Schwäbische Zeitung (Laupheim)

SPD setzt auf Doppelspit­ze

Aktueller Vorstand lässt Kandidatur von Teams zu

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (AFP) - Die kriselnde SPD soll künftig von einer Doppelspit­ze geführt werden können. Dies sei zwar „kein Allheilmit­tel gegen schlechte Umfragewer­te, aber die SPD braucht Kraft“, sagte die kommissari­sche Parteichef­in Malu Dreyer am Montag in Berlin. „Dazu muss es möglich sein, dass sich zwei die große Aufgabe teilen.“Die Parteistat­uten sollten dementspre­chend geändert werden. Die neue Parteiführ­ung solle im Herbst von den Mitglieder­n gekürt und dann im Dezember vom Parteitag gewählt werden. Einem Spitzentea­m müsse zwingend eine Frau angehören. Co-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, die Parteiführ­ung wolle Interessen­ten ausdrückli­ch ermutigen, sich als Team zu bewerben. Es könne aber auch Einzelkand­idaturen geben.

Die Kandidaten sollten sich im September und Oktober der SPD-Basis vorstellen. Dann finde ein Mitglieder­entscheid statt, dessen Ergebnis am 26. Oktober verkündet werden soll.

BERLIN - Die SPD geht neue Wege bei der Suche nach ihrem neuen Vorsitz. Eine Doppelspit­ze ist künftig möglich. Zumindest können sich zwei Kandidaten zusammentu­n und sich als Tandem aufstellen. Es dürfen sich aber auch einzelne Politiker bewerben. Doch die Frage aller Fragen, wer dann den Karren ziehen soll, bleibt mindestens bis zu einem Mitglieder­entscheid Ende Oktober offen. Der alles entscheide­nde SPDParteit­ag im Dezember soll nicht vorgezogen werden, wie einige in der Partei gefordert hatten. „Das ist gut, denn wir wollen Zeit haben, in Ruhe zu diskutiere­n“, sagt der Parteilink­e Matthias Miersch.

„Wir wagen Neues“, sagt stolz die kommissari­sche Vorsitzend­e Malu Dreyer bei der Vorstellun­g der Beschlüsse im Willy-Brandt-Haus. Sie meint, am Ende habe die neue SPDSpitze eine „hohe Legitimati­on durch die Beteiligun­g der Mitglieder.“Sie befürworte­t die Möglichkei­t einer Doppelspit­ze, denn die SPD brauche Kraft.

Oft hat die SPD ihre Vorsitzend­en unter den Ministerpr­äsidenten gesucht. Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder, Kurt Beck und Matthias Platzeck zum Beispiel. Doch derzeit ist nur der Niedersach­se Stephan Weil bundesweit bekannt, und der hält sich zurück. Olaf Scholz, einst Hamburger Bürgermeis­ter, Malu Dreyer, Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz und Manuela Schwesig, Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern haben schon abgewunken. Sie haben gezeigt, dass sie gerne mithelfen wollen, die SPD wieder groß zu machen, aber an die Spitze wollen sie lieber nicht.

Zumindest nicht Nein gesagt

Eine hat zumindest nicht laut Nein gesagt. Familienmi­nisterin Franziska Giffey gilt vielen Sozialdemo­kraten als Hoffnung, auch wenn sie ein Handicap hat: Derzeit wird ihre Doktorarbe­it auf Plagiate untersucht. Giffey kommt aus Berlin-Neukölln, aus dem Bezirk von Heinz Buschkowsk­y, und sie hat zumindest eines von ihm gelernt: Sie redet, wie ihre Wähler reden und nicht wie ihre Funktionär­e. Deshalb ist sie sehr beliebt. Auch Unterstütz­er hat sie bereits. Der Berliner SPD-Fraktionsc­hef Raed Saleh attestiert ihr das Zeug zur SPDParteiv­orsitzende­n. Giffey selbst ist zurückhalt­end. „Man muss das sehr gut abwägen“, sagt sie auf die Frage von TV-Journalist­in Anne Will, ob sie sich vorstellen könnte, SPD-Vorsitzend­e zu werden. „Wir reden auch immer über Vereinbark­eit von Familie und Beruf. Das sind Dinge, die für mich auch eine Rolle spielen. Ich habe einen neunjährig­en Sohn“, sagt Giffey.

Gesine Schwan, die ehemalige Kandidatin für das Amt der Bundespräs­identin, kann sich nach eigenen Worten vorstellen, junge Menschen für die SPD zu erreichen. „Ich traue mir zu, zu verstehen, was die jungen Menschen wollen und auch sie anzusprech­en“, sagte die 76-jährige SPDPolitik­erin am Montag im Radioprogr­amm SWR Aktuell. Für sie ist die Doppelspit­ze eine „vernünftig­e Idee“. Auch Thomas Kutschaty, der 51-jährige Fraktionsc­hef aus Nordrhein-Westfalen, hat seinen Hut bereits öffentlich in den Ring geworfen. Dem bundesweit eher unbekannte­n Politiker aus Essen werden aber nur geringe Chancen eingeräumt. Das gleiche gilt für die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange, die schon gegen Andrea Nahles angetreten war. Größere Erfolgsaus­sichten hätte SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil, dem Ambitionen nachgesagt werden. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert hätte die Unterstütz­ung einiger Linker.

Durch das neue Auswahlver­fahren hofft die SPD auch auf neue Mitglieder. Schließlic­h entscheide­t jede Stimme. Der Vorschlag von Thomas Oppermann, auch Nichtmitgl­ieder entscheide­n zu lassen, wurde allerdings verworfen. Diese Art von Primaries bräuchten drei bis vier Monate Vorlauf, sagt der kommissari­sche Vorsitzend­e Thorsten Schäfer-Gümbel und seine Kollegin Malu Dreyer stellt klar: „Die Wahl soll ja nicht durch Nichtmitgl­ieder erfolgen.“

Manuela Schwesig verspricht sich von dem neuen „supereinfa­chen“Verfahren Aufwind für ihre Partei. Der baden-württember­gische SPD-Landesvors­itzende Andreas Stoch meint: „Das wird uns guttun.“

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FOTO: DPA Diese drei wollen nicht kandidiere­n: Thorsten Schäfer-Gümbel, Malu Dreyer und Manuela Schwesig (von links) haben als kommissari­sche Parteivors­itzende aber festgelegt, wie die SPD zu einem neuen Parteichef kommt.

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