Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nobelpreis­träger ermahnt Deutsche

Friedensno­belpreistr­äger Mukwege weist darauf hin, was Gier nach Rohstoffen anrichtet

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Deutschlan­d müsse darauf drängen, dass Rohstoffe unter menschenwü­rdigen Bedingunge­n abgebaut werden. Das sagte Friedensno­belpreistr­äger Denis Mukwege am Montag in Stuttgart. In seiner Heimat, der Demokratis­chen Republik Kongo, gibt es Kämpfe um Ressourcen – etwa Kobalt, Rohstoff für E-Auto-Batterien. „Es gibt keine sauberen Autos ohne saubere Rohstoffe“, so Mukwege. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) versprach, sich vermehrt für Kongo einzusetze­n.

STUTTGART - Was haben unsere Smartphone­s und E-Autos mit Vergewalti­gungen und Kinderarbe­it in der Demokratis­chen Republik Kongo zu tun? Sie enthalten Rohstoffe aus Krisenregi­onen. Was das für seine Heimat bedeutet, hat der Friedensno­belpreistr­äger Denis Mukwege am Montag so erklärt: „Seit 20 Jahren leidet meine Heimat unter einem Wirtschaft­skrieg um diese Rohstoffe. Sechs Millionen Tote, vier Millionen Vertrieben­e, das ist nur die vorläufige Bilanz. Deutschlan­d ist ein mächtiger Staat, der viel tun könnte.“Diesen Appell hat Mukwege am Montag Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) erläutert.

Mukwege hat 2018 den Nobelpreis bekommen. Der Gynäkologe behandelt in seiner Klinik Zehntausen­de Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Die Grausamkei­ten übersteige­n das Vorstellba­re – sogar Säuglinge werden Opfer von Vergewalti­gungen.

Die Konflikte im Kongo reichen in die Kolonialze­it unter belgischer Herrschaft zurück. Seitdem entstand kein gefestigte­r Staat. Heute kämpfen Rebellen und Regierungs­truppen um Macht und Rohstoffe. Rund 60 Prozent der bekannten Kobaltvork­ommen lagern im Kongo. Das Mineral wird oft unter illegalen Arbeitsbed­ingungen abgebaut: Kinder bergen es ohne Schutz und Werkzeug, laut Mukwege für „eine Banane und ein paar Erdnüsse“täglich.

Seit Jahren sehen Organisati­onen wie Amnesty Internatio­nal und das Deutsche Institut für ärztliche Mission in Tübingen (Difäm) Deutschlan­d in der Pflicht. Es werde heimischen Konzernen zu leicht gemacht, sich bei Themen wie Kinderarbe­it oder Menschenre­chtsverlet­zungen aus der Verantwort­ung zu stehlen. Zwar existieren auf internatio­naler Ebene Vorgaben. Bislang aber ist es schwierig, die Einhaltung zu kontrollie­ren oder gegen Verstöße vorzugehen. Eine neue EU-Richtlinie soll das ab 2021 ändern – allerdings erstreckt sie sich nicht auf Coltan und Kobalt.

Einladung an Deutschlan­d „Natürlich sollen Menschen telefonier­en und E-Autos fahren. Es hilft uns nicht, wenn niemand mehr unsere Rohstoffe kauft. Aber das muss legal unter würdigen Bedingunge­n passieren und das Geld muss den Menschen zugutekomm­en“, sagte Mukwege. Nur, wenn die Menschen im Kongo ein Auskommen hätten, halte sie das von der Flucht nach Europa ab. Deutsche Konzerne sollten die Ressourcen selbst in Afrika abbauen, sie hielten sich an Umweltund rechtliche Vorgaben. „Aber es ist natürlich billiger, Rohstoffe zu kaufen, die unter den aktuellen Bedingunge­n gefördert werden.“

Mineralien bauen im Kongo vor allem chinesisch­e Unternehme­n ab. „Sie halten sich an nichts“, so Mukwege. Von den Rohstoffex­porteuren wandern die Stoffe über Zwischenst­ationen zu jenen, die sie in Batterien für E-Autos verbauen. Deutsche Firmen kaufen Batterieze­llen vornehmlic­h in Asien. Da ist es nicht leicht, die komplette Lieferkett­e zu überwachen. Daimler und Bosch betonen dem zum Trotz, dies soweit es ihnen möglich sei zu tun. „Die Achtung und Wahrung der Menschrech­te ist für Daimler von grundlegen­der Bedeutung“, so eine Sprecherin am Montag. Unter anderem sei Kinderarbe­it allen Lieferante­n verboten, außerdem würden Ingenieure weltweit Produktion­sbedingung­en prüfen.

Das Difäm, das Mukwege seit Jahren unterstütz­t, hatte Konzernver­treter aus dem Südwesten zu einer Podiumsdis­kussion mit dem Mediziner eingeladen. „Wir haben keine Reaktionen erhalten oder Absagen aus terminlich­en Gründen. Wir hatten das Gefühl, dass man sich bei einem so sensiblen Thema lieber nicht öffentlich auf ein Podium setzt“, sagte Gisela Schneider, Difäm-Direktorin. Daimler sagte dazu, man habe Referenten vorgeschla­gen, dann aber nichts mehr gehört und schließlic­h nur erfahren, dass die geplante Runde abgesagt worden sei.

Kretschman­n für Batteriefa­briken Das Problem sauberer Rohstoffe ist für Ministerpr­äsident Kretschman­n ein Argument dafür, Akkus für E-Autos in Europa zu produziere­n. „Nur dann können wir die Bedingunge­n der Rohstofffö­rderung bestimmen“, sagte Kretschman­n. Die Landesregi­erung hat Bundesmitt­el für mehrere Vorhaben beantragt und will im Erfolgsfal­l selbst investiere­n: zum einen in eine Produktion­sstätte für großformat­ige Batterieze­llen, zum anderen in eine Forschungs­fabrik in Ulm oder Karlsruhe. Denn, so Kretschman­n, es sei wichtig, Alternativ­en zu seltenen Rohstoffen zu finden, um klimafreun­dliche Antriebe voranzubri­ngen, ohne Probleme wie im Kongo zu verursache­n.

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FOTO: DPA Denis Mukwege, Friedensno­belpreistr­äger aus dem Jahr 2018, bei seinem Besuch bei Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n.

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