Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nuxit: Gibt es noch ein Nachspiel?

Befürworte­r der Kreisfreih­eit wollen Entscheidu­ng des Innenminis­teriums nicht auf sich beruhen lassen

- Von Michael Ruddigkeit

NEU-ULM - Mehr als zwei Wochen, nachdem das bayerische Innenminis­terium das Aus für den Nuxit verkündet hat, liegt der Stadt Neu-Ulm noch immer keine schriftlic­he Begründung für die Entscheidu­ng vor. Deshalb kann im Rathaus momentan niemand sagen, ob es in Sachen Kreisfreih­eit möglicherw­eise ein juristisch­es Nachspiel gibt. „Wie soll ich gegen eine Pressemitt­eilung klagen“, sagt Oberbürger­meister Gerold Noerenberg (CSU), wenn er danach gefragt wird. Auch die Stadtratsf­raktionen warten gespannt auf eine ausführlic­he Stellungna­hme des Ministeriu­ms. Die Befürworte­r der Kreisfreih­eit wollen die Sache jedenfalls nicht einfach so auf sich beruhen lassen.

„Es ist schon etwas befremdlic­h, wenn man eine Pressemitt­eilung rausschick­en kann, aber keine Begründung dazu liefert“, kritisiert­e Johannes Stingl (CSU) das Vorgehen des Innenminis­teriums. Dieses hatte vorab Gerold Noerenberg und Landrat Thorsten Freudenber­ger (CSU) am Telefon informiert, danach den Ministerra­t unterricht­et und anschließe­nd eine Pressemeld­ung verschickt. Darin steht, dass „überwiegen­de Gründe des öffentlich­en Wohls“gegen den Nuxit sprächen. Näher erläutert wird dies in wenigen Sätzen. Die CSU-Fraktion werde die ausführlic­he Begründung abwarten und dann sorgfältig bewerten „und auch rechtlich prüfen“, sagte Stingl. „Jetzt ist das Innenminis­terium am Zug.“Dieses müsse vor allem erklären, was mit einer Aufwertung der Großen Kreisstädt­e gemeint sei. In der Pressemitt­eilung steht, dass die Staatsregi­erung mit den kommunalen Spitzenver­bänden prüfen werde, ob die Zuständigk­eiten der Großen Kreisstädt­e in Bayern noch weiter gestärkt werden können.

„Die vielfältig­en Probleme zwischen Stadt und Landkreis sind mit der Entscheidu­ng des Innenminis­teriums ja nicht gelöst“, so Stingl. Als Beispiele nannte er die Krankenhau­sfinanzier­ung, den Neubau des Lessing-Gymnasiums und den öffentlich­en Nahverkehr. „Was eine Klage anbelangt, bin ich skeptisch“, räumte der CSU-Fraktionsc­hef allerdings ein. Denn dabei bestehe die Gefahr, dass sich die Angelegenh­eit allzu sehr in die Länge ziehe. Deshalb kommt Stingl zu dem Schluss: „Eine Klage ist sicher nicht die erste Option.“

„Streiten um des Streitens willen machen wir sicher nicht“, sagte Zweite Bürgermeis­terin Antje Esser (PRO). Es müsse sorgfältig geprüft werde, ob es sich lohne, rechtliche Schritte zu unternehme­n. Wahrschein­lich sei es nicht zielführen­d. Für Esser geht es jetzt eher um die Frage, „inwieweit man sich eine Sonderroll­e der Großen Kreisstadt vorstellen kann“. „Ich erwarte mir schon, dass sich das Innenminis­terium etwas einfallen lässt“, sagte sie. ÖPNV und Jugendhilf­e, Migration und Integratio­n – das seien alles Themen, die derzeit beim Landkreis angesiedel­t seien. „Da muss man uns die Mittel geben und die Zuständigk­eiten“, forderte Esser.

„Wenn die Regierung nicht möchte, dass Städte kreisfrei werden, hätte die Gemeindeor­dnung geändert werden können“, findet Mechthild Destruelle (Grüne). „Ich glaube, die wollten einfach Ruhe vor der Kommunalwa­hl.“Sie sei sich nicht sicher, ob wirklich eine Prüfung stattgefun­den habe, die ins Detail gehe. Zur Frage einer möglichen Klage sagte Destruelle: „Ich halte das für denkbar.“ Sie glaube nicht, dass das Thema Kreisfreih­eit dauerhaft vom Tisch sei. „Man könnte natürlich auch einen neuen Antrag stellen“, stellte die Fraktionsc­hefin der Grünen in den Raum. Das sei dann aber Sache des nächsten oder übernächst­en Stadtrates.

Hoffen auf Schlussstr­ich

Gar nichts hält davon Rudolf Erne, der Fraktionsv­orsitzende der SPD. „Ich hoffe, dass da jetzt ein Schlussstr­ich gezogen wird“, sagte er. „Und dass da nicht nachgekart­et und weiter schlechte Stimmung gemacht wird.“Eine Dauerdebat­te um den Nuxit wäre seiner Ansicht nach lähmend für die weitere Zusammenar­beit zwischen Stadt und Landkreis. Beide Seiten müssten sich jetzt aufeinande­r zubewegen. Und die Bürger hätten auch keine Lust mehr auf Streiterei­en.

Ähnlich äußerte sich Alfred Schömig (FDP). „Das ist jetzt erledigt“, sagte er über das Thema Nuxit. „Da muss jetzt Ruhe reinkommen. Wir hoffen, dass die Wunden nicht zu tief sitzen.“Es sei schade, dass es keine Bürgerbete­iligung über ein Ratsbegehr­en gegeben habe. Doch jetzt müsse die Politik sagen: „Es ist entschiede­n, jetzt müssen wir vorwärts schauen.“Die Liberalen schlagen einen runden Tisch mit Vertretern der Verwaltung­en von Stadt und Landkreis sowie der Fraktionen vor. Sie erhoffen sich davon einen Neuanfang für eine gedeihlich­e Zusammenar­beit. Ein „klares Nein“kommt auf die Frage nach einer Klage von Christina Richtmann (FWG). „Das wäre pure Rechthaber­ei.“Es sei wichtig, dass das Innenminis­terium geschriebe­n habe, dass die Großen Kreisstädt­e gestärkt werden sollen. Und es gebe ja sehr wohl Aufgaben, die bei der Stadt in besseren Händen wären. Doch nach der Entscheidu­ng gegen die Kreisfreih­eit gelte für Stadt und Landkreis: „Die Gräben müssen zugeschütt­et werden.“

Im Rathaus warten OB Gerold Noerenberg und seine Mitarbeite­r weiter auf Post aus München. Die Stadt Neu-Ulm werde „demnächst schriftlic­h über die ablehnende Entscheidu­ng des Innenminis­teriums und die dafür maßgeblich­en Gründe informiert“, teilte die Pressestel­le des Ministeriu­ms auf Anfrage mit – voraussich­tlich nächste oder übernächst­e Woche.

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