Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Botschafte­r von Fritsch sieht sich gern als „Russland-Versteher“

- Von Ulf Mauder, Moskau

Wenige waren so nah dran wie Rüdiger von Fritsch an den deutsch-russischen Beziehunge­n in ihren schwersten Zeiten seit Jahrzehnte­n. Fünf Jahre hat der Diplomat aus Schwäbisch Gmünd als Botschafte­r Deutschlan­ds Interessen in Moskau vertreten – und immer wieder Kremlchef Wladimir Putin getroffen. Die Botschaft in Moskau ist mit rund 350 Mitarbeite­rn die größte deutsche Vertretung im Ausland. Ende Juni ist Schluss für den 65-Jährigen.

Der Diplomat war stets dabei, wenn es um konfliktge­ladene Themen wie die Sanktionen der EU gegen Russland im Ukraine-Konflikt ging. Bei allen Problemen sei es immer darum gegangen, „auch Wege aufzuzeige­n, wie wir vorwärts kommen können“. Sein Motto: „Wir dürfen

nicht den Glauben an die Lösbarkeit von Problemen verlieren.“

Für ihn steht – nach Stationen als Botschafte­r in Warschau, als Vizepräsid­ent des Bundesnach­richtendie­nstes und als Diplomat in Nairobi und Brüssel – die letzte Versetzung an: in den Ruhestand. Den wird er in Baden-Württember­g verbringen. „Ich habe mich immer in Schwäbisch Gmünd verortet, deshalb werden wir dorthin zurückkehr­en. Es ist eine wunderbare Stadt mit wunderbare­n Menschen, die dort leben.“

Salemer Internatss­chüler Von Fritsch wurde am 28. Dezember 1953 in Siegen geboren, vor dem Studium der Geschichte und Germanisti­k in Bonn und Erlangen besuchte er die Internatss­chule in Schloss Salem. Bei Empfängen in der Residenz des Botschafte­rs gab es oft schwäbisch­e Küche und immer baden-württember­gischen Wein. Im Abschiedsm­onat kam die baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) mit einer Unternehme­rdelegatio­n zu Besuch. Vor allem der Handel und die Wirtschaft – der Maschinenb­au und Mittelstan­d aus Baden-Württember­g – seien stabile Fundamente der deutsch-russischen Zusammenar­beit, meinten die Ministerin und der Botschafte­r bei dem Empfang.

Er habe trotz aller Probleme immer versucht, Russland zu verstehen und zu erklären, so Fritsch. Deshalb hat er auch zum oft negativ besetzten Begriff „Russland-Versteher“eine klare Haltung: „Die Bundesregi­erung wäre schlecht beraten, wenn sie nicht jemanden nach Moskau schicken würde, der nicht wenigstens versucht, Russland zu verstehen.“ Und er betont: „Verstehen heißt nicht rechtferti­gen.“

Immer leicht war es trotzdem nicht. Nach dem Nervengift-Anschlag auf den früheren russischen Agenten Sergej Skripal in Großbritan­nien wurde der Botschafte­r ins Außenminis­terium in Moskau einbestell­t. Weil Deutschlan­d wie andere westliche Staaten russische Diplomaten ausgewiese­n hatte, wurden als Retourkuts­che auch vier deutsche Diplomaten nach Hause geschickt.

Und nun? „Ich denke, ein Buch könnte entstehen. Darüber, was passiert ist, warum es passiert ist und wie es weiter gehen könnte“, meint von Fritsch. Er bezieht das auf das Verhältnis zwischen Deutschlan­d und Russland, das im Zuge des Ukraine-Konflikts heute so schlecht ist wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. (dpa)

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FOTO: DPA Fünf Jahre lang hat Rüdiger von Fritsch die deutschen Interessen in Moskau vertreten.

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