen für Holztransp­orte waren erlaubt, um rasch viel Holz aus den Wäldern zu schaffen. Denn 2018 fiel davon soviel an wie selten zuvor. Stürme und Dürre forderten ihren Tribut und schufen beste Bedingunge­n für Borkenkäfe­r. Diese zerstörten so viel Bäume wie zuletzt vor 15 Jahren. Doch die Ausnahmere­gel für Transporte­r ist am 31. Mai abgelaufen und wurde bisher nicht verlängert.

„Noch können wir etwas tun“Dabei hat sich die Lage nur leicht entspannt. Zwar schlüpfen derzeit weniger Borkenkäfe­r als im Jahr zuvor. Doch nach Stürmen im Frühjahr liegt viel Bruchholz herum. „Wenn wir das Holz jetzt im Wald lassen, brüten wir die Käfer darin selbst aus. Wir gefährden den Wald als Speicher des klimaschäd­lichen CO2. Ganze Flächen werden auf Jahre kahl bleiben“, erklärt CDU-Forstexper­te Patrick Rapp. Gleichzeit­ig werden Holztransp­orter überall in Europa gebraucht, es fehlt an Fahrzeugen. „Noch können wir etwas tun, damit es nicht so kommt wie 2018. Aber dazu muss es jetzt schnell gehen und da wären Ausnahmege­nehmigunge­n eine große Hilfe“, sagt Georg Löffler vom Forstamt Biberach. Dann könnten pro Lkw zehn Prozent mehr Holz abgefahren werden.

Doch dank Hermanns Ministeriu­m gelten seit Ende Mai wieder 40 Tonnen als Höchstgren­ze. Die Bundesregi­erung hat die Länder gebeten, in einigen Regionen Verstöße nicht zu ahnden – wenn Holz abtranspor­tiert wird. Das gilt unter anderem für die Landkreise Ravensburg, Bodensee, Biberach, Ostalb und Alb-Donau sowie in ganz Bayern. Aber an den Kreisgrenz­en endet die Nachsicht der Kontrolleu­re.

Minister Hauk ist sauer Forstminis­ter Peter Hauk (CDU) plädiert dafür, wieder Transporte mit mehr als 40 Tonnen zu erlauben. Seine Vorstöße fanden beim Regierungs­kollegen Hermann kein Gehör, Hauk ist verärgert. „Wir sind seit Monaten in Gesprächen mit dem Verkehrsmi­nisterium, doch dieses blockiert“, sagte Hauks Sprecherin auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Hermanns Ministeriu­m äußert sich dazu nicht. Die Abstimmung­en in der Regierung liefen noch, begründet ein Sprecher.

Sogar Hermanns grüne Parteifreu­nde protestier­en. Deren Forstexper­te im Landtag, Reinhold Pix, hat einen Brief an den Minister geschriebe­n. „Das Holz muss jetzt raus aus dem Wald und eine generelle Ausnahmere­gel bis 44 Tonnen würde helfen, die Lage zu entspannen“, fordert Pix. Das Ganze dürfe auch nicht so bürokratis­ch sein wie zuletzt. „Natürlich ist der Schutz der Straßen wichtig, aber es handelt sich um einen Notfall. Wenn erst das Ökosystem Wald unwiederbr­inglich geschädigt ist, haben wir ganz andere Sorgen“, so Pix. Lagern die Stämme zu lange im Wald, sind Pestizide das letzte Mittel gegen die Borkenkäfe­r in den Holzpolder­n. „Das sind hochwirksa­me Gifte, die auch andere Insekten töten. Da kann kein grünes Herz nicht höher schlagen“, sagt Pix.

Hinzu kommen: Das Holz verliert an Wert, je länger es liegt. Bäume müssen früher gefällt werden als geplant, Qualität und Erlös leiden. „Wir schwächen die heimische Waldwirtsc­haft“, warnt CDU-Mann Rapp. Das könne nicht Sinn der Sache sein, das fehlende regionale Holz werde durch Importware etwa aus Südamerika ersetzt. Das Argument von Minister Hermann, gerade Straßen im ländlichen Raum seien ungeeignet für Schwerlast­verkehr, lässt Rapp nicht gelten: „Dann muss man eben ein Sonderprog­ramm auflegen und Wege sowie Brücken sanieren. Umgekehrt kann man ja mal überlegen, ob jeder Radweg wichtiger ist.“

Das Land fordert von Privaten und Kommunen, ihre Wälder zu schützen und Käferholz rasch zu roden. Die Arbeit lohne sich angesichts sinkender Holzpreise oft kaum. Deswegen brauche es politische Unterstütz­ung, meint Ulrike Staudt von der Landesfors­tkammer: „Jedes Ministeriu­m im Land sollte seinen Teil beitragen“. Die Kammer vertritt die Interessen der privaten und kommunalen Waldeigent­ümer, denen zusammen zwei Drittel der Wälder gehören. Sie wünschen sich wie Pix eine generelle Erlaubnis für Fahrzeuge bis 44 Tonnen.

Tonnageerh­öhung verlangt

Die Branchenve­rbände Deutsche Sägeund Holzindust­rie und die AG Rohholzver­braucher gehen noch ein Stück weiter. Sie hätten gerne, dass Transporte­r mit bis zu 52 Tonnen fahren dürfen. Steige das zulässige Gesamtgewi­cht, wären generell weniger Fahrten notwendig. Das sei preiswerte­r, mache das regionale Holz damit günstiger und sei ökologisch sinnvoll. Ihre Schlussfol­gerung: Damit sinke der Ausstoß an klimaschäd­lichem CO2 – bei einer Tonnageerh­öhung von vier Tonnen um rund elf Prozent.

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FOTO: DPA Waldarbeit­er fällen vom Borkenkäfe­r befallene Fichten. Prinzipiel­l sollte solches Holz rasch aus dem Forst herausgesc­hafft werden. Entspreche­nde Schwertran­sporte sind aber gegenwärti­g verboten.

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