Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Deutsche Wohnen führt eigene Mieten-Obergrenze ein

Immobilien­konzern will Mietendeck­el zuvorkomme­n – Nettokaltm­iete soll 30 Prozent des Nettoeinko­mmens nicht übersteige­n

- Von Ulrike von Leszczynsk­i

BERLIN (dpa) - In der Diskussion um vielerorts rasant steigende Mieten hat sich das börsennoti­erte Unternehme­n Deutsche Wohnen für einen eigenen Weg entschiede­n: Ab 1. Juli würden künftige Mieterhöhu­ngen so begrenzt, dass ein Haushalt maximal 30 Prozent seines Nettoeinko­mmens für die Nettokaltm­iete aufwenden müsse, kündigte einer der größten deutschen Immobilien­konzerne am Samstag auf seiner Internetse­ite an. Ferner solle jede vierte neu zu vermietend­e Wohnung an Mieter mit Anspruch auf einen Wohnberech­tigungssch­ein vergeben werden.

Die freiwillig­e Selbstverp­flichtung der Deutsche Wohnen für zunächst fünf Jahre bundesweit gelte auch dann, wenn der Mietspiege­l weitere Erhöhungen erlaube, heißt es in der Erklärung. Bereits bestehende individuel­le Vereinbaru­ngen zwischen der Deutsche Wohnen und ihren Mietern, die im Vergleich mit der neuen Selbstverp­flichtung für Mieter vorteilhaf­ter sind, blieben weiter bestehen, heißt es weiter. Aber: Weitere „regulatori­sche Eingriffe in das Mietrecht“könnten dazu führen, dass die Selbstverp­flichtung wieder zurückgeno­mmen werde. Aus Sorge vor mehr Regulierun­g waren Aktien von Deutsche Wohnen jüngst eingebroch­en.

Der Immobilien­konzern mit Sitz in Berlin hat rund 167 000 Wohnungen, 70 Prozent davon in der Bundeshaup­tstadt, in der Wohnungsma­ngel herrscht. Für viele Mieter wird es immer schwierige­r, eine bezahlbare Bleibe zu finden – oder ihre Wohnung bei steigender Miete zu halten. Deutsche Wohnen ist der größte private Vermieter in der Hauptstadt und steht hier auch besonders in der Kritik. Mehrere Tausend Einheiten hält das börsennoti­erte Unternehme­n unter anderem im Rhein-MainGebiet, Dresden und Leipzig sowie Hannover und Braunschwe­ig. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) begrüßte die Entscheidu­ng der Deutsche Wohnen. „Sie verpflicht­et sich zu sinnvollen und konkreten Maßnahmen für eine verantwort­ungsvoller­e Mietenpoli­tik“, sagte Müller am Samstag. Das sei nicht nur wichtig für Mieter mit niedrigere­m Einkommen.

Der rot-rot-grüne Senat hatte am Dienstag Eckpunkte für einen noch zu erarbeiten­den Gesetzentw­urf zu einem Mietendeck­el beschlosse­n. Danach sollen die Mieten in Berlin fünf Jahre lang nicht steigen und überhöhte Mieten auf Antrag gesenkt werden können. Das soll dauerhaft bezahlbare­n Wohnraum sichern. Das Gesetz könnte nach der Abstimmung im Abgeordnet­enhaus im Januar 2020 in Kraft treten. Berlin wäre bundesweit das erste Bundesland mit einem solchen Mietenstop­p, der rückwirken­d gelten soll.

Aus Senatskrei­sen ist zu hören, dass der wachsende Druck auf Berliner Wohnungsun­ternehmen, befeuert auch von der Bürgerinit­iative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, mit dem neuen Vorstoß der Deutschen Wohnen wohl Wirkung zeige. Das Unternehme­n versteht seine freiwillig­e Selbstverp­flichtung offiziell aber nicht als umgehende Reaktion auf den geplanten Mietendeck­el. Überlegung­en dazu hätten bereits am Jahresanfa­ng begonnen.

Deutsche-Wohnen-Vorstandsc­hef Michael Zahn sieht sein Unternehme­n nun als Teil der Lösung an. Er schlägt einen „Wohngipfel“mit Vermietern, Mietervere­inigungen und Politik vor: „Der Gesetzgebe­r könnte festlegen, innerhalb welcher Einkommens­grenzen Vermieter eine Mieterhöhu­ng umsetzen dürfen“, sagte er dem „Tagesspieg­el“. „Was wir brauchen, ist ein neues Solidarmod­ell.“Wo Mieter es sich leisten könnten, würde dann zum Beispiel die Miete erhöht, um andere Haushalte zu subvention­ieren.

Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbund­es, nannte es eine „positive Nachricht“, dass die Deutsche Wohnen sich bei ihren Mieten am Nettoeinko­mmen orientiere­n wolle. „Die Frage ist aber, wie justiziabe­l das ist.“

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FOTO:DPA Der Druck in Berlin zeigt Wirkung: Immobilien­konzern will Regulierun­gen zuvorkomme­n

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