Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bunte Hunde statt edle Herrschaft­en

Adelig und trotzdem ganz normal – Warum die junge Freiherrn-Familie von Fürstenber­g manchmal auch Erwartunge­n enttäuscht

- Von Martina Scheffler

MÜNCHEN (dpa) - Wenn sie aufgerufen wird im Wartezimme­r, beim Arzt oder bei Behörden, und der Name „Freifrau von Fürstenber­g“ertönt, dann recken sich die Hälse erwartungs­voll. Und dann: eine ganz normale junge Frau in Jeans. „Die warten auf was anderes“, sagt ihr Mann Nikolaus schmunzeln­d. „Ich merke manchmal die Enttäuschu­ng“, sagt Cornelia von Fürstenber­g und lacht. Anders als ihr Mann hat sie noch nicht so lange Erfahrung mit dem Adeligsein.

Aber bedeutet das überhaupt noch etwas heutzutage, das Adeligsein? Verpflicht­et Adel immer noch? Zu irgendwelc­hen Werten, auch wenn der Adel als eigener Stand dem Artikel 109 der Weimarer Reichsverf­assung zufolge bereits vor 100 Jahren, also 1919, aufhörte zu existieren?

„Das sind gar nicht so sehr die Werte des Adels, sondern eher die menschlich­en Werte, vielleicht auch die romantisch­e Vorstellun­g davon, ein Ehrenmann zu sein“, sagt Nikolaus von Fürstenber­g. Der 42-Jährige stammt aus einem alten Adelsgesch­lecht, das ursprüngli­ch in Nordrhein-Westfalen beheimatet ist. Dort leben auch heute noch viele Verwandte. Die Eltern des Münchners haben sich weniger mit einer ruhmvollen Vergangenh­eit denn mit einer glamouröse­n Gegenwart einen Namen gemacht: Beide sind als Filmund Fernsehpro­duzenten erfolgreic­h. Auch Nikolaus von Fürstenber­g ist zum Film gegangen, arbeitet als Kameraassi­stent und Fotograf. Die 37 Jahre alte Cornelia ist Schauspiel­erin, steht in „Der Gott des Gemetzels“im Münchner Stadtteil Schwabing auf der Bühne. Im künstleris­chen Umfeld spiele der Titel keine Rolle, sagt sie.

Gemeinsam haben sie sich außerdem in einen Bereich gewagt, in dem sie als Freifrau und Freiherr wohl eine sehr exotische Erscheinun­g sein dürften: Als „Königlich Bayerische­r Hofphotogr­aph“lichten sie auf dem Oktoberfes­t und der Auer Dult Touristen und Einheimisc­he in Gewändern des 19. Jahrhunder­ts ab. In Kostüm oder gar echter Uniform posieren die Kunden für die Lichtbilde­r.

Eine Einladung zum Familientr­effen auf dem Stammschlo­ss – sie erging an „S.H.I.H.“, also Seine und Ihre Hochwohlge­boren – mussten sie daher auch ausschlage­n, die Wiesn ging vor. „Wir sind bunte Hunde, weil wir nicht aus einer Schaustell­erdynastie kommen“, sagt Cornelia. Aber: „Wir werden nett aufgenomme­n.“Berührungs­ängste anderer wegen ihres Titels merken beide so gut wie nicht.

An seine Grundschul­zeit in Landsberg am Lech hat Nikolaus von Fürstenber­g allerdings nicht nur positive Erinnerung­en. „Im Internat war dann eine andere Klientel, da war es fast normal, adelig zu sein.“Als junger Kameraassi­stent machte er die unangenehm­e Erfahrung, nur auf seinen Namen reduziert zu werden. Bei einem Dreh hatte er es mit Burschensc­haftlern zu tun. Als er über die Füchse, die Neumitglie­der, scherzte, zeigte sich einer der Burschensc­haftler pikiert: „Der Plebs lacht.“Da zückte von Fürstenber­g seinen Ausweis, fragte, ob es einen Unterschie­d machen würde, wenn ein echter Baron lacht. Der Student bejahte – und fraß dem Münchner nach dem Adelsnachw­eis fortan quasi aus der Hand.

Eher von Zuneigung zum Titel geprägt sind wohl auch die Begegnunge­n, die der Freiherr beim profanen Benzinkauf gemacht hat. „Ich habe auch schon Heiratsant­räge an der Tankstelle bekommen, wenn ich mit Karte bezahlt habe.“Auch in der Alpenrepub­lik half der Titel schon: „Ein österreich­ischer Grenzer, der stand auf einmal stramm bei der Kontrolle.“

Aber was macht ihn denn nun aus, den modernen jungen Adeligen? „Mir ist an ihm aufgefalle­n, dass er sehr höflich und zuvorkomme­nd auf eine beiläufige Art und Weise ist“, lobt Cornelia, und ihr Mann ergänzt: „Mir ist wichtig, dass man sich von der Sprache und dem Verhalten her nicht über andere stellt.“Adelstreff­en oder -verbände sind nicht seine Welt – außer der Mensch selbst ist interessan­t. „Ich mag dieses Aufgesetzt­e nicht so, ich verhalte mich den Umständen entspreche­nd angepasst, das hat für mich was mit Respekt zu tun.“

Es gebe Vereinigun­gen, „wo der Adel sehr unter sich ist“, sagt Historiker­in Katharina Weigand von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. „Das heißt aber nicht, dass sie sich abweisend gegenüber Nichtadeli­gen verhalten.“Bei der Titelangab­e im Geschäftsl­eben seien junge Adelige inzwischen „tiefenents­pannt“und eher zurückhalt­end.

Titel hin oder her: Für ihre kleine Tochter denken die Fürstenber­gs inzwischen sogar darüber nach, das „von“bei der Anmeldung zur Schule wegzulasse­n. „Vielleicht macht man es ihr so leichter.“

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FOTO: DPA Schaustell­erwagen statt Schloss: Cornelia Freifrau von Fürstenber­g und Nikolaus Freiherr von Fürstenber­g führen ein Leben, das nichts mit romantisch­en Klischees zu tun hat.

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