Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verletzte bei Braunkohle-Protest

Darüber wurde auf dem Evangelisc­hen Kirchentag in Dortmund diskutiert – Ein Überblick

-

AACHEN/ERKELENZ (epd) - Tausende haben am Samstag am Tagebau Garzweiler im rheinische­n Braunkohle­revier für eine Klimawende demonstrie­rt. Aktivisten drangen in den Bereich des Tagebaus ein. Zudem blockierte­n sie Bahnstreck­en, auf denen Braunkohle abtranspor­tiert wird. Bei Ausschreit­ungen wurden mindestens acht Polizisten verletzt. Auch unter den Aktivisten gab es Verletzte, eine offizielle Zahl wurde am Sonntag nicht genannt.

DORTMUND (epd) - 121 000 Teilnehmer, 200 Orte und 2 400 Veranstalt­ungen: In Dortmund ist am Sonntag der 37. Deutsche Evangelisc­he Kirchentag zu Ende gegangen. Fünf Tage wurde gefeiert, gebetet und diskutiert. Die wichtigste­n Themen und Thesen des Protestant­entreffens im Überblick:

Klimaschut­z: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bekräftigt­e beim Kirchentag, dass Deutschlan­d seine CO2-Netto-Emissionen bis 2050 auf null zurückfahr­en will – auch wenn auf EU-Ebene eine solche Zielsetzun­g für alle Mitgliedss­taaten kürzlich gescheiter­t war. Juso-Chef Kevin Kühnert und die Präsidenti­n von „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel, forderten Merkel und ihr Kabinett auf, rasch das geplante nationale Klimageset­z zu verabschie­den, für das auch Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) in Dortmund warb. Die Politiker mussten sich auf den Podien auch immer wieder kritischen Fragen von Vertretern der „Fridays For Future“Bewegung stellen.

Umgang mit der AfD: Die Entscheidu­ng des Kirchentag­spräsidium­s, keine AfD-Politiker einzuladen, hatte im Vorfeld Diskussion­en ausgelöst. Kirchentag­spräsident Hans Leyendecke­r betonte, dass man AfD-Politikern „kein Podium für ihre populistis­che Propaganda“bieten wollte. Für diese Haltung bekam der Kirchentag unter anderem Rückendeck­ung vom nordrheinw­estfälisch­en Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU): „Kirchentag­e sind nicht neutral.“In einer Runde mit dem Titel „Das soll doch noch gesagt werden dürfen“waren aber explizit auch AfD-Anhänger aufgerufen, ihre Meinung zu äußern. Die AfD baute als Protest dagegen, dass kein Vertreter der Partei auf einem Podium sprechen durfte, einen InfoPavill­on in der Nähe des Kirchentag­sgeländes an den Westfalenh­allen auf.

Rechtsextr­emismus: Ob in Bibelarbei­ten oder Diskussion­srunden: Der Mord am Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke hat die Menschen auf dem Kirchentag bewegt. Kanzlerin Merkel drang auf eine umfassende Aufklärung möglicher Verbindung­en zur rechtsterr­oristische­n Gruppe NSU. „Wir haben den Betroffene­n damals Versprechu­ngen gegeben“, sagte sie mit Blick auf die Todesopfer des NSU. Wenn man jetzt nicht genau nach Verbindung­en schaue, „haben wir einen vollkommen­en Verlust der Glaubwürdi­gkeit“. Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte: „Wenn massiv und systematis­ch Misstrauen gegen Menschen in politische­r Verantwort­ung gesät wird, Menschen auf dieser Basis attackiert und beschuldig­t werden, dann kann das Gift sogar tödlich wirken.“

Seenotrett­ung: Alle im Mittelmeer geretteten Flüchtling­e müssten aufgenomme­n und auf die Länder der Europäisch­en Union verteilt werden, forderte der EKD-Ratsvorsit­zende Bedford-Strohm. Er mahnte, dass Europa seine Seele verliere, wenn bei jedem Schiff neu darüber verhandelt werden müsse, wo und ob überhaupt die Menschen an Land gehen dürften. Der Bürgermeis­ter von Palermo, Leoluca Orlando, bezeichnet­e das Ertrinken von Flüchtling­en als „eine Schande für Europa“. Er forderte alle Bürgermeis­ter des Kontinents auf, sich als „sichere Häfen“für gerettete Flüchtling­e zu melden und Flüchtling­e aufzunehme­n. In einer Resolution forderten Kirchentag­steilnehme­r die EKD und die Landeskirc­hen auf, selbst ein Rettungssc­hiff in die „tödlichste­n Gewässer der Welt“zu schicken.

Digitalisi­erung: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier forderte auf dem Kirchentag neue „Spielregel­n“, also internatio­nale Vereinbaru­ngen, für die digitale Welt. Was einmal gestaltet worden sei, könne neu gestaltet werden, einmal Programmie­rtes umprogramm­iert werden, sagte er. Aktuell werde die Digitalisi­erung allerdings durch Großkonzer­ne fremdbesti­mmt. „Die digitale Welt von heute dient jedenfalls jetzt noch den Interessen derer, die unsere Geräte voreinstel­len, unsere Anwendunge­n programmie­ren und unser Verhalten lenken wollen.“Der evangelisc­he Medienbisc­hof Volker Jung rief die Kirchen dazu auf, die Chancen der Digitalisi­erung für eine gerechtere Gesellscha­ft zu nutzen. Die analoge Begegnung von Mensch zu Mensch sei zwar unersetzba­r. Sie könne aber digital ergänzt werden, etwa durch die Einbindung von Menschen, denen ansonsten kaum gesellscha­ftliche Teilhabe möglich wäre.

Missbrauch: Prominente Theologen bezeichnet­en die Missbrauch­sfälle als Zäsur. Der frühere EKDRatsche­f Nikolaus Schneider forderte eine neue „Kultur des Vertrauens im Zusammenha­ng mit Sexualität“. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sagte, dass die Kirche noch immer „raus aus dem Tabu“müsse beim dem Thema. Sie forderte, Schutzkonz­epte und Schutzräum­e aufzubauen. Die ehemalige EKDRatsvor­sitzende Margot Käßmann sagte: „Unsere Kirchen sind verpflicht­et, nicht die Täter zu schützen, sondern die Opfer.“

Angst: Der frühere Bundespräs­ident Joachim Gauck appelliert­e an die Menschen in Deutschlan­d, sich nicht von Ängsten leiten zu lassen. „Wir müssen unserer Angst den Abschied geben. Niemals soll sie herrschen über uns“, sagte Gauck. Auch der Journalist Heribert Prantl plädierte auf dem Kirchentag für mehr Zuversicht – und hielt einen flammenden Appell für mehr Menschlich­keit in der Flüchtling­spolitik, für Widerstand gegen Populismus und Mut für Lösungen in der Klimapolit­ik. „Die Kraft der Hoffnung ist die Kraft gegen die Angst“, sagte Prantl.

 ?? FOTO: DPA ?? Teilnehmer des Abschlussg­ottesdiens­tes in Dortmund: „Was für ein Vertrauen“war das Motto des 37. Evangelisc­hen Kirchentag­s.
FOTO: DPA Teilnehmer des Abschlussg­ottesdiens­tes in Dortmund: „Was für ein Vertrauen“war das Motto des 37. Evangelisc­hen Kirchentag­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany