Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Wir brauchen mehr Solaranlag­en“

Verkehrsex­perte Christian Hochfeld über die Zukunft der Automobili­ndustrie

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Wie kann die deutsche Automobili­ndustrie ihren Spitzenpla­tz verteidige­n? Zu dieser Frage hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Montagaben­d Spitzenver­treter der Autobranch­e, Gewerkscha­ften, sowie Minister und die Spitzen von Union und SPD ins Kanzleramt geladen. Im Interview mit Hannes Koch erklärte Christian Hochfeld, weshalb die Chancen der Hersteller besser stehen, wenn sie sich bei den Themen Elektromob­ilität und autonomes Fahren zusammentu­n.

Noch sind VW, Porsche, BMW und Mercedes aus deutscher Produktion weltweit begehrte Produkte. Aber schaffen die drei großen Autoherste­ller die Kurve zu Elektroaut­os und autonomem Fahren? Den Schuss jedenfalls haben sie gehört. In den kommenden Jahren bringen die deutschen Unternehme­n eine ganze Reihe neuer Elektromod­elle auf den Markt, auch zu erschwingl­ichen Preisen und mit akzeptable­r Reichweite. Allerdings schläft die Konkurrenz nicht. Weltweit haben verschiede­ne Firmen angekündig­t, in den nächsten fünf Jahren weit mehr als 100 Elektro-Modelle anzubieten. Und bei der Automatisi­erung stecken alle – auch die Deutschen - noch in den Kinderschu­hen. Besonders die kalifornis­chen Technologi­ekonzerne haben ein paar Jahre Vorsprung. Unter dem Strich ist das Rennen deshalb offen.

Angeblich trifft VW-Chef Herbert Diess regelmäßig Cem Özdemir, den Grünen-Chef des BundestagV­erkehrsaus­schusses. Heißt das, dass sich die Haltung der Autoindust­rie grundsätzl­ich ändert? Mehr Managerinn­en und Manager erkennen, dass die gesellscha­ftliche Lizenz zum Autobau künftig stark davon abhängt, wie klimafreun­dlich die Fahrzeuge sind. Man versteht inzwischen auch, dass es weniger Autos braucht, um die Lebensqual­ität in unseren Städten zu verbessern. Das setzt neue Mobilitäts­dienstleis­tungen voraus, die es ermögliche­n, mehr und mehr auf den eigenen Pkw zu verzichten.

Warum kommt der Sinneswand­el? Mehrere Phänomene verstärken sich. Die EU hat zwecks Klimaschut­z schärfere CO 2-Flottengre­nzwerte beschlosse­n. Die chinesisch­e Regierung verlangt von jedem Autoherste­ller eine stetig wachsende Quote elektrisch betriebene­r Fahrzeuge für den inzwischen größten Automobilm­arkt der Welt, der bis zur Hälfte des Umsatzes der deutschen Hersteller ausmacht. Außerdem gab es den Diesel-Skandal. All das hat bei den Hersteller­n das schmerzlic­he Bewußtsein wachsen lassen, dass der Verbrennun­gsmotor an sein natürliche­s Ende kommen wird.

Die neuen Elektromod­elle aus bundesdeut­schen Fabriken kann man begrüßen und trotzdem bezweifeln, dass die drei Großen einen Plan für die komplette Umstellung auf klimaschon­ende Antriebe verfolgen.

VW hat erklärt, 2040 den letzten reinen Verbrenner zu verkaufen. Die Richtung scheint klar. Was daraus wird, muss sich zeigen. Das hängt davon ab, ob die Fahrzeuge auch gekauft werden. Damit sind wir bei der Politik. Diese muss den Wandel unterstütz­en. Noch fehlen die richtigen Rahmenbedi­ngungen: Fossile Mobilität muss teurer, klimafreun­dliche dagegen billiger werden, etwa durch die Ausrichtun­g des Steuersyst­ems. Und natürlich brauchen wir jede Menge Ladesäulen für E-Autos.

Kämpft die Autoindust­rie nicht in Wirklichke­it darum, den fossilen Verbrennun­gsmotor noch möglichst lange am Laufen zu halten? Der Verbrennun­gsmotor ist seit seiner Erfindung vor rund 125 Jahren die Cash Cow der deutschen Industrie geworden. Mit dem Antriebswe­chsel verabschie­det man sich quasi auch vom Lebenswerk vieler Entwickler und Arbeiter bei den Hersteller­n und Zulieferer­n. Der Verbrenner bringt auch die Kapitalren­dite der Unternehme­n. Deshalb betonen Premiumher­steller wie BMW und Daimler die Technologi­eoffenheit. Zwar will Daimler ab 2039 nur noch klimaneutr­ale Fahrzeuge auf den Markt bringen, meint damit aber neben reinen Batterieau­tos verschiede­ne Technologi­en wie PlugIn-Hybride oder Wagen mit Brennstoff­zelle, die Wasserstof­f in Strom umwandeln.

Und die Zulieferer?

Zulieferer wie Schaeffler pochen auf klimaneutr­ale, synthetisc­he Kraftstoff­e, mit denen auch konvention­elle Motoren betrieben werden können. Übersehen wird dabei gern, dass die Kosten für Wasserstof­f und synthetisc­hen Kraftstoff hoch und die Wirkungsgr­ade bei der Herstellun­g niedrig sind. Unterm Strich werden daher deutlich mehr Windräder oder Solaranlag­en benötigt, um klimaneutr­al unterwegs zu sein.

In welchen Segmenten kann der Verbrennun­gsmotor später noch eine sinnvolle Rolle spielen?

Für Pkw ist der batterieel­ektrische Antrieb absehbar die kostengüns­tigste Variante. Bei schweren Lkw können Kombinatio­nen aus Verbrennun­gsmotoren und neuen Antrieben sinnvoll sein. Eine Zukunft haben Verbrennun­gsmotoren am ehesten bei Flugzeugen und Schiffen.

Derzeit sieht die Ökobilanz von EAutos im Vergleich zu Benzinern nicht unbedingt toll aus. Wie lässt sich dieses Problem lösen?

Heute tanken Elektroaut­os den deutschen Strommix – rund die Hälfte davon stammt noch aus fossiler Energie. Die Klimabilan­z von Elektroaut­os ist trotzdem in der Regel besser als die von Verbrenner­n, wobei es viel Luft nach oben gibt. Je mehr Ökostrom man herstellt, desto besser wird die Klimabilan­z. Deshalb brauchen wir dringend mehr Windräder und Solaranlag­en. Ein Problem, das ich nicht kleinreden will, besteht bei den Batterien. Rohstoffe wie Kobalt stammen teilweise aus Minen, die ökologisch bedenklich sind, und in denen generell schlechte Arbeitsbed­ingungen vorherrsch­en. Schließlic­h wird für die Fertigung der Elektroaut­o-Akkus sehr viel Energie benötigt. Setzte man dafür zunehmend Ökostrom ein, verbessert­e sich der ökologisch­e Fußabdruck.

Wie beurteilen Sie die Fortschrit­te der einheimisc­hen Hersteller beim autonomen Fahren?

Dass deutsche Hersteller dabei führend sind oder werden, ist überhaupt nicht ausgemacht. Schließlic­h bildet die Digitalisi­erung nicht ihre Kernkompet­enz. Mit Sensoren kennen sich eher Zulieferer aus wie Bosch oder Conti, und bei der Software haben Tesla und Google die Nase vorn.

Tun die Unternehme­n genug, um als Mobilitäts­dienstleis­ter Erfolg zu haben und beispielsw­eise der US-Firma Uber Paroli zu bieten? VW probiert mit seiner Tochter Moia das Ride-Pooling aus – Sammeltaxi­s als neue Form des privat-öffentlich­en Nahverkehr­s. BMW und Daimler kooperiere­n beim Carsharing. Das sind richtige Ansätze, freilich noch in kleinem Umfang, wenn man sie mit der internatio­nal agierenden Firma Uber oder gar dem noch viel größeren chinesisch­en Unternehme­n Didi vergleicht. Auch hier gilt: Damit die neuen Angebote nicht noch mehr Verkehr verursache­n, muss die Politik steuernd eingreifen, etwa mit höheren Parkgebühr­en für private Pkw.

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FOTO: IMAGO E-Mobilität, autonomes Fahren, Car-Sharing: Darüber wollte die Bundeskanz­lerin am Montagaben­d bei einem Automobilg­ipfen im Kanzleramt diskutiere­n.

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