Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Scheuer will ablenken

- Von Ulrich Mendelin ●» u.mendelin@schwaebisc­he.de

Deutschlan­d soll Österreich verklagen: Das Ansinnen von Andreas Scheuer ist durchschau­bar. Gerade erst musste der CSU-Verkehrsmi­nister mit dem Scheitern der Pkw-Maut die empfindlic­hste Niederlage seiner Amtszeit einstecken; wenn es ganz schlecht läuft, hat er bald einen Untersuchu­ngsausschu­ss am Hals. Scheuer hat Milliarden­verträge abgeschlos­sen, ohne ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs abzuwarten. Schuld an der Misere sind, zumindest aus Sicht der CSU, die Österreich­er. Was bietet sich da besser an als eine Klage gegen Österreich, um von dem Desaster abzulenken? Wie Du mir, so ich Dir – das ist kleinstmög­liches Karo.

Natürlich sind die Fälle nicht wirklich vergleichb­ar. Das Ansinnen der Tiroler Regierung, Transitver­kehr auf den Autobahnen zu halten, ist die Aufregung nicht wert, die jetzt die CSU verbreitet. Wer in den Urlaub nach Italien reist, bleibt meist ohnehin auf der Autobahn; wer etwa das Stubaital als Ziel hat oder den Polizisten plausibel machen kann, dass er den nächsten Gasthof ansteuern will, darf abbiegen. Ob eine solche Maßnahme etwas bewirkt, ist fraglich. Aber dass potenziell­e Stau-Flüchtling­e auf der Autobahn und abseits der Ortsdurchf­ahrten gehalten werden sollen, ist legitim. Das Transitlan­d Tirol hat wegen seiner engen Täler ein spezielles Verkehrspr­oblem, das wird niemand ernsthaft bestreiten.

Nicht ganz so eindeutig ist die Lage bei der Blockabfer­tigung von Lkw. In diesem Punkt ist eine Klage unter Berufung auf den freien Warenverke­hr nicht völlig abwegig. Die deutsche Seite müsste sich dann aber fragen lassen, warum sie nicht längst mehr dafür tut, den Alpentrans­it von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die Arbeiten am Brenner-Basistunne­l in Tirol und Südtirol sind weit gediehen. Dagegen gibt es bei der Zulaufstre­cke auf deutscher Seite noch nicht einmal eine genaue Trassenfüh­rung. CSUVerkehr­spolitiker hätten hier ein lohnendes Betätigung­sfeld. Doch mit den Anwohnern entlang möglicher Trassen wollen sie es sich nicht verscherze­n – das Schimpfen auf die österreich­ischen Nachbarn ist eben einfacher.

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