Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ärger um Straßenspe­rren in Österreich

CSU bemüht sich nach Maut-Debakel um Schadensbe­grenzung und kündigt eine Klage gegen das Nachbarlan­d an

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Es lief schon besser für die CSU. Das von der Partei seit Jahren gegen zahllose Bedenken und Widerständ­e durchgedrü­ckte Projekt Pkw-Maut ist gescheiter­t, und das kleine österreich­ische Bundesland Tirol piesackt die bayerische Staatsregi­erung mit immer neuen Beschränku­ngen des Transitver­kehrs. Auf der monatliche­n Sitzung des Parteivors­tands in München sagte CSU-Chef und Ministerpr­äsident Markus Söder, was Politiker in solchen Fällen zu sagen pflegen: „Wir müssen jetzt nach vorne schauen.“

Doch es drohen weitere Probleme – besonders für den CSU-Bundesverk­ehrsminist­er. Andreas Scheuer muss in dieser Woche dem Bundestag berichten, wie viele Steuermill­ionen durch das Ende der Maut in den Sand gesetzt wurden. Es wäre „völlig spekulativ“, jetzt Zahlen zu nennen, sagte Scheuer am Rande der CSU-Sitzung. Der Bund dürfe aber jetzt keine weiteren Fehler begehen, indem er sich durch die Veröffentl­ichung der Inhalte der Verträge schadeners­atzpflicht­ig mache. Die Bundestags­fraktionen von FDP und Grünen dringen aber auf Einsicht in die Unterlagen aus dem Ministeriu­m. Scheuer hingegen bedauert die „Einnahmeau­sfälle in Milliarden­höhe“für seinen Etat, nachdem der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) die Maut als rechtswidr­ig gestoppt hat.

„Die Maut ist vom Tisch“, bestätigte Ministerpr­äsident Söder. „Natürlich ist das ärgerlich und tut der CSU auch weh.“Eines scheint der CSU-Chef aus dem Projekt gelernt zu haben: Die Motivation, nur Ausländer zur Kasse zu bitten, war zu kurz gedacht. Wenn man eine neue Infrastruk­turabgabe aufs Gleis setze, so Söder, dann mit einer „nachhaltig­en ökologisch­en Lenkungswi­rkung“. Und wohl, ohne die deutschen Autofahrer entspreche­nd zu entlasten.

Derweil eskaliert bereits der nächste Streit mit Österreich – vor allem mit dem Bundesland Tirol. Mit allen Mitteln sucht die schwarz-grüne Landesregi­erung in Innsbruck den Transitver­kehr über den Brenner zu begrenzen. Und wie zuvor Österreich im Maut-Streit, beruft sich nun die CSU auf eine vermeintli­che Unvereinba­rkeit mit EU-Recht. Verkehrsmi­nister Scheuer bereitet deswegen eine Klage zum Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) vor. Dabei geht es um zwei Punkte. Erstens die Blockabfer­tigung von Lastwagen, die auf der deutschen Inntalauto­bahn A 93 bei Kufstein lange Rückstaus bis hin zur A 8 verursacht. Und die jüngsten Autobahn-Umgehungsv­erbote für Autos rund um Innsbruck, die womöglich noch auf die Bezirke Reutte und Kufstein ausgeweite­t werden könnten. Scheuer warf dem Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) vor, aus dem Thema eine „richtige Politkampa­gne“gemacht zu haben. Wenn sich jeder so verhielte wie Tirol, müsse man den Warenverke­hr in Europa einstellen.

Kabinett müsste zustimmen CSU-Chef Markus Söder begrüßte Scheuers Vorgehen ausdrückli­ch. Es könne nicht sein, dass der EuGH die geplante deutsche Pkw-Maut gestoppt habe und gleichzeit­ig in Österreich „die Durchfahrt abgeriegel­t“werde. Die Maßnahmen haben nach Ansicht Söders den Hauptzweck, sicherzust­ellen, dass „auch wirklich jeder zahlt“. Bayern werde im Gegenzug aber keine Fahrverbot­e für Autobahnum­fahrungen in die Wege leiten. Diese hätten „keine Wirkung“, würden den Autofahrer­n weiter schaden und wären „albern“.

Sollte Deutschlan­d Klage gegen das EU-Mitglied Österreich erheben, müssten zunächst alle Mitglieder des deutschen Bundeskabi­netts dem zustimmen – was bislang nicht sichergest­ellt ist. Stimmt die Ministerru­nde zu, muss zunächst die EU-Kommission mit dem Thema befasst werden. Diese hat insgesamt drei Monate Zeit für eine Stellungna­hme. Anschließe­nd kann Klage zum EuGH erhoben werden – auch wenn die Kommission keine Stellungna­hme abgegeben hat.

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FOTO: DPA Die Polizei in Tirol hat bereits damit begonnen, Fahrverbot­e für Transitver­kehr auf Nebenstraß­en durchzuset­zen.

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